Erste Betreuung und Fragen dazu

[cleo79]

Ich bin ebenfalls Juristin und habe heute meinen ersten Beschluss über die Betreuerbestellung bekommen (ehrenamtlich nur für Immobilienverkauf) und habe keine Ahnung wie ich weiter vorgehen soll. Die Betreute kontaktieren werde ich natürlich - bringt aber zur Aufklärung nichts, da sie im Heim lebt und fortschreitend dement ist. Von wem bekomme ich Informationen? Soll ich erstmal einen Grundbuchauszug einholen? Muss ich über den Wert des Grundstücks ein Gutachten erstellen? Ich merke auch mit Jura-Studium ist man bei Betreuungen zunächst ein Anfänger. Über Tipps würde ich mich freuen.

[Imre Holocher]

Moin moin ihr lieben Juristen

Es wundert mich gar nicht, dass ihr erst mal so erstaunt seid.
Die Juristerei ist für Gesetze erfunden worden, die abstrakt und fern ab von allem "menschlichen" das Zusammenleben von Menschen regeln sollen.

Irgendwann nachdem Juristen einen halbgottähnlichen Status erworben haben, hat sich die Juristerei verselbständigt und ist immer mehr abgehoben - und damit immer weiter von den Menschen, für deren Zusammenleben sie eigentlich da sein sollte.

Mit dem Betreuungsrecht wurde ein Gesetz entwickelt, dass nicht mehr die Verwaltung von Menschen regeln sollte, sondern ein Gesetz, das für gerade die Menschen da sein sollte, die ihre rechtlichen Sachen nicht mehr selber regeln können. Es wurde sogar zu Anfang stark auf die "persönliche" Betreuung abgehoben.
(OK, das wurde inzwischen wieder reichlich eingekürzt und pauschaliert gestrichen, aber Politiker tun nach wie vor so, als wäre an dem Menschlichen Aspekt nie geknabbert worden...)

Ihr merkt schon: In der Juristenausbildung wird immer noch in erster Linie an §§§§§ ausgebildet. In der Juristenpraxis sind es immer noch die §§§§, die das Reden und Denken ausgebildeter Jursiten bestimmen. Deshalb ist es leider immer noch an vielen Gerichten so, dass so ein "Menschennaher Bereich" wie das Betreuungsrecht mit spitzen Fingern angefaßt - oder noch schlimmer: als Strafabteilung angesehen wird.

Es ist also nicht verwunderlich, wenn ein Mensch mit einer Juristenausbildung in der Praxis des Betreuungsrechtes erst mal ins Staunen kommt und einiges widersprüchlich oder sogar willkürlich findet. Dem Juristenmensch geht es da genauso wie dem Nicht-Juristenmensch, der zum ersten mal vor Gericht steht (und sei es auch nur als Zuschauer).

Ich kenne eine ganze Reihe von JuristInnen, die das Leben und die Menschen lieben. Die leisten wirklich gute Arbeit als BetreuerInnen, eben WEIL sie die Menschen lieben. Die allermeisten davon haben ihre Kanzlei zugunsten der Betreuungen aufgegeben.
Es gibt bedauerlicherweise aber auch viele, die rechtliche Betreuungen als Sprungbrett in eine eigene Kanzlei ansehen und dann später neben der Kanzlei noch viele Betreuungen führen.
Da habe ich schon 80 und mehr Betreuungen nebenberuflich = mehr als 250 abgerechnete Stunden monatlich gesehen...
Das finde ich eher kriminell als professionell.

Ich hoffe das dieses Forum eine Plattform ist, um allen - egal aus welchem Grund sie mit dem Betreuungsrecht zu tun haben - ein gegenseitiges Verständnis zu ermöglichen und dabei behilflich zu sein.

In dem Sinne also
Herzlich



MfG

Imre

[cleo79]

Von diesem Forum habe ich mir konkrete Antworten erhofft und nicht Kritik am eigenen Berufsstand von anderen Teilnehmern. Ich gehe davon aus, dass Sie niemals im Familienrecht, Erbrecht oder Strafrecht tätig waren, denn sonst würden Sie nicht davon sprechen, dass dies nur Regelungen fern von Menschen seien. Sie kennen weder mich noch den Bereich in dem ich tätig bin. Bei meiner ersten Bestellung wurde ich neben einem vorhandenen Beteuer bestellt um dem Betreuten auch eine juristisch kompetente Hilfe zu bieten. Wie dem auch sei, ich bitte Äußerungen mir gegenüber, die fast schon an Beleidigung grenzen zu unterlassen. Und ich gehe davon aus, dass Sie kein Jurastudium hinter sich haben. Ähnlich wie bei Ärzten würde ich auch bei einem Studium der Rechtswissenschaften nie davon sprechen, dass es "fern von allem menschlichen sei" ;-)

[mimi91]

Hallo Cleo,
ich bin auch noch relativ neu als Betreuerin tätig und musste noch keine Immobilie verkaufen. Wenn ich es zu tun hätte in diesem Fall, würde ich zunächst z. B. die Gerichtsakte einsehen und Kontakt zum bereits existierenden Betreuer aufnehmen. Gibt es vll. Angehörige?
Und such mal hier in "Forum durchsuchen" unter Immobilien/Immobilienverkauf.

[Boomer]

Hallo. Gleich mein zweiter Fall war so ähnlich. Demenz und Immobilienverkauf.

Infos : Gerichtsakte einsehen, Grundbuchamt. Dann brauchst du ein Wertgutachten. Erkundige dich ggf nach dem Gutachterausschuss in deiner Umgebung falls nicht genügend Geld für den Gutachter da ist. Danach einen Makler. Suche dir unbedingt einen, der Ahnung vom Verkauf bei Betreuungen hat. Ich hab hier nen absoluten Glücksfall erwischt, denn dieser Makler hat sich darauf spezialisiert und mir bis zum Notartermin so ziemlich alles abgenommen bzw mir gesagt wie 's geht und was wann zu tun ist

[michaela mohr]

Von diesem Forum habe ich mir konkrete Antworten erhofft

Dafür gibt es hier eine Suchfunktion und da die gestellten Fragen nun wirklich nicht neu sind wäre es gut diese zu bemühen.
Forum Betreuung

Hiermit ist Imre vielleicht wirklich etwas über`s Ziel hinausgeschossen

Da habe ich schon 80 und mehr Betreuungen nebenberuflich = mehr als 250 abgerechnete Stunden monatlich gesehen...
Das finde ich eher kriminell als professionell.

denn bei einer entsprechenden Infrastruktur des Büro z.B. mit Fest- Angestellten lassen sich auch 80 Betreute gut händeln ohne dass etwas zu kurz kommt.
Andererseits musste dieser Beitrag, der im Bereich der Vorstellungen so gar nichts zu suchen hatte ja erst in die richtige Abteilung verschoben worden. Imre hatte dort geantwortet ud das ist sein gutes Recht.
Vielleicht wäre es grundsätzlich nicht schlecht Forenregeln wenigstens versuchen zur Kenntnis zu nehmen.

[Imre Holocher]

Hallo Cleo79

Zitat von cleo79

Wie dem auch sei, ich bitte Äußerungen mir gegenüber, die fast schon an Beleidigung grenzen zu unterlassen.

Dir als Person hat mein herzliches Willkommen gegolten und die Hoffnung, dass das Forum eine Plattform bietet, sich gegenseitig besser verstehen zu können. Dich zu beleidigen hatte ich nicht vor, sehe aber auch nicht in wiefern ich dies getan haben sollte.

Meine Kritik an der Juristerei als solcher war auch nicht so pauschal, dass jeder Jurist sie auf sich persönlich beziehen könnte oder gar sollte.

Zitat von cleo79

Und ich gehe davon aus, dass Sie kein Jurastudium hinter sich haben.

Ich habe Jura nicht studiert (obwohl das einige meiner Leherer gerne gesehen hätten...), bin da aber auch nicht mehr ganz unbeleckt (insbesondere Familenrecht, Erbrecht & Strafrecht).
Deshalb habe ich (nicht nur in der Betreuerarbeit) sehr oft auch die Aufgabe juristisches Denken gegenüber Nicht-Juristen zu vermitteln, um unnötige Streitereien zuvermeiden - genauso, wie auch pädagogisches Denken an Juristen vermittelt werden muss, um sich verstehen und auf ein gemeinsames vorgehen zugunsten der Betreuten einigen zu können.

Ich äußere gerne mal Kritik, weil ich von blauen Flecken aufgrund andauernden "Auf-die-Schulter-Klopfens" nicht mag. Und Kritik habe ich durchaus auch genug an der eigenen Profession.

MfG

Imre

[Imre Holocher]

Moin Cleo79

Boomer hat das meißte schon beschrieben:
- Betreuungsakte einsehen, ob da was zu finden ist (wenigstens Adressen)
- Einen Grundbuchauszug besorgen (nachsehen wg. möglicherweise weiteren Miteigentümern, mit denen nur gemeinsam verkauft werden kann - oder Nacherben...)
- ein Wertgutachten ist notwendig, damit das Betreuungsgericht wenigstens eine Hausnummer hat, wie teuer die Immobilie verkauft werden sollte
- einen Energiepass besorgen sofern keiner vorliegt
- einen Makler suchen, der die Vermittlung für den Verkauf liefert.

Besonders schön ist es, wenn der Makler auch vereidigter Gutachter ist. Dann wird sein Gutachten auch beim Gericht anerkannt und man kann die Kosten für das Gutachten mit dem Verkaufserlös regeln. Das spart viel Arbeit und Stress, fall sonst nicht so viel Geld da sein sollte.

Der Makler sollte Vermittlung und Verkauf bis zum Notartermin vorbereiten. Dein Job ist es dann eigentlich nur noch zu sagen, wer den Zuschlag für die Immobilie bekommt und der Notartermin zum Unterschreiben.

Als Tipp:
Interessenten gehen gerne auf Betreuer zu, um sie für sich zu gewinnen und die Preise zu senken oder Druck auszuüben. Immer schön an den Makler verweisen.
Wenn Du schon ein paar mal Immobilien verkauft hast und mit einem Makler prima zusammenarbeiten kannst, dann kann es auch schon mal spannend werden. Gut eingespielt könnt ihr den Verkaufspreis deutlich aufbessern.

MfG

Imre

[Doro]

muß mal ne Lanze für Imre brechen. Bei allem dem was hier geschrieben wird, was manchmal echt traurig ist,hat er es immer verstanden noch den Humor zu behalten. Kann auch nicht jeder!!

Bin kein Schleimer oder sowas, aber watt mutt datt mutt sagen wir im Münsterland immer............grins

[Miezekatze]

Zitat von Imre Holocher

Moin moin ihr lieben Juristen

Es wundert mich gar nicht, dass ihr erst mal so erstaunt seid.
Die Juristerei ist für Gesetze erfunden worden, die abstrakt und fern ab von allem "menschlichen" das Zusammenleben von Menschen regeln sollen.

Irgendwann nachdem Juristen einen halbgottähnlichen Status erworben haben, hat sich die Juristerei verselbständigt und ist immer mehr abgehoben - und damit immer weiter von den Menschen, für deren Zusammenleben sie eigentlich da sein sollte.



Ihr merkt schon: In der Juristenausbildung wird immer noch in erster Linie an §§§§§ ausgebildet. In der Juristenpraxis sind es immer noch die §§§§, die das Reden und Denken ausgebildeter Jursiten bestimmen. Deshalb ist es leider immer noch an vielen Gerichten so, dass so ein "Menschennaher Bereich" wie das Betreuungsrecht mit spitzen Fingern angefaßt - oder noch schlimmer: als Strafabteilung angesehen wird.

Es ist also nicht verwunderlich, wenn ein Mensch mit einer Juristenausbildung in der Praxis des Betreuungsrechtes erst mal ins Staunen kommt und einiges widersprüchlich oder sogar willkürlich findet. Dem Juristenmensch geht es da genauso wie dem Nicht-Juristenmensch, der zum ersten mal vor Gericht steht (und sei es auch nur als Zuschauer).

hmm..ich merk schon..da kann man besonders toll und wertvoll drüber pauschal urteilen, wenn man nicht dabei war.