Dies ist ein Beitrag zum Thema praktische Umsetzung des § 1906a BGB im Unterforum Aufenthalt - Freiheitsentziehung , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Wie muss ich mir die praktische Umsetzung des § 1906a BGB vorstellen?
Angenommen ich erhalte die Genehmigung nach § 1906a ...
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26.08.2020, 10:06 | #1 |
Routinier
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praktische Umsetzung des § 1906a BGB
Wie muss ich mir die praktische Umsetzung des § 1906a BGB vorstellen?
Angenommen ich erhalte die Genehmigung nach § 1906a BGB, einen Betreuten auf der entsprechenden Station eines Fachkrankenhauses (z. B. Urologie, also normales offenes KH) ärztlich behandeln zu lassen. B. ist mobil und wehrt sich mittels seines natürlichen Willens. Angenommen ich habe ebenfalls die Genehmigung nach § 1906 ihn gegen seinen Willen dorthin verbringen zu lassen. Wie geht es weiter? Wer "sichert" während der Behnadlung, ggf auch wenn B. stationär bleiben muss? |
26.08.2020, 10:17 | #2 | |
ehem. Admin / Berufsbetreuerin
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Zitat:
"Normale" offene Stationen teilen in der Regel sofort mit dass eine Behandlung nur freiwilig erfolgen kann und dass wegen der Statiosstruktur keine Überwachung möglich ist. Mit viel Überzeugungskraft hatte ich es mal geschafft die Psychiatrie und die Innere zusammenzubringen. Zu konkreten Behandlungen wurde er rüber in die andere/Innere Abteilung gebracht und dann wieder zurück auf die Geschlossene. Das geht je nach Art der Erkrankung nicht immer und nicht jedes KH macht den Aufwand mit. Voraussetzung ist natürlich dass beide Disziplinen im selben KH vorhanden sind.
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26.08.2020, 10:21 | #3 | |
Routinier
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Zitat:
§ 1906a BGB bietet lediglich eine Rechtsgrundlage zur ärztlichen Zwangsbehandlung, aber keine Rechtsgrundlage zur freiheitsentziehenden Unterbringung. Ein Beschluss zur alleinigen ärztlichen Zwangsbehandlung ohne gleichzeitige Unterbringung in die Psychiatrie ist nur sinnvoll für den Sonderfall bettlägerige Patienten/Komapatienten/etc., bei denen nach früherer Rechtslage eine Zwangsbehandlung rechtlich unmöglich war, was vom Bundesverfassungsgericht beanstandet wurde. Wenn aber feststeht, dass der Patient von vornherein nicht bleiben will, muss immer auch die Unterbringung beantragt werden. Dann kommt er zuerst in die Psychiatrie und wird von dort mit entsprechender Begleitung zu den notwendigen Behandlungen geführt. |
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26.08.2020, 10:27 | #4 |
ehem. Admin / Berufsbetreuerin
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Stimmt auch wieder @Pichilemu.
Ich hatte die Frage allerdings so verstanden dass derjenige "nur" nicht im KH bleiben möchte, also evtl. weglaufgefährdet sei.
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26.08.2020, 11:44 | #5 |
Routinier
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Die Frage bezog sich auf angenommen z. B. Betreute, die es sagen wir mal unter Drogen/Alkohol nicht schafft aufzustehen/die Dringlichkeit des Eingriffs nicht mehr erkennt/mehrfach Termine platzen lässt/ Helfer "in die Flucht schlägt"/aber ganz bestimmt nicht sterben will/auf ihr persönliches Umfeld nicht mehr reagiert bzw. ggf auch aggressiv wird
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27.08.2020, 11:31 | #6 |
Stammgast
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Hallo,
für den Fall wäre die gerichtliche Anordnung der Zuführung unter Anwendung von Gewalt (unmittelbarem Zwang) erforderlich, § 326 Abs. 2 S. 1 FamFG. Neben der zwangsweisen ärztlichen Behandlung, § 1906a BGB, wurde die Unterbringungsmaßnahme als solche ja ebenfalls bereits i. S. v. § 1906 BGB genehmigt, wie Du weiter oben schriebst; entgegen der Annahme von Pichilemu...vermutlich übersehen. Die praktische Umsetzung vor Ort, ich meine da den Schwerpunkt Deiner Frage zu erkennen, ist sicherlich in letzter Konsequenz ein Problem. Wer hält im Zweifelsfall fest, wenn untersucht wird? Ist das die Frage? Falls ja, hierzu: Wenn es die Klinik mit eigenem Personal leistet, dann passt es ja (jedenfalls praktisch). Ansonsten könnte eine grundsätzliche Zuständigkeit der i. S. v. § 1 S. 1 BtBG zuständigen Behörde aus dem Verfahrensrecht abzuleiten sein, analoge Anwendung des § 326 Abs. 2 S. 1 FamFG, ggf. unter Hinzuziehung der Polizeibehörde zur Anwendung unmittelbaren Zwanges. Allerdings wird man sich hier im Einzelfall auch immer streng an der grundsätzlich dem Betreuten einzuräumenden "Freiheit zur Krankheit" zu orientieren und daher hohe Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit i. e. S. zu stellen haben. Ich meine, hier besteht eine (betreuungsrechtliche) Regelungslücke: Die ärztliche Zwangsbehandlung ist genehmigt, ebenso die dazu erforderliche Unterbringung und ggf. auch die Anwendung von Gewalt/körperlichem Zwang zur Durchsetzung der Unterbringung. Es fehlt jedoch die gerichtliche Anordnungsmöglichkeit (und damit die behördliche Anwendungsbefugnis) von Gewalt zur Durchsetzung der angeordnteten Zwangsbehandlung. Oder übersehe ich etwas? Rspr. ist mir dazu gerade nicht bekannt. Gruß Florian |
27.08.2020, 12:25 | #7 | |
Routinier
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Zitat:
Vielen Dank. Meine Frage hast du richtig erkannt. Allerdings befinde ich mich noch im "Brainstorming", d. h. Genehmigungen liegen noch keine vor bzw sind auch noch nicht beantragt. Ob du etwas übersiehst, weiss ich leider auch nicht Tatsächlich frage ich mich auch, wie ich ensprechende Anträge korrekt formulieren könnte und ob es überhaupt Sinn macht, wenn es selbst bei Genehmigung vsl. an der praktischen Umsetzungsmöglichkeit hapert, s. o. |
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27.08.2020, 12:33 | #8 | |
ehem. Admin / Berufsbetreuerin
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Zitat:
Du hattest nach der praktischen Umsetzung gefragt, also wie so etwas sich dann tatsächlich abspielt? Besser schreibe ich wohl: abspielen könnte. Das hängt von der geplanten ärztlichen Massnahme ab, von der voraussichtlichen Planung der Anschluss- und Wundversorgung also konkret um welche OP es gehen soll. Und der Bereitschaft des KH eine solche Massnahme mitzutragen.
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27.08.2020, 12:45 | #9 | |
ehem. Admin / Berufsbetreuerin
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Zitat:
Es geht um die OP wegen Krebs nehme ich an. Hier ist die zentrale Frage ob sie die Weigerung diese durchführen zu lassen überblickt? Solange das nicht geklärt ist lohnen sich weitere Überlegungen nach dem Wie und Wo eher nicht. Ich gehe fast automatisch davon aus dass die Polizei sich nicht in den OP stellen wird um die Betreute festzuhalten für die Untersuchung. Entweder die Klinik erkennt die Notwendigkeit von Untersuchung und OP (auch gegen den Willen) und spielt mit oder die Situation der Dame lässt sich wegen Undurchführbarkeit nicht ändern.
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27.08.2020, 13:10 | #10 |
Routinier
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Das dürfte der springende Punkt sein. Die Zwangsbehandlung ist immer ultima ratio, also nur zulässig wenn es keine Alternative gibt und das Leben des Betroffenen oder Dritter ernsthaft gefährdet ist. Eine operative Prostataentfernung wird sich kaum als Zwangsbehandlung durchsetzen lassen, solange es auch konservative Behandlungsmethoden gibt die der Betroffene akzeptiert, nicht zuletzt auch weil die OP selbst nicht risikofrei ist (1,5% Letalität laut Wikipedia) und auch ein gesunder Krebspatient ohne psychische Erkrankung zu dieser OP nicht gezwungen werden könnte.
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