Dies ist ein Beitrag zum Thema Was ist vorrangig - BTR oder PsychKG? im Unterforum Aufenthalt - Freiheitsentziehung , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Moin moin
Die Frage hatten wir in einem anderen Thread schon einmal und es gab da auch eine interessante Antwort:
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04.01.2023, 19:48 | #1 |
Admin/Berufsbetreuer
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Was ist vorrangig - BTR oder PsychKG?
Moin moin
Die Frage hatten wir in einem anderen Thread schon einmal und es gab da auch eine interessante Antwort: Wenn eine betreute Person akut selbstgefährdend ist: Wer ist da für die Unterbringung zuständig - PsychKG oder BGB? Der hiesige PsychDienst drückt sich die Unterbringung vorzunehmen und begründet das damit, dass ern nicht zuständig sei. Wenn eine rechtliche Betreuung vorliegt, soll der Betreuer dir Unterbringung beantragen, medizinische Stellungnahme und Gerichtsbeschluss besorgen und unterbringen (...oder die Kundschaft unter der Brücke vom Asphalt kratzen, wenn es nicht schnell genug gelaufen ist). Irgendwo konnte jemand §§ nennen, in denen dazu was brauchbares geschrieben steht. Wer kann sich erinnern? MfG Imre
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05.01.2023, 08:47 | #2 |
Moderator
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Hallo Imre, im BGB steht nichts zu Vor- und Nachrang. Das findest du im PsychKG deines Bundeslandes (hier also Niedersachsen). Das ist da § 16:
„Die Unterbringung einer Person ist nach diesem Gesetz nur zulässig, wenn von ihr infolge ihrer Krankheit oder Behinderung im Sinne des § 1 Nr. 1 eine gegenwärtige erhebliche Gefahr (§ 2 Nrn. 2 und 3 NPOG) für sich oder andere ausgeht und diese Gefahr auf andere Weise nicht abgewendet werden kann.“ Hier sind es 3 Sachen: „die GEGENWÄRTIGE Gefahr“, die Alternative, dass die Gefahr auch für ANDERE bestehen kann und das Abwenden AUF ANDERE Weise. Gegenwärtigkeit wird im BGB nicht erwartet, siehe zB https://lexetius.com/2010,49 . Wenn also ein Zustand sich nach und nach entwickelt, der Betreuer auch den nötigen AK hat - die Zeit also für ein ordentliches Genehmigungsverfahren samt Gewaltbeschluss nach § 326 FamFG reicht - und sowohl Gericht als auch BtB erreichbar ist - dann ist das die andere Weise, die ggü PsychKG vorrangig ist. Explodiert der Betreute aber sozusagen ohne Vorwarnung (jedenfalls hinter dem Rücken des Betreuers) und muss der Betroffene unmittelbar in die Klapse, also noch am gleichen Tag, der gleichen Nacht oder während des Wochenendes, ist das allein schon deshalb Sache nach dem PsychKG, weil der Betreuer keinen unmittelbaren Zwang ausüben kann und die Betreuungsbehörde dafür ausnahmslos die vorherige Gewalterlaubnis nach § 326 FamFG braucht. Dafür muss nicht nur vorab der Richter (Notdienst) erreichbar sein, sondern auch die BtB (die aber keinen solchen Notdienst hat - was sie auch nicht braucht, denn genau dafür gibts ja das PsychKG. Der Verweis auf den bisherigen § 1906 Abs. 2 bzw jetzt § 1831 Abs. 2 BGB 2023 - die Entscheidung durch den Betreuer bei Gefahr ohne das Gericht - wird oft falsch verstanden. Es beinaltet nicht den § 326 FamFG. Geht also nur, wenn der Betreute schon im Krhs ist - und dann dort den Rappel kriegt. Ist es also akut, ist PsychkG dran. Es kann jetzt natürlich darum gehen, ob die Gefahr tatsächlich gegenwärtig ist. Oder ob man bis Montag warten kann. Wirklich sicher ist man sich natürlich erst, wenn der Betreute sich oder andere umgebracht hat.
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05.01.2023, 10:36 | #3 | ||
Berufsbetreuer
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Hallo,
Zitat:
in diesem Zusammenhang: Zitat:
https://www.lexikon-betreuungsrecht....Kranken-Gesetz Sofern ein gesetzlicher Betreuer mit den entsprechenden AK'S bestellt ist, sehe ich diesen bei Selbstgefährdung schon als ersten Zuständigen - sofern er eine Einweisung für angezeigt hält. Sofern auch irgendwie Fremdgefährdung im Spiel ist, würde ich ggf. ein Anregung nach PsychKG anregen. Vor Jahre war dies in einem meiner Fälle so. Jedenfalls kann bzw. darf ein Betreuer auch eine Unterbringung nach PsychKG anregen. mfg
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05.01.2023, 13:39 | #4 |
Routinier
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Sehe ich es richtig, dass in Niedersachsen noch das PsychKG vo 1997 Bestand hat? Falls ja, heisst es dort doch in § 18 "Kann eine gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, so kann die zuständige Behörde die betroffene Person längstens bis zum Ablauf des folgenden Tages vorläufig in ein geeignetes Krankenhaus (§ 15) einweisen, wenn die Voraussetzungen des § 16 durch das Zeugnis einer Ärztin oder eines Arztes mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie dargelegt werden, dem ein frühestens am Vortage erhobener Befund zugrunde liegt."
....wenn die Voraussetzungen nach §16, s. HorstD, gegeben sind |
05.01.2023, 14:33 | #5 |
Moderator
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Ja, das mit dem Beispiel des § 18 PsychKG ist der entscheidende Unterschied. Die Ordnungsbehörde darf nach PsychKG unmittelbaren Zwang ohne vorherigen Gerichtsbeschluss anwenden, die Betreuungsbehörde ist nach § 326 FamFG aber ausnahmslos darauf angewiesen. Es ist also letztlich die Frage, wie eilig ist es.
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05.01.2023, 17:45 | #6 |
Admin/Berufsbetreuer
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Moin moin
und besten Dank für die Antworten. Mal ein nettes Schreiben an den Landrat aufsetzen und fragen, ob er für seine eigene Unterbringung lieber den PsychDienst oder seinen Betreuer haben möchte... Nein, so natürlich nicht, aber er riskiert schon Strafanzeigen wg. unterlassener Hilfeleistung als oberster Verantwortlicher, wenn wegen so einer Streiterei die nötigen Hilfen verweigert werden und eine betreute Person zu Schaden oder ums Leben kommt. MfG Imre
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05.01.2023, 19:35 | #7 |
Berufsbetreuer
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Soweit zur akademischen Diskussion.
In der Praxis ist hier ja wohl von einer akuten Selbstgefährdung die Rede. Diese ist aber oft weder für den SpDi, noch einen Gerichtsgutachter, noch die Polizei ohne Weiteres erkennbar, oft vor allem bei psychiatrieerfahrenen Klienten. Für den Betreuer, der seine Pappenheimer kennt, aber schon. In solchen Fällen übe ich mich in Verantwortung und versuche, im möglichst guten Zusammenspiel mit der Polizei und dem Diensthabenden in der Klinik, die Betreuten schnellstmöglich in Sicherheit zu bringen. Hierzu eine Anmerkung: im 1831 2 BGB ist konnotiert, dass die Unterbringung ohne vorherige gerichtliche Genehmigung zulässig ist, wenn entsprechende Gefahr besteht. Punkt. 326 FamFG kann dem ja gar nicht entgegenstehen. Wie heißt es so schön: wenn der Gesetzgeber etwas anderes will, soll er es ins Gesetz schreiben. Im Zusammenspiel in der Situation vor Ort, kommt es vor allem darauf an, die Polizei hinzuzubitten und zu den richtigen Schritten zu bewegen falls man sie überhaupt braucht. (Gelegentlich genügt ein Rettungswagen, manchmal das Vetrauen des Betreuten zum Betreuer, manchmal die betreuerliche Autorität). Kann die akute Selbstgefährdung der Polizei überzeugend dargelegt werden, geht die Sache ihren Weg und im Krankenhaus wird dann entweder nach PsychKHG oder nach BGB untergebracht, sofern sich sich die Notwendigkeit ärztlicherseits bestätigt. Gelegentlich will oder kann die Polizei die Selbstgefährdung nicht erkennen. Dann kommt es vor allem darauf an, unter wessen Verantwortlichkeit die Sache vonstatten gehen soll. Und dann gehe ich als Betreuer klar in die Verantwortung und bestimme (je nach Aufgabenkreis) entweder den Aufenthalt des Betreuten zum Zwecke einer Gesundheitsuntersuchung im Krankenhaus (und gehe dann erstmal zum Telefonieren um die nächste Straßenecke, man kann ja nicht überall gleichzeitig sein) oder spreche eine Unterbringung wegen akuter Eigengefährdung aus (und gehe dann erstmal, zum Telefonieren um die Straßenecke, man kann ja nicht überall gleichzeitig sein), die dann wegen Gefahr im Verzug auch nicht nach §326 FamFG ablaufen kann oder muss. Die Polizei verbringt den Betreuten dann in "Amtshilfe" ins KH. Dort entscheidet sich das Weitere. Manchmal kommt es auch zum freiwilligen Verbleib im Krankenhaus. Beide Varianten nur nach vorherigem Telefonat mit dem Diensthabenden in der Klinik und Signal von dort, dass es richtig sei, die Notwendigkeit einer Unterbringung vor Ort untersuchen zu lassen. Somit ist der hilfebedürftige Betreute in der Notaufnahme "angemeldet" was die Dinge weiter vereinfacht, auch im Dialog mit der Polizei. Eigentlich klappt es so immer. Manches mag hier flapsig klingen, ist aber nicht so gemeint. Solange ich als Betreuer Mittel in der Hand (und den entsprechenden Aufgabenkreis) habe, akute Eigengefährdung meiner Betreuten abzuwenden oder zu beenden, schöpfe ich diese aus, bevor ich lange nach anderen suche, die sich die Finger schmutzig machen. Diejenigen zu sein, die aus persönlicher Kenntnis der Betreuten größeres Unheil von ihnen abwenden können, wo anderen Institutionen noch die Hände gebunden sind: für mich ist das eine große und wichtige Aufagbe zum Wohl der Betreuten. Und ja: ich habe das hier im großstädtischen Umfeld mit meiner Spezialisierung auf Psychiatrie und Sucht relativ oft. Und ich habe hier im Sprengel vermutlich den strengsten deutschen Betreuungsrichter überhaupt, der es -wo auch immer nur möglich- sehr darauf anlegt, einem fehlerhaftes Handeln vorzuwerfen oder nachzuweisen. Er findet diese Vorgehensweisen aber rechtlich richtig. |
05.01.2023, 20:03 | #8 |
Moderator
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Hallo Flafluff, natürlich kollidiert § 1831 BGB mit § 326 FamFG; aber natürlich nur dann, wenn Gewaltanwendung („unmittelbarer Zwang“) für die Zuführung nötig ist. Wenn gutes Zureden reicht, natürlich nicht.
Und die Polizei muss dem Betreuer keine Vollzugshilfe leisten, sondern nur der Betreuungsbehörde. Was geht: die Bitte um Personenschutz und die Bitte, sich selbst ein Bild von der unmittelbaren Gefährdung zu machen. Wenn die Polizeibeamten das so sehen, entscheiden sie selbst über die sofortige Unterbringung (analog zum PsychKG). Und wenn der Betreute in der Klinik ist, kann der Betreuer die Anordnung nach § 1831 Abs. 2 Satz 2 BGB treffen, muss dann natürlich unverzüglich die Genehmigung beantragen (also der Unterbringung, nicht der Gewaltanwendung bei der Zuführung).
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Mit vielen Grüßen Horst Deinert Weitere Infos: https://www.lexikon-betreuungsrecht.de |
05.01.2023, 20:16 | #9 |
Berufsbetreuer
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Hallo Horst,
in den Fällen, wo ich jemanden bei akuter Eigengefährdung ohne vorherigen Antrag und ohne vorherige richterliche Genehmigung bereits eingesammelt und untergebracht habe, beginnt das Unterbringungsverfahren überhaupt erst mit meiner Mitteilung an das Gericht, dass ich untergebracht habe, also mit meinem nachgeholten Antrag. Dann ist die Zuführung -so oder so- schon erfolgt und §326 FamFG völlig irrelevant. Im Übrigen sprach ich von der Praxis. Die Polizei muss zwar vielleicht nichts, wird aber vieles, wenn man rechtlich und inhaltlich gut argumentativ aufgestellt ist und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Vor Ort finden keine höchstrichterlichen Verhandlungen statt, sondern es müssen betreute, hilfebedürftige Menschen in Sicherheit gebracht werden. Da sind sich die Praktiker letztlich zumeist einig. |
06.01.2023, 09:10 | #10 |
Routinier
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Diese Praxis ist uns ja bekannt, sicherlich auch Imre. Danach war von Imre aber nicht gefragt worden.
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