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Richter sieht sich trotz ärztl. Stellungnahme nicht zuständig

Dies ist ein Beitrag zum Thema Richter sieht sich trotz ärztl. Stellungnahme nicht zuständig im Unterforum Aufenthalt - Freiheitsentziehung , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Hallo, nachdem ich in der Vorstellung schonmal angedeutet habe, dass ich ggf. mal Rat gebrauhen könnte, denn unsere Richter hier ...


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Alt 05.08.2024, 14:39   #1
Forums-Geselle
 
Registriert seit: 27.06.2024
Ort: Sachsen-Anhalt
Beiträge: 149
Standard Richter sieht sich trotz ärztl. Stellungnahme nicht zuständig

Hallo,

nachdem ich in der Vorstellung schonmal angedeutet habe, dass ich ggf. mal Rat gebrauhen könnte, denn unsere Richter hier praktizieren eher "Landrecht", ist es jetzt soweit...

Ein Betreuter hat sich auf eigene Faust, noch ohne Gefährdung aus der offenen Psychiatrie in der er sich selbst vorgestellt hatte ("ich merke richtig bei mir passiert was")entlassen und war unterwegs. Er wurde in Göttingen aufgegriffen und ist dort nach zunächst freiwilligem Aufenthalt nach PsychKG bis Mitte August untergebracht.

Der behandelnde Arzt hat mich kontaktiert, nach ihrer Einschätzung und Diagnostik haben wir beginnende, bzw. sich schnell steigernden Alzheimer, Korsakowsyndrom und Eigen- und Fremdgefährdung und muss dauerhaft in geeigneter Einrichtung untergebracht werden.

Das Problem für den Doc ist, PsychKG endet an der Landesgrenze und außerdem sieht es nunmal nach Dauer aus.
Ich habe dazu eine Stellungnahme von ihm erhalten, in der die Erweiterung um Aufenthalt und Unterbringung befürwortet wird. Die Stellungnahme kam in meinem Urlaub an (mein Fehler, es tut mir unendlich Leid), ich habe also mit dem Doc gesprochen, ob es noch etwas Neues gab, bevor ich die Anregung rausschicke.

Gab es. Er hat aus einer Urinflasche ein "Molotov-Cocktail" gebastelt, sodass die ganze Etage evakuiert werden musste. Und, er hat ein Handtuch in Seife getaucht um damit eine Kurzschluss an einer Steckdose hervorzurufen.
Diese Sachen habe ich also als konkrete Beispiele mit in die Anregung geschrieben. Im CC an die Betreuungsbehörde.

Hier nun die Antwort des Richters (aufs Wichtigste komprimiert):
Zitat:
Im Betreuungsgericht sind gegebenenfalls ausschließlich Eigengefährdungen relevant.

Bezüglich der Herstellung eines Molotov-Cocktails dürfte gegebenenfalls die Fremdgefährdung im Vordergrund stehen. Für die Prüfung, ob insoweit (auch) eine Eigengefährdung vorliegt, müsste zumindest erkennbar sein, ob es dem Betroffenen gelungen ist einen gefahrträchtigen Gegenstand herzustellen und ob er sich dadurch tatsächlich selbst gefährdet haben könnte.

Der Versuch, mit einem in Seife getauchten Handtuch einen Kurzschluss in einer Steckdose herbeizuführen, dürfte wohl eher als untauglich anzusehen sein, so dass beim gegenwärtigen Aktenstand auch insoweit eine akute Eigengefährdung nicht recht erkennbar sein dürfte.
Aufgrund des gegenwärtigen Aktenstandes schein die offenbar beabsichtigte Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung also gegebenenfalls durch Fremdgefährdungen veranlasst zu sein, würde also nicht unter das Betreuungsrecht fallen.

Nach alldem besteht aus Sicht des Betreuungsgerichts daher derzeit keine Veranlassung, die Erweiterung durch einstweilige Anordnung zu prüfen oder auch nur ein entsprechendes Gutachten für eine Erweiterung im ordentlichen Verfahren in Auftrag zu geben.
Kann ich noch mehr tun als das, was ich eben tat? Das war im Wesentlichen: zur Kenntnis an die Betreuungsbehörde und Rat an den Arzt, dass er sich vielleicht eher an seinen örtlichen Richter wendet, sei es nur für ein Telefonat von Richter zu Richter.

Ich tue mich schwer damit, zu warten bis es ihm gelungen ist funktionierende Sachen zu basteln. So lese ich das jedenfalls. Nebenbei, der Betreute ist gelernter Schlosser und hat jahrelang auf dem Bau gearbeitet.
Tschak ist offline  
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Alt 05.08.2024, 22:10   #2
Admin/Berufsbetreuer
 
Benutzerbild von Imre Holocher
 
Registriert seit: 16.03.2004
Ort: Betreuungsbüro Herrlichkeit 6 in 28857 Syke
Beiträge: 9,138
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Moin moin


So blöd, wie es sich liest, aber das Gericht hat durchaus recht.
Das Betreuungsrecht gibt im Fall von Fremdgefährdung nicht viel her. Die Begründung für die Erweiterung war von daher falsch und hätte deutlicher die Eigengefährdung darstellen müssen.



So bleibt im Prinzip nichts anderes übrig, als den Betreuten im Rahmen des Nds. PsychKG weiter unterzubringen, bis eine andere Bleibe gefunden ist, die auch von ihm akzeptiert wird. Ich gehe mal davon aus, dass nach dem PsychKG nicht in einem Heim untergebracht werden kann.



Andererseits vermute ich mal, dass mit einem ordentlichen Korsakow und einer sich schnell ausbreitenden Demenz auch schnell eine Eigengefährdung begründet werden kann. Dann ist das Betreuungsgericht auch wieder mit im Boot.



MfG
Imre
__________________
Fehler sind dazu da, um sie zu machen
und daraus zu lernen.
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Alt 06.08.2024, 00:30   #3
Stammgast
 
Registriert seit: 06.03.2018
Ort: Bürstadt, Hessen
Beiträge: 966
Standard

Zitat:
Zitat von Tschak Beitrag anzeigen
Hallo,

nachdem ich in der Vorstellung schonmal angedeutet habe, dass ich ggf. mal Rat gebrauhen könnte, denn unsere Richter hier praktizieren eher "Landrecht", ist es jetzt soweit...

Ein Betreuter hat sich auf eigene Faust, noch ohne Gefährdung aus der offenen Psychiatrie in der er sich selbst vorgestellt hatte ("ich merke richtig bei mir passiert was")entlassen und war unterwegs. Er wurde in Göttingen aufgegriffen und ist dort nach zunächst freiwilligem Aufenthalt nach PsychKG bis Mitte August untergebracht.

Der behandelnde Arzt hat mich kontaktiert, nach ihrer Einschätzung und Diagnostik haben wir beginnende, bzw. sich schnell steigernden Alzheimer, Korsakowsyndrom und Eigen- und Fremdgefährdung und muss dauerhaft in geeigneter Einrichtung untergebracht werden.

Das Problem für den Doc ist, PsychKG endet an der Landesgrenze und außerdem sieht es nunmal nach Dauer aus.
Ich habe dazu eine Stellungnahme von ihm erhalten, in der die Erweiterung um Aufenthalt und Unterbringung befürwortet wird. Die Stellungnahme kam in meinem Urlaub an (mein Fehler, es tut mir unendlich Leid), ich habe also mit dem Doc gesprochen, ob es noch etwas Neues gab, bevor ich die Anregung rausschicke.

Gab es. Er hat aus einer Urinflasche ein "Molotov-Cocktail" gebastelt, sodass die ganze Etage evakuiert werden musste. Und, er hat ein Handtuch in Seife getaucht um damit eine Kurzschluss an einer Steckdose hervorzurufen.
Diese Sachen habe ich also als konkrete Beispiele mit in die Anregung geschrieben. Im CC an die Betreuungsbehörde.

Hier nun die Antwort des Richters (aufs Wichtigste komprimiert):


Kann ich noch mehr tun als das, was ich eben tat? Das war im Wesentlichen: zur Kenntnis an die Betreuungsbehörde und Rat an den Arzt, dass er sich vielleicht eher an seinen örtlichen Richter wendet, sei es nur für ein Telefonat von Richter zu Richter.

Ich tue mich schwer damit, zu warten bis es ihm gelungen ist funktionierende Sachen zu basteln. So lese ich das jedenfalls. Nebenbei, der Betreute ist gelernter Schlosser und hat jahrelang auf dem Bau gearbeitet.

Wurde denn auch seitens der Klinik mal eine Strafanzeige gestellt? Das klingt für mich eher nach einer Indikation für eine forensische Unterbringung. Vielleicht auch das mal dem Arzt vorschlagen.


Was Fremdgefährdung angeht, gilt,: wir müssen nicht die Gesellschaft vor unseren Betreuten schützen, sondern unserer Betreuten vor der Gesellschaft. Von daher sehe ich den Richter klar im Recht. Von Landrecht kann hier keine Rede sein.
Michael77 ist offline  
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Alt 06.08.2024, 10:46   #4
Moderator
 
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Registriert seit: 24.03.2005
Ort: Duisburg, Ruhrgebiet, NRW
Beiträge: 6,838
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Auch nach dem PsychKG ist eine Langzeitunterbringung möglich (auch wenn das tendenziell für Kurzfristinterventionen gedacht ist). Die BGB-Unterbringung geht ja nur bei
-Selbstgefährdung (§ 1831 Abs. 1 Nr 1 BGB)
-dringender med. Behandlungsnotwendigkeit (Nr 2).

Das steht bei Alzheimer nicht im Vordergrund. Und eine forensische Unterbringung (§ 63 StGB) müsste von einem Strafgericht nach entsprechender Anzeige einer gemeingefährlichen Straftat (bei Wiederholungsgefahr) angeordnet werden. Die Urinbombe dürfte - bei aller Ekelhaftigkeit - nicht dazu zählen.
__________________
Mit vielen Grüßen
Horst Deinert

Weitere Infos:

https://www.lexikon-betreuungsrecht.de
HorstD ist offline  
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Alt 06.08.2024, 13:47   #5
Forums-Geselle
 
Registriert seit: 27.06.2024
Ort: Sachsen-Anhalt
Beiträge: 149
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Danke erst einmal für die Infos. Ich habe mir meins nochmal durchgelesen und schiebe eine kleine Präzisierung nach.
Molotov-Cocktail muss man sich so vorstellen: (Zitat aus Stellungnahme des Arztes)
Zitat:
Der Betreffende entzündete ein Laken, was er in eine Urinflasche gestopft hatte und legte sich damit schlafen. Dies wurde erst durch Rauchentwicklung vom Personal erkannt. Er weigerte sich, die Flasche abzugeben und sein Bett zu verlassen, da er offensichtlich das Gefahrenpotenzial nicht zu erkennen scheint."
Tschak ist offline  
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Alt 07.08.2024, 12:57   #6
Forums-Geselle
 
Registriert seit: 27.06.2024
Ort: Sachsen-Anhalt
Beiträge: 149
Standard

Noch ein kleines Update: nachdem ich den Richter ermutigte direkt mit dem Facharzt einmal zu telefonieren, habe ich eben einen Anruf von ihm bekommen, dass er jetzt auf dem Weg nach Göttingen ist.

Derweil musste der Betreute in der vergangenen Nacht fünfpunkt-fixiert werden. Sodass der Richter vom AG Göttingen zur nachträglichen Genehmigung auch mit anwesend ist...
Tschak ist offline  
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