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Decken oder melden? Betreuer Erfüllungsgehilfe der Strafjustiz?

Dies ist ein Beitrag zum Thema Decken oder melden? Betreuer Erfüllungsgehilfe der Strafjustiz? im Unterforum Beiträge zu Rechtsfragen bis 2015 , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Hallo, ich befinde mich momentan in einem Gewissenskonflikt und benötige guten Rat: Ein junger Betreuter von mir, der unter einer ...


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Alt 20.10.2014, 09:13   #1
Einsteiger
 
Registriert seit: 30.11.2013
Beiträge: 10
Standard Decken oder melden? Betreuer Erfüllungsgehilfe der Strafjustiz?

Hallo,


ich befinde mich momentan in einem Gewissenskonflikt und benötige guten Rat:


Ein junger Betreuter von mir, der unter einer paranoiden Psychose infolge einer Polytoxikomanie leidet, wurde kürzlich aus der Haft entlassen, die er aufgrund von Straftaten unter Drogeneinfluss verbüßen musste. Er wurde aber unter fünfjährige Führungsaufsicht gestellt, die ihm sogar den Konsum eines Bieres verbietet.


Obwohl er mir im Knast als clean und trocken vorgestellt wurde, stellte sich bald nach der Entlassung heraus, dass dem mitnichten der Fall ist. So gestand er etwa, in der JVA regelmäßig Drogen verschiedenster Art konsumiert zu haben. Weil er sich weigerte, eine stationäre Therapie zu machen, habe ich ihm betreutes Wohnen bei seinem Vater mit Anbindung an eine ambulante Suchtberatungsstelle organisiert. Doch noch ehe dort der Erstkontakt mit seinem Berater zustande kam, ist er schon wieder rückfällig geworden und hat erst einmal kräftig getankt.


Nachdem es zuhause gewaltigen Zoff gegeben hatte, wollte er sich das Leben nehmen und musste erst einmal zum Selbstschutz ins BKH gebracht werden, wo aktuell auch an der Einstellung seiner Psychopharmaka herumgeschraubt wird.


Seitdem liegt mir ständig seine Bewährungshelferin telefonisch in den Ohren, erkundigt sich nach den Ursachen und Umständen seiner Einlieferung und drängt auf ein gemeinsames Kennenlernen. Habe fast den Eindruck, dass sie Lunte riecht. Da er mir aber Leid tut, habe ich ihn bisher gedeckt, mich ahnungslos gegeben und sie mehrfach vertröstet. Andererseits zeigt der Betreute nach wie vor keinerlei Einsicht in die Notwendigkeit einer stationären Therapie.


Das Ganze macht mir ein schlechtes Gewissen. Hänge ich ihn hin, wandert er wieder in den Knast, tu ich es nicht, bin ich Mitwisser einer Straftat. Kann mir jemand an den Karren fahren? Was ist etwa, wenn er sich tatsächlich etwas antut? Immerhin hat er es in der Vergangenheit schon zweimal versucht...


Bitte um Eure Einschätzung.


Besten Dank viele Grüße!

Geändert von Orlando_D (20.10.2014 um 11:01 Uhr)
Orlando_D ist offline  
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Alt 20.10.2014, 15:20   #2
Einsteiger
 
Registriert seit: 30.11.2013
Beiträge: 10
Standard Traut sich niemand?

Hello again,


mag sich keiner meiner erbarmen...


Bin für jeden Beitrag dankbar!


Grüße!
Orlando_D ist offline  
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Alt 20.10.2014, 15:46   #3
Forums-Geselle
 
Registriert seit: 31.07.2012
Ort: Sachsen
Beiträge: 213
Standard

Hallo Olando,

also deine persönliche Einstellung schätze ich sehr. Aber, mir tun viele Menschen Leid, jedoch kann ich nicht jeden "mit einem Gefallen" unterstützen, egal welcher Natur geartet.

Du hast deinem jungen Betreuten eine Chance ermöglicht, durch die Betreuung welche Du inne hast.

Knast prägt heute nicht mehr, die Wahrnehmungen der Jugendlichen in diesem Milieu zeigt mir eher, dass Knast Cool ist.

Lange Rede, kurzer Sinn: Melden!

PS: Einzigste Option die ich sehe und evtl. probieren, obwohl mir da die Erfahrung fehlt, die Bewährungshelferin kontaktieren und ins Boot holen. Wenn sie sagt abfahrt, dann isses so.....

MfG
der_andre
der_andre ist offline  
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Alt 20.10.2014, 16:26   #4
Einsteiger
 
Registriert seit: 27.05.2014
Ort: Mönchengladbach
Beiträge: 23
Standard

Macht dein Betreuter sich auch so viele Gedanken um deine Person ?

Mal ein Bier, da kann man schon ein Auge zudrücken, aber wo er schon wieder aktenkundig geworden ist, kann man nicht mehr von "mal ein Bier" sprechen.

Melde es dem Gericht, Du hast auch die Möglichkeit deine persönliche Einschätzung anzufügen, vielleicht kann dies deinen Klienten nutzen. Dir aber auf jeden Fall.
__________________
D.M.
Memmi ist offline  
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Alt 20.10.2014, 17:47   #5
Held der Arbeit
 
Registriert seit: 03.07.2013
Ort: Bürostandort Oldenburg/Niedersachsen
Beiträge: 404
Standard Hat mit decken nicht viel zu tun

Moin!
Zum Thema Schweigepflicht oder Anzeigepflicht:

Schweigepflicht wurde glaub ich schon mehrfach diskutiert.
Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass Betreuer genau so
wie Sozialarbeiter sensible Daten über ihre Betreuten bekommen und so zumindest dem Sozialgeheimnis unterliegen. Ohne
zwingenden Grund und/oder die Erlaubnis des Betreuten gebe ich
erst einmal gar keine Informationen weiter.

ABER:
Ich arbeite sehr wohl mit Bewährungshilfe/Führungsaufsicht/AJSD zusammen, da ich die Kollegen langjährig kenne, einschätzen kann UND die Erlaubnis des jeweiligen Betreuten habe. Wenn nicht (Erlaubnis) dann nicht, dann ist es eben so. Wenn der Betreute zustimmt, würde ich auf jeden Fall einen Kontakt herstellen und mich zumindest persönlich bekannt machen.

Anzeigepflicht? Mitwisser einer Straftat?
Kann ich aus deinen Äußerungen nicht erkennen. Es ist keine Straftat, berauschende Mittel zu sich zu nehmen, allenfalls damit am Straßenverkehr teilzunehmen.
Anzeigepflicht für Straftaten gibt es tatsächlich (§138StGB), es gibt aber eine ABSCHLIEßENDE Liste von Straftaten, auf die das zutrifft. Saufen, Kiffen, Junken ... fällt da nicht drunter.
Problem (des Betreuten) ist eher die Nichterfüllung von Auflagen, die z.B. zum Widerruf einer Bewährung und erneuter Inhaftierung führen kann.

Also:
Dein Betreuter ist (Sucht-)Krank. Die fehlende Krankheits- bzw. Behandlungseinsicht ist eher krankheitstypisch. Ich würde den Betreuten auf seine Auflagen hinweisen, Kontaktaufnahme zur Fürhrungsaufsicht vorschlagen, dort ganz klar auf den Krankheitsaspekt hinweisen und dann in einem gemeinsamen Gespräch versuchen, eine gemeinsame Marschrichtung zu vereinbaren. Wenn es richtig eng wird, kann man mal die Haftfähigkeit in Frage stellen, man sollte dann aber einen Rechtsanwalt an der Hand haben.

Nichtstun schadet hier am meisten!

Führungsaufsicht ist nicht gleichzusetzen mit Bewährungshilfe (in Niedersachsen jetzt: Ambulanter Justizsozialdienst). Bewährungshilfe soll helfen und kontrollieren (in der Reihenfolge).
Führungsaufsicht wird vom Strafgericht abgeordnet und hat eine ganz klare Aufsichtsfunktion (ach nee) und wird diese auch wahrnehmen. Dazu brauchen die Kollegen keinen Betreuer.
Wenn der "Probant" seine Auflagen nicht erfüllt bzw. die Erfüllung nicht nachweist, schreibt die Führungsaufsicht eine Stellungnahme und dann muss die Strafjustiz entscheiden.
Da kann dein Betreuter dann nur verlieren.
__________________
--> Das Leben bleibt spannend
K.Wagner ist offline  
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Alt 20.10.2014, 21:51   #6
Forums-Geselle
 
Registriert seit: 15.08.2012
Beiträge: 295
Standard Weitergabe von Daten (-)

Klasse Ausführungen! Wirklich richtig gut! Hört sich an, als wenn sie von einem Richter kommen. Dies ist ernst gemeint.

Der Betreuer unterliegt wirklich nicht der Anzeigepflicht ( § 163 StPO). Die Ausnahmen hat der Kollege aufgeführt. (§ 138 StGB) Diese liegt hier nicht vor.

Der Betreuer hat grundsätzlich keine Daten weiterzugeben, es sei denn, es gibt hierfür eine Rechtsgrundlage, oder es ist gerechtfertigt oder entschuldigt. Hierfür gibt der Sachverhalt keine Anhaltspunkte.

M. E. darf der Betreuer keine Daten an die Bewährungshelferin weitergeben. Sollte er Bedenken haben, so hat er diese dem Betreuungsgericht schriftlich mitzuteilen.

Bitte nicht vergessen, wir haben es hier mit einem "geisteskranken, seelisch kranken Menschen" zu tun. Sollte der Betreuer Daten, an wen auch immer weiter gegeben haben und der Betreute erstattet Strafanzeige bei der StA oder der Polizei, so kommt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren in Gang, das günstigstenfalls mit einer Einstellung gem. § 153 StGB (geringe Schuld) endet. Das würde ich mir nicht antun.

Warum sollten wir in Ausübung unseres Berufes gegen bestehende Rechtsvorschriften verstoßen? Für die Gesetzeslage ist allein die Judikative zuständig und nicht wir.
Beschützer ist offline  
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Alt 20.10.2014, 21:55   #7
Forums-Geselle
 
Registriert seit: 15.08.2012
Beiträge: 295
Standard

Zitat:
Zitat von Beschützer Beitrag anzeigen
Klasse Ausführungen! Wirklich richtig gut! Hört sich an, als wenn sie von einem Richter kommen. Dies ist ernst gemeint.

Der Betreuer unterliegt wirklich nicht der Anzeigepflicht ( § 163 StPO). Die Ausnahmen hat der Kollege aufgeführt. (§ 138 StGB) Diese liegt hier nicht vor.

Der Betreuer hat grundsätzlich keine Daten weiterzugeben, es sei denn, es gibt hierfür eine Rechtsgrundlage, oder es ist gerechtfertigt oder entschuldigt. Hierfür gibt der Sachverhalt keine Anhaltspunkte.

M. E. darf der Betreuer keine Daten an die Bewährungshelferin weitergeben. Sollte er Bedenken haben, so hat er diese dem Betreuungsgericht schriftlich mitzuteilen.

Bitte nicht vergessen, wir haben es hier mit einem "geisteskranken, seelisch kranken Menschen" zu tun. Sollte der Betreuer Daten, an wen auch immer weiter gegeben haben und der Betreute erstattet Strafanzeige bei der StA oder der Polizei, so kommt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren in Gang, das günstigstenfalls mit einer Einstellung gem. § 153 StGB (geringe Schuld) endet. Das würde ich mir nicht antun.

Warum sollten wir in Ausübung unseres Berufes gegen bestehende Rechtsvorschriften verstoßen? Für die Gesetzeslage ist allein die Judikative zuständig und nicht wir.

Die Grenze stellt die Strafvereitelung gem. § 258 StGB da. Hierfür muss aber ein strafbares vorliegen und dies ist im Moment wohl noch nicht erkennbar.

Es besteht von Seiten des Betreuungsrechtes m. E. keine Verpflichtung die Bewährungshelferin zu unterrichten oder mit ihr in Kontakt zu treten. (Allein schon aus Selbstschutz) ............................
Die Grenze stellt die Strafvereitelung gem. § 258 StGB da. Hierfür muss aber ein strafbares vorliegen und dies ist im Moment wohl noch nicht erkennbar.

Es besteht von Seiten des Betreuungsrechtes m. E. keine Verpflichtung die Bewährungshelferin zu unterrichten oder mit ihr in Kontakt zu treten. (Allein schon aus Selbstschutz) ............................
Beschützer ist offline  
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Alt 23.10.2014, 11:46   #8
Einsteiger
 
Registriert seit: 30.11.2013
Beiträge: 10
Standard JVA angeprangert

Hallo,


vielen Dank für die Zuschriften und Kommentare!


Ich habe es jetzt so gemacht: die Anstaltsleitung der JVA zu einer Stellungnahme zum geduldeten Drogenkonsum hinter Gittern sowie zu den offenbar fehlerhaften Drogen- und Alkoholtests aufgefordert, auf die sich die Beurteilungen "clean" und "trocken" stützen --- unter diesen Umständen gleich die Sinnhaftigkeit einer Wiederinhaftierung im Falle eines Verstoßes gegen die Führungsaufsichtsauflagen bezweifelt --- das Schreiben zur Kenntnisnahme an die Bewährungshelferin geschickt, die sich damit ihren eigenen Reim machen kann, womit ich erst mal aus dem Schneider bin.


Morgen ist nämlich ein gemeinsames Kennenlernen in der Psychiatrie anberaumt. Da werde ich den Betreuten erst mal selbst kommen lassen. Vielleicht rückt er ja ohne Nachhilfe raus mit der Sprache...


Beste Grüße,
Orlando
Orlando_D ist offline  
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