Dies ist ein Beitrag zum Thema Betreuungsgericht als Inkassobüro oder als Kontrollinstanz? im Unterforum Betreuervergütung - Aufwendungsersatz - Mittellosigkeit , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Ein Betreuter von mir wurde vermögend, nachdem ein Pflichteil ausgezahlt wurde. Eine Betreuung besteht schon viele Jahre.
Das AG teilte ...
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13.09.2024, 18:38 | #1 |
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Betreuungsgericht als Inkassobüro oder als Kontrollinstanz?
Ein Betreuter von mir wurde vermögend, nachdem ein Pflichteil ausgezahlt wurde. Eine Betreuung besteht schon viele Jahre.
Das AG teilte mit, es beabsichtige, Vergütung ab 2017 zurückzufordern. Derartige Fallkonstellationen hatten wir hier ja schon oft. Wenn mich nicht alles täuscht, gilt für die Verjährung § 195 BGB, d.h., alles war drei Jahre und länger zurückliegt, ist verjährt. Wären wir hier im Zivilprozess würde ich sagen klar, die Einrede der Verjährung muss aktiv geltend gemacht werden. Aber ich bin Betreuerin, das Betreuungsgericht hat mich gem. § 1861 BGB über meine Rechte und Pflichten bei der Wahrnehmung meiner Aufgaben zu beraten. Selbst wenn ich hier nichts gefragt habe: Ein Gericht, dessen Aufgabe es ist, darüber zu wachen, dass ich meine Aufgaben korrekt erfülle und die Rechte des Betreuten wahre, nimmt m.E. eine nicht hinnehmbare Doppelrolle ein, wenn es zu Lasten des Betreuten verjährte Forderungen stellt und nicht gleichzeitig auf die Möglichkeit und die Pflicht hinweist, die Einrede der Verjährung zu erheben. Es verstößt dadurch doch gegen seine Pflichten aus § 1861 BGB - oder? Dieselbe Institution, die versucht, mich aufs Glatteis zu führen, soll darüber wachen, dass ich das Vermögen des Betreuten schütze. Da liegt doch ein Fehler im System. |
13.09.2024, 19:53 | #2 |
Moderator
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Es ist richtig, seit dem Wegfall einer im damaligen § 1836e BGB a.F. stehenden 10-Jahresfrist gilt die gesetzliche Verjährung beim Staatsregress nach § 1881 BGB. Was in diesem Jahr heißt, alle Staatskassenauszahlungen bis 31.12.2020 sind verjährt.
Aber anders als bei Erlöschensregelungen heißt Verjährung ja nicht, dass die Forderung entfällt. Sie kann weiter gefordert werden und was darauf gezahlt wird, wird nicht erstattet, wenn es danach auffällt. Da macht der Staatsregress keine Ausnahme. Der Zahlungspflichtige (oder dessen gesetzlicher Vertreter) kann die Verjährungseinrede erheben (übrigens nicht ein Verfahrenspfleger, so der BGH). Ich denke, das ist dir ja bekannt. Du beklagst dich darüber, dass Betreuer auf diese Einrede nicht vom Rechtspfleger informiert werden (wenn sie nicht ausdrücklich fragen). Naja, könnte man sagen: zumindest Berufsbetreuer sollten das wissen (ist beim Sachkundelehrgang Teil des Moduls 6). Und Ehrenamtler: ist es wirklich zuviel verlangt, bei Geldforderungen, die sich gegen Betreute richten, mal ins Internet zu schauen, zB ins berühmte Online-lexikon unter dem Stichwort „Staatsregress“, oder mal bei der Betreuungsbehörde, dem Betreuungsverein oder dem Rechtspfleger von sich aus nachzufragen?
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Mit vielen Grüßen Horst Deinert Weitere Infos: https://www.lexikon-betreuungsrecht.de |
13.09.2024, 20:50 | #3 |
Gesperrt
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Beiträge: 954
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Ja, das ist viel zu viel verlangt. Das Problem besteht nicht darin, dass die betroffenen Betreuer zu faul wären zu fragen. Das Problem - und dieses ist m.E. vollkommen offensichtlich - besteht darin, dass ein Mensch/Betreuer, der nicht ohnehin schon Bescheid weiß, keine einschlägigen Vorkenntnisse mitbringt, das Modul 6 nicht belegt, die Info nicht richtig eingeordnet oder dieses Detail schlicht vergessen hat, nicht auf die Idee kommt, die richtige Frage zu stellen.
Darunter dürften die allermeisten Betreuten selbst, der größte Teil der ehrenamtlichen Betreuer und ein erheblicher Teil der Berufsbetreuer fallen, vor allem jene mit nicht auf rechtliche Schwerpunkte ausgelegten Ausbildung. Lass uns nicht vergessen, dass man in dem erst wenige Jahre zurückliegenden Zeiten, in denen bzgl. der Frage, wen man als Berufsbetreuer akzeptiert, am allerliebsten Sozialpädagogen genommen hat, weil die sich so schon kümmern. Und dass ein großer Teil der Berufsbetreuer Modul 6 schon aus dem Grunde nicht belegt hat, weil er schon viele Jahre betreut und der Beruf aus Gründen seiner Unattraktivität ein großes Nachwuchsproblem hat. Ich verweise bei der Gelegenheit mal auf einen aktuellen Artikel des BdB: https://www.berufsbetreuung.de/press...iellen-folgen/ Was an der Sache aber eigentlich inakzeptabel ist, ist die Doppelrolle des Betreuungsgerichts. Ein Gericht ist nun einmal keine Exekutivbehörde, die Geld eintreibt. Schon gar nicht, in erster Linie dann nicht, wenn dasselbe Gericht zur selben Zeit dazu verpflichtet ist, die Wahrung der Rechte des Betreuten zu überwachen und den Betreuer dabei zu unterstützen. Dadurch entsteht ein Interessen- und Rollenkonflikt, der in einem Rechtsstaat nicht hinnehmbar ist. Mehr als alle anderen Institutionen genießen Gerichte das Vertrauen der Bevölkerung und somit auch von Betreuern und Betreuten. Die sind nur Bürger und vertrauen darauf, dass ein Gericht um die Rechte der Betroffenen, die im Zusammenhang mit dem Betreuungsrecht auch seine Schützlinge sind, wissen und sie achten. Ein Gericht kann nicht gleichzeitig als Kontrollinstanz des Rechtsstaats und als sneaky Anwalt Schlange auftreten, der hofft, das Antragsgegner Dumbo X 'ne Einrede vergisst. Wenn es das versucht, wird es bei einer dieser Aufgaben zwangsläufig versagen. |
13.09.2024, 21:51 | #4 | |
Routinier
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Beiträge: 1,404
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Zitat:
Dort arbeitet dann ein Bezirksrevisor, der als Beamter der vollen Dienst- und Fachaufsicht durch den Vorgesetzten (das ist i. d. R. der Präsident des Gerichts) unterliegt. Der Bezirksrevisor ist nicht unabhängig, sondern nur den Interessen des Staates verpflichtet, seine Aufgabe ist, um es salopp zu sagen, Gewinnmaximierung für den Staat. Und dann liegt es an dem Beklagten, das ist hier der Betreuer, dem zu widersprechen mit Verweis auf die Verjährung, und dann muss das Gericht entscheiden, wie es den Fall sieht. |
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14.09.2024, 15:10 | #5 | |
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Beiträge: 954
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Zitat:
Das ist die geltende Rechtslage, kein Zweifel. Und genau ist m.A., wie bereits beschrieben, nicht okay. Im konkreten Fall unterschied sich das Anhörungsschreiben mit der Ankündigung der Forderung nicht von anderen Schreiben des Betreuungsgerichts. Ich gehe davon aus, dass es nicht von einer Stelle kommt, die nur als ausführende Behörde tätig ist, denn wie vor jeder anderen Gerichtsentscheidung kann ich mich äußern (habe ich natürlich getan) und dann würde durch Beschluss zurückgefordert. Das ist doch ein Akt der Judikative, nicht der Exektive. Ansonsten...s.o.. Ich muss in diesem Thread die ganze Zeit daran denken, dass vor einigen Monaten hier mal jemand darüber berichtet hat, dass der überörtliche Träger der Eingliederungshilfe Rückforderungen gegen einen Betreuten stellte. Daraufhin marschierte ein Kollege auf, der n.e.A. nicht mehr als Betreuer tätig, sondern zu einem überörtlichen Sozialleistungsträger gewechselt war und meinte, die Fragestellerin sich die Forderung durch den Sachbearbeiter "erklären" lassen sollte. Es würde doch nicht gegen die Hilfeberechtigten gearbeitet, sondern in deren Sinne. Derjenige nahm selbst als Angestellter dieser Behörde offensichtlich (und imho meganaiv) - an, dass die Rückforderungsbearbeiter es nicht als ihre Pflicht sehen, Kohle an Land zu ziehen, sondern quasi selbst Eingliederungshilfe zu leisten, indem sie sensibel auf die Bedürfnisse der Forderungsschuldner eingehen, statt die ihnen zugewiesene Aufgabe zu erledigen und darauf zu warten, ob Rechtsbehelfe eingelegt werden. Ähnlich ist es ja hier auch, nur ungleich krasser. Das Gericht ist soll nicht nur Betreuer bei der Umsetzung ihrer Pflichten beraten, sondern ist gleichzeitig gegnerische Partei und - das ist der Knaller - das Organ, das nicht nur über die Rechte, sondern auch über die Art und Weise, in der Interessen und Wohl des Schuldners geschützt werden, wacht. Es kontrolliert den @HorstD Beschützergaranten. Eben diesen versucht es als Gläubiger und Gegner des Beschützten im selben Atemzug mit den üblichen Tricks, die die Rechtsordnung ihren Playern so an die Hand gibt, in die Falle zu locken. Das geht gar nicht. Geändert von Garfield (14.09.2024 um 15:22 Uhr) |
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15.09.2024, 10:37 | #6 |
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Nein, die Irritationen von Garfield sind berechtigt. Zwar kann der Bezirksrevisor im Namen der Justizkasse ein Regressverfahren anleihern; im Normalfall wird es aber der Rechtspfleger des Betreuungsgerichts sein, der es von Amts wegen startet. Und zwar, weil das Gesetz es (bereits seit 1999) ausdrücklich verlangt. Steht jetzt in § 292a FamFG (vor 2023 in § 168).
Und zwar ist die Regelung ja seit 1999 bereits so, dass jede Staatskassenauszahlung eine Art Darlehen für den Betreuten darstellt. Mit jedem Antrag des Betreuers hat das Gericht direkt mitzuprüfen, ob ein Regress möglich ist. Vor 2023 konnte ja sogar laufendes Einkommen von Betreuten (oberhalb der Freigrenze des § 85 SGB XII), zB für Raten herangezogen werden. War den Rechtspflegern aber meist zu kompliziert zu berechnen. Seit 1.1.23 zählt nur noch Vermögen nach § 90 SGB XII. Und wenn der Betreuer dann erstmals nach längerer Mittellosigkeit einen Vergütungsantrag aus dem Vermögen stellt, ist sofort wieder der Regress nach § 1881 BGB, § 292a FamFG zu prüfen - für die Vergangenheit! Das war vom Gesetzgeber des 1. BtÄndG volle Absicht - und wurde ja auch damals von den Verbänden als rehabilitationsfeindlich kritisiert. Aber wenn einmal eine falsche Regelung in der Welt ist, ist es schwierig, sie wieder wegzubekommen. Versuche gab es schon viele, aber immer nur Teilerfolge: - 2010: Wegfall der 10-Jahresfrist zugunsten der Verjährung. Eigentlich sollte das Erlöschen von 10 auf 3 Jahre verkürzt werden, da haben Schlaumeier im Rechtsausschuss gesagt: nicht schon wieder eine Sonderregelung, wir haben doch eh die gesetzliche Verjährung - der Unterschied ist der, der Garfield zu Beginn des Threads geärgert hat; bei einem Erlöschen wäre nämlich keine Einrede nötig gewesen. - 2012: BGH stellt klar, dass die kürzere Frist auch für „Altansprüche“ gilt. Schlaumeier meinten nämlich, für alte Regressansprüche müsste eine 30 (!) jährige Verjährung gelten. - 2017: Schonbetrag von 2600 auf 5000 € erhöht - 2023: Schonbetrag von 5000 auf 10000 € erhöht und Wegfall der Einkommensheranziehung sowie Wegfall des Regresses bei Vormundschaften und Pflegschaften für Minderjährige.
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Mit vielen Grüßen Horst Deinert Weitere Infos: https://www.lexikon-betreuungsrecht.de Geändert von HorstD (15.09.2024 um 14:21 Uhr) |
15.09.2024, 12:18 | #7 |
Routinier
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Wie ist das eigentlich, wenn ein Betreuer zahlt, anstatt die Einrede der Verjährung zu erheben?
Hat dann nicht der Betreuer seine Pflicht verletzt und wäre Schadenersatzpflichtig, wobei bei ehrenamtlichen Betreuern das Land das wiederum ersetzen müsste? |
15.09.2024, 14:20 | #8 |
Moderator
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Gute Frage. Ist es eine Pflichtwidrigkeit, eine Forderung, die ja noch besteht, zu tilgen? Verjährungseinrede ist ja ein Kann, kein Muss. Aber ich neige dazu, dass ein Betreuer bei jedweder Forderung, die verjährt ist, dazu verpflichtet ist. Schadenersatzurteile sind mir aber nicht bekannt.
Es sei denn, der Betreute wünscht ausdrücklich zu bezahlen (und würde hierdurch auch nicht nach § 1821 Abs. 3 BGB ruiniert. Es wäre dann auch noch die Frage, was ein SHT dazu sagen würde, wenn eigentlich einzusetzendes Vermögen durch derartige Schuldentilgung verringert wird (im Hinblick auf § 26 SGB XII).
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Mit vielen Grüßen Horst Deinert Weitere Infos: https://www.lexikon-betreuungsrecht.de |
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