Dies ist ein Beitrag zum Thema Viele Fragen! Bitte um Hilfe! im Unterforum Forum für Angehörige und betreute Menschen , Teil der Offenes Forum gesetzliche Betreuung
Hallo!
Ich arbeite in einer Suchtnachsorgeeinrichtung für trockene Alkoholiker.
Ich leite dort u.a. auch eine Gesprächsgruppe in der viele - ...
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#1 |
Gesperrt
Registriert seit: 13.11.2007
Beiträge: 2
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Hallo!
Ich arbeite in einer Suchtnachsorgeeinrichtung für trockene Alkoholiker. Ich leite dort u.a. auch eine Gesprächsgruppe in der viele - alkohol- und nichtalkoholbezogene - Fragen und Themen behandelt werden. Ich als Sozialpädagoge weiß eigentlich gut bescheid im Betreuungsrecht, da dies in großem Umfang durchgenommen wird. Aber nun sind von Seiten meiner Bewohner einige Fragen aufgetaucht die ich nicht beantworten kann und selbst im Gesetz und im Internet finde ich auf diese detaillierten Fragen keine Antworten! Ich hoffe hier kann mir jemand helfen! 1. Ein Betreuer plant die Wohnungsauflösung (lt. Gesetz unscharfer Begriff, aber ich denke alle wissen was gemeint ist) eines Klienten, der damit jedoch nicht einverstanden ist! Nun stellt sich die Frage: Ich weiss dass das VG eine Genehmigung abgeben muss bezüglich einer Wohnungsauflösung, doch WER ENTSCHEIDET LETZTENDLICH WENN BETREUER UND BETREUTER (geschäftsfähig!) unterschiedlicher meinung sind??? 2. Ein Bewohner hat einen Unterbringungsbeschluß über sich schweben, ist aber "offen" bei uns untergebracht. Er/Sie will Urlaub machen. Der Betreuer ist dagegen. Was passiert? Wer entscheidet? (Es liegt KEINE akute Selbstgefährdung vor zu dem Zeitpunkt an dem der Bewohner in Urlaub gehen will. es KÖNNTE eine daraus entstehen. Wie geht das aus? gibt es bekannte Fälle (Rechtssprechung)? 3. Gleicher Fall wie 2. nur ohne Beschluß? WICHTIGSTE FRAGE: 4. Eine Bewohnerin hat einen Beschluß, ist aber "offen" bei uns in Therapie. Die Betreuerin sagt: "Du gehst NICHT in Urlaub". Sie tut es TROTZDEM, kommt aber OHNE Rückfall, also ohne selbstgefährdung zurück aus dem Urlaub. Wie ist die Rechtslage? Kann die Betreuerin im schlimmsten Fall die Betreute sogar mit der Polizei holen lassen? Kann sie gar nichts machen solange die Betreute sich nicht selbst gefährdet? beschluß grundsätzlich urlaub möglich? Ich weiss dass sogar Leute die geschlossen in einem BKH untergebracht sind z.B. Wochenendurlaub bekommen.. ich finde das alles mehr als schwammig und nicht greifbar! ich bitte dringend um Aufklärung! Vielen Dank bereits im Voraus! PASSI |
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#2 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo PASSI,
zu 1.: Betreuter soll seinen entgegenstehenden Willen dem Gericht mitteilen, per Fax oder auch per Anruf. Das Gericht hat zu prüfen, ggfls. durch ein Gutachten, ob der Betreute seine Situation richtig erkennen und eigenständig angemessen entscheiden kann. Ggfls. macht sich auch der Richter ein eigenes Bild von der Situation. Sollte er/sie jedoch nach Aktenlage dem Betreuer Recht geben und die Wohnungsauflösung genehmigen, kann der Betreute sofortige Beschwerde einlegen und dem Vermieter und Betreuer mitteilen, dass er an dem Mietvertrag festhält. Anderenfalls haftet der Betreuer persönlich und vermutlich nicht einmal seine Versicherung. zu 2. einen Beschluss vollzieht der Betreuer. Er kann aufgrund des Beschlusses den Betreuten zwangsweise, also ggfls durch Vermisstenanzeige und durch die Polizei einfangen lassen. Jedoch kann er einen solchen Beschluss nicht dauerhaft in der Schublade lassen. Wenn die Voraussetzungen für den Beschluss nicht mehr bestehen und der Betreuer den Beschluss nicht vollzieht, entfällt die Grundlage. Sollte später wiederum eine Notwendigkeit bestehen, muss ein neuer Beschluss beantragt werden. Der Betreuer kann nicht nach Monaten den alten aus der Schublade ziehen. zu 3. Ohne Beschluss ist der Betreute trotz Aufenthaltsbestimmungsrecht des Betreuer frei, sich aufzuhalten, wo er will und auch mal einen Kurzurlaub auf den Kanaren, wenn er es sich leisten kann. Der entgegenstehende Wille des Betreuers ist nicht relevant. zu 4. bereits beantwortet Ich hoffe, ich konnte vorerst helfen Heinz |
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#3 | ||||
Forums-Geselle
Registriert seit: 19.09.2006
Beiträge: 198
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Um dem Grundrecht auf Selbstbestimmung des Betreuten in verfassungsgemäßer Weise gerecht zu werden, hat ein Betreuer folgende Grundsätze zu beachten: 1. Betreuer sollen immer nur für Betreute entscheiden, wenn diese nicht selbst entscheiden können. Gegen den Willen eines einwilligungsfähigen Betreuten, der Art, Bedeutung und Tragweite einer Entscheidung erfassen kann, darf ein Betreuer nicht handeln. 2. Betreuer müssen im Grundsatz so entscheiden, wie der Betreute selbst entscheiden würde, wenn er selbst entscheiden könnte. Ein Betreuer darf dabei aber natürlich keine Straftat begehen, auch wenn der Betreute diese mit freiem Willen beginge. 3. Gegen den Willen des nicht zur freien Willenbestimmung fähigen Betreuten, also des juristisch nicht entscheidungsfähigen Betreuten, darf nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im Grundsatz nur gehandelt werden, wenn eine erhebliche Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Auch die Wohnung eines nicht geschäftfähigen Betreuten darf gegen seinen Willen also prinzipiell nur dann aufgelöst werden, wenn nicht anders eine erhebliche Gefahr abgewandt werden kann. Das Wohl des Betreuten ist nach § 1901 und § 1906 BGB der Maßstab des Handelns des Betreuers. Um dem Selbstbestimmungsrecht zu genügen, ist das Wohl des Betreuten aber nach § 1901 Absatz II Satz 2 und Absatz III BGB des Betreuungsrechts nicht nach objektiven Maßstäben zu bestimmen, sondern vorrangig subjektiv durch den Willen des Betreuten. Im Grundsatz muss jede Entscheidung des Betreuers im Sinn des (mutmaßlich) freien Willen des Betreuten nach dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen getroffen werden (BGH Beschluss XII ZB 2/03). Zitat:
„Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, daß sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf (vgl. BVerfGE 45, 187 [223]). Die Einschränkung dieser Freiheit ist daher stets der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen. (...) Die von den behandelnden Ärzten des Klinikums Magdeburg geäußerte Einschätzung, das Wahnsystem des Beschwerdeführers drohe sich zu verfestigen, rechtfertigt demgegenüber allein die Annahme einer Gefahr, die keinen Aufschub duldet, nicht." - BVerfG Beschluss 2 BvR 2270/96 Eine Unterbringung zur Vermeidung einer erheblichen Selbst- oder Fremdschädigung ist zudem auch nur gestattet, wenn der Betreute aufgrund seiner Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BayObLG, Beschluss 3Z BR 7/93 vom 21.01.1993, MDR 1993, 545; BayObLG FamRZ 2002, 909). Der Betreuer hat nicht über die Unterbringung zu entscheiden, denn untergebracht werden darf nur mit richterlichem Beschluss. Der Betreuer kann lediglich die Unterbringung nach BGB beenden. Liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor, ist eine Unterbringung aufzuheben (§ 1906 II BGB). Eine Suchterkrankung allein erfüllt weder die Voraussetzungen zur Betreuerbestellung (BayObLG FamRZ 1994, 1618) noch zur Unterbringung. Das Oberlandesgericht Frankfurt führte aus: Auch der Alkoholsüchtige hat grundsätzlich allein zu befinden, ob er geheilt werden will. Auch ihm steht das Grundrecht der persönlichen Freiheit und damit auch das Recht zu, sein Leben falsch anzulegen und zu führen (OLG Frankfurt NJW 88,1527). Zitat:
Zitat:
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#4 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo Roy,
über den Satz. "Der Staat hat nicht das Recht, den Betroffenen zu erziehen, zu bessern, oder zu hindern, sich selbst zu schädigen", wenn er über einen freien Willen verfügt, also geschäftsfähig ist. (BVerfG 22,180 (219f.); BayObLG FamRZ 1995, 510; § 1896 Absatz 1a BGB). kann ich mich nur amüsieren. Da halte ich es doch besser mit Martin Luther, der meinte, das Recht ist wie die Deichsel eines Wagens. Man kann sie hinlenken, wohin man will. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht zu prüfen, auf welch einen Sachverhalt diese Entscheidungen basieren. Doch erstens gilt die Rechtsprechung grundsätzlich inter pares, es sei denn, es gibt eine Grundsatzentscheidung. Und auch diese steht unter dem Vorbehalt, Gleiches ist gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Da aber kein Lebenssachverhalt mit einem anderen absolut identisch ist, kommt es immer auf das Geschick der Juristen an zu beweisen, was vergleichbar ist und was nicht. Der Grundsatz selbst ist für sich genommen eh eine Farce und das Leben beweist es Tag täglich im Rahmen von Hartz IV, wie der Staat Geschäftsfähige zu erziehen weiß. Und auch das Betreuungsrecht bietet so viel Ermessens`spiel´raum, dass Maßnahmen ergriffen oder unterlassen werden, die schlicht opportun und lebensnah sind. Gerade im Betreuungsrecht erkenne ich mitunter eine Deckungsgleicheit von bestimmten Rechtsentscheidungen und dem Willen des Gesetzgebers, der m.E. darauf hinzielt, den Sozialstaat abzubauen. Und da passt es recht gut ins Bild, Bedürftigen Hilfe zu versagen mit dem Hinweis auf eigene Verantwortlichkeit. Einfach gesagt, selber Schuld - Verschulden, Suchtkrankheit, Straffälligkeit, alles selber Schuld. Niemand hat mit irgendwem was zu tun. Ich habe mal den Spieß rumgedreht, als ein Geldinstitut mich daran hindern wollte, das Konto gegen den Willen der Betreuten zu sperren. Sie wiesen mich darauf hin, dass die schwerst Alkoholkranke ja geschäftsfähig sei und kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet sei. Darauf hin meinte ich nur, dass die Angestellten aus der Rechtsabteilung wohl nicht das Erbrochene beseitigen, wenn die Betreute volltrunken selbst ihr Geld abholt und rumrandaliert. Soviel zum immanenten Auftrag der Betreuung zur Leitung, Lenkung und Erziehung von Betreuten im Sinne der Gesellschaft. Heinz |
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#5 | |
Gesperrt
Registriert seit: 07.11.2007
Beiträge: 3
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dieses Forum dient doch dem Informationsaustausch und auch ein wenig dazu, Mut zu machen und zu stärken im Kampf gegen Ungerechtigkeit. Ist es da sinnvoll und ermutigend, mit Sarkasmus zu antworten. Wer gibt Dir denn das Recht, dieser Alkoholkranken das Konto zu sperren, wenn sie noch geschäftsfähig ist? So hart das vielleicht klingen mag, aber hat nicht jeder das Recht sich auch selbst zu zerstören? Wenn die Unzurechnungsfähigkeit der Betroffenen festgestellt wird, sollte man da sicherlich eingreifen, aber so wie Du das geschildert hast, finde ich das persönlich nicht in Ordnung. Mein eigentlicher Vorwurf richtet sich aber gegen die Rechtsverwalter, denn viel mehr als verwalten und (ab)stempeln passiert doch beim Vormundschaftsgericht nicht - oder? Es wird seitens der Gerichtsbarkeit immer behauptet, alles müsse sachlich und objektiv entschieden werden. In der Praxis erlauben sich aber alle Entscheidungsträger immer wieder eine sehr subjektive Sichtweise und stellen diese, weil nicht persönlich betroffen, nach Aussen als objektiv und sachlich hin. Die Freiheit in der Auslegung der Gesetze führt selbige mitunter ad absurdum... (ich hoffe, dass mit dieser provaktiven These einmal eine Diskussion in Gang kommt, wie weit eigentlich die häufig gut ausgeformten Gesetzestexte ausgelegt werden dürfen) viele Grüße Peter_AeB |
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#6 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo Peter,
ich möchte dir antworten mit einer kleinen Anekdote. Ich machte die 3jährige Zusatzqualifizierung zum systemischen Betreuer. Gleich am Anfang wurden zwei Gruppen der mitunter bereits langjährigen Betreuer gebildet und ihnen allen einen Sachverhalt geschildert, indem es um einen alten Mann ging, der im 4. Stock eines Miethauses wohnte, dessen Beine amputiert werden sollten, des Wohnung wegen Mietschulden geräumt werden sollte, geringfügige Altersrente bezog und der noch ein wenig Land in Ostdeutschland hatte. Die Frage war, wie entscheidet man/frau hinsichtlich der Prioritäten. Übereinstimmend war, dass die Ländereien nachrangig war. Frage war, sollte er in seiner Wohnung gebunden bleiben, in der er wohnen bleiben wollte, wo es aber keinen Aufzug gab. Der Verlust der Beine war durch fortgeschrittene Durchblutungsstörung unvermeidbar. Oder war es nur Recht, dass er die Wohnung verliert und der Betreuer ihm eine Wohnung zur Parterre oder mit Aufzug beschafft. Du kannst dir denken, dass beide Gruppen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind. Ich hatte mal eine Regionalgruppe hier vorort und eine Team Supervision. Du kannst dir vorstellen, wie unterschiedlich Betreuungen geführt werden. Was der eine für völlig akzeptabel und angebracht erachtet, war für den/die anderen undenkbar. Ich halte das Gerede, ob Gesetz oder Rechtssprechung von dem fehlenden Auftrag der Sozialisation für einen Treppenwitz. Sarkasmus hin oder her. Das Betreuungsänderungsgesetz zeigt zu deutlich den Geist des Gesetzgebers, der am liebsten das Problem der Betreuten ebenso beseitigen will, wie manche Städte das Problem der Obdachlosen durch schwarze Sheriffs. Andererseits gibt es bei den Gerichten immer noch viele RichterInnen und RechtspflegerInnen mit Herzblut, die durch den Aktendeckeln hindurch die Schicksale erkennen und das Gesetz angemessen anwenden. Die soziale Kälte, bei Betreuern durch die Pauschalierung und bei Gericht durch Personalabbau zumindest billigend in Kauf genommen, nimmt stetig zu. Da bedarf es keines Sarkasmusses mehr. Da entsteht Resignation und innere Emigration. Ich habe in den Jahren der Betreuungsarbeit es immer so gehandhabt, dass ich versuchte, den Willen des Betreuten dort Geltung zu verschaffen, wo es ihm half. Sinnlose Zeitungsabonnements mit dem Hinweis auf eingeschränkte Geschäftsfähigkeit, auch wenn diese vom Gericht nicht ausdrücklich bestätigt wurde, annuliert. Schwierigkeiten mit Vermietern beseitigt, wo ich sah, dass das Mietverhältnis auch von Seiten des Betreuten erhalten bleiben konnte. Wo aber bereits die russische Mafia in Form von Zuhältern meiner Betreuten und auch anderen Familien mit Kindern und des Nachts lästig wurden, da habe ich auch den Vermieter um schriftliche Abmahnung meiner Betreuten und auch um Kündigung gebeten, um der Betreuten eine extra Runde zur Erholung und Entgiftung im Wohnheim zukommen zu lassen. Du siehst, Betreuer haben enormen Gestaltungsspielraum und das ist auch gut so. Ich erkenne schon noch einen sozialen Auftrag der Gesellschaft an Betreute, sich zu integrieren. In der Betreuung sehe ich das Bauen einer Brücke dort, wo Betreute sich ausgegrenzt fühlen. Das heißt aber nicht, dass Betreuer es hinzunehmen haben, wenn Betreute, aus welchen Gründen auch, die Bemühungen immer wieder zunichte machen und sich ausgrenzen. Kein Mensch ist eine Insel. Das Recht auf Krankheit und Selbstschädigung ist relativ. Die Freiheit des/r Einzelnen findet seine Grenze im öffentlichen Notstand und der Gefahr für Sicherheit und Ordnung. Niemanden, der auf der Brücke steht, lässt man mit dem Hinweis auf das Recht auf Krankheit und Selbstschädigung springen. Die Rechte des/r Einzelnen gegenüber der Gesellschaft und die Ansprüche der Gesellschaft an das Individuum bedarf stets einer Standortbestimmung und einer täglichen Entscheidungskompetenz der BetreuerInnen. Dass die Rechtsprechung auf den Einzelfall bezogene und vielleicht sogar verallgemeinerbare Grundsätze aufstellt, ist zweifelsfrei hilfreich. Doch auch die Jurisprudenz ist nicht völlig frei, sondern dem Zeitgeist, ja oft sogar von politischen Vorgaben und Parteiprogrammen abhängig. Die Frage bleibt, in welcher Gesellschaft wollen wir morgen leben. In einer von Neoliberalismus geprägte im Stil von laisser-faire, mit der Gefahr krimineller Unterwanderung bis in die höchsten Kreise von Kohl und Kanther, Möllemann und Hartz, oder wollen wir eher eine Gesellschaft in Sinne von Willy Brandt und Verantwortung wagen? Die Haltung, dass der/die BetreuerIn nur Gehilfe des/r Betreuten sein soll, geht m.E. auch völlig am Betreuungsrecht vorbei. Das Wohl der Betreuten indiziert, den Willen der Betreuten auch dort zu übergehen, wenn Entscheidungen statt ihrer oder gegen sie letztlich die Lebenssituation sicherstellt, die sich eigentlich ersehnen. Das heißt eine Heimunterbringung ohne oder gar gegen den Willen der Betreuten wäre dort durchaus angebracht, wo das Ziel eines eigenständigen Lebens, wohlmöglich sogar ohne Betreuung realisierbar erscheint. Wo jedoch Betreuungen gesammelt, Betreute verwaltet werden, wird die Chance auf eigenständiges, schulden- oder suchtfreies Leben nahzu unmöglich und der eigentliche Sinn und Zweck von Betreuung ad absurdum geführt. Heinz |
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Forums-Azubi
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Hallo Heinz,
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Da muß man gegen manchmal gegen den Willen des Betreuten entscheiden und so den Willen des Betreuten durchsetzen. Hört sich nicht logisch an, ist es aber. Freundliche Grüße Wolfgang Rütten |
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#8 |
Gesperrt
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An Heinz,
Du bist sicherlich ein extrem engagierter Mensch und setzt Dich sehr mit den Dingen auseinander. Du bist halt "nahe" am Menschen! gut so - aber bestimmt nicht der Regelfall! An Heinz und BB, Ich kenne das Thema Suchtkrankheit auch aus meinem Umfeld und gebe Euch teilweise recht. Ein Suchtkranker hat schon mal Phasen in denen man mit ihm vernünftig reden kann und er empfänglich ist für Hilfsangebote. In dieser Phase kann man mit ihm abstimmen, wie man sich verhalten soll, wenn die Sucht ihn wieder übermannt und er zeitweise nicht mehr richtig bei Sinnen ist. Das kann man sich dann u.U. sogar schriftlich bestätigen lassen. Aber retten kann man ihn letztlich wohl kaum, wenn er das selbst nicht will. Wenn ich höre, dass in Deutschland 1,2 Mio Menschen unter Betreuung stehen, wird mir Angst und Bange. Mich würde mal interessieren, wie sich die Art der Betreuungen statistisch darstellen. Gibt es da eine Art Kategorie? Wo sollen denn die ganzen geeigneten Betreuer herkommen? Das kann doch gar nicht richtig funktionieren. Die Deutschen sind Weltmeister im Verwalten, aber was hat verwalten mit dem Menschen zu tun? Gruß Peter |
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Forums-Geselle
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Der Abschlussbericht der Bund-Länder Arbeitsgruppe "Betreuungsrecht" zur 74. Konferenz der Justizministerinnen und - minister im Juni 2003 führt auf Seite 105 aus: Genießt der freie Wille absoluten Vorrang, bedeutet das nicht, dass der Wille des nicht zur freien Willenbestimmung fähigen Betreuten stets unbeachtlich wäre. Das Betreuungsrecht will grundsätzlich auch dem Willen des nicht zur freien Willenbestimmung fähigen Betreuten uneingeschränkt zur Geltung verhelfen. Der Wille des nicht zur freien Willenbestimmung fähigen Betreuten kann jedoch beim Vorliegen gewichtiger sachlicher Erwägungen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingeschränkt werden. Gegen den Willen des nicht zur freien Willenbestimmung fähigen Betreuten darf im Grundsatz also nur bei erheblicher Gefahr gehandelt werden, oder wenn sicher ist, dass er im Nachhinein zustimmt. |
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#10 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo Peter,
bei der Anzahl von Betreuungen darfst du nicht übersehen, dass die Mehrheit, ich meine nahezu drei Viertel oder gar vier Fünftel durch ehrenamtliche und überwiegend Familienangehörige geführt werden. Das ist beruhigend und beunruhigend zugleich. Zum einen steht es für familiären Zusammenhalt und die Sorge für einander. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass oft die notwendige Distanz fehlt bis hin zur Gewalt in Familien, und wenn es auch `nur´ seelische Gewalt ist. Die Anzahl der Betreuungen soll gedeckelt oder gar vermindert werden durch sog. Betreuungsvollmachten. Das gewinnt zunehmend innergesellschaftliche Akzpetanz und auch Anerkennung im Rechtsverkehr. Auch hier gilt, Holzauge sei wachsam. Manche Vollmachten verführen regelrecht zu innerfamiliärem Missbrauch. So stand in manchen Vorlagen noch ein Hinweis auf das `Abbedingen Können´ des § 181 BGB, wonach der Bevollmächtigte praktisch sich auf Kosten der Betreuten legal bereichern darf. Kaum jemand wird auf diese Formalie und deren Folgen hingewiesen. Die Zahl der Betreuungen wird stetig steigen und zwar aus demographischen Gründen. Ich zähle auch zu den Geburten starken Jahrgängen. In 20 Jahren werden viele nicht nur nicht mehr arbeiten können, sondern darben müssen. Die Rentenkassen sind leer und mangels nachfolgender Generationen auch nicht aufgefüllt werden. Und sich selbst noch neben den steigenden Lebenshaltungskosten noch eine ausreichende Renten- und Pflegeversicherung aufzubauen, ist mitunter unmöglich. Hinzu kommen sog. Zivilisationsschäden wie Allergien, durch Konsum mitverursachter Krebs (Raucher), Gelenkverschleiß und Rheuma durch zu wenig oder einseitige Bewegung und und und. Andererseits werden die Versorgungsämter aufgelöst, das Wiederspruchsverfahren bei Verwaltungsakten (Sozialhilfe, Behinderung) bereits abgeschafft, so dass die Zahl der Klageverfahren steigt bei reduziertem Personal (geplanter Zusammenlegung von Sozial- und Verwaltungsgericht). Das heißt, bevor Recht gesprochen wird, werden die Antragsteller zunehmen versterben und sich die Angelegenheiten von selbst erledigen. Neiiiiiiiin, das ist kein Sakrasmus! Was das bedeutet für eine stetig steigende Zahl von Hilfebedürftigen aller couleur (Sucht, Schulden), können wir uns heute noch nicht recht vorstellen. Jedenfalls wird es hart. Und sich zukünftig warm anziehen wird für manchen auch wörtlich gemeint sein, wenn die Hilfe zum Lebensunterhalt angesichts steigender Heizkosten stetig sinkt. Auch werden wir zukünftig weit mehr Hilfeempfänger gleich am ruinösen Gebiss erkennen können, als es heute schon der Fall ist. Noch Fragen? Ach ja, das Engagement. Woher die Kraft und die Zuversicht nehmen? Auf die Frage, ist mein Beitrag nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein und im Grunde sinnlos, sollte jede/r schon rechtzeitig beantworten können. Wem die Zunge am Gaumen klebt, gräbt keinen Brunnen mehr. Heinz |
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