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ElchFrankfurt 14.04.2009 11:46

unter Betreuung - mit Freund wieder nach Hause ziehen?
 
Hallo miteinander,

meine Mutter war sehr krank - hatte Halluzinationen und leidet an Demenz. Sie wurde mit zwei Sorten Tabletten eingestellt und ist jetzt wieder völlig normal. Leider wurde sie durch den Betreuer ins Heim eingewiesen, wo sie sehr unglücklich ist. Jetzt träumt sie davon, wieder nach hause zu ziehen. Sie hat einen netten Mann kennengelernt (auch Heimbewohner) und würde gerne in Wohngemeinschaft mit ihm in ihr Haus zurückziehen. Ich kann mir das gut vorstellen. Sie ist zwar körperlich ziemlich angeschlagen aber das war sie schon lange und geistig ist sie wieder völlig normal. Das kann sich natürlich auf längere Sicht wieder verschlechtern. Ich denke aber, so lange sie so klar ist, warum soll sie nicht wieder nach Hause...

Kennt Ihr Euch damit evtl. aus? Es ging ja nur darum, dass sie nicht alleine zuhause bleiben darf. Abgesehen davon habe ich in dem Heim mehrfach erlebt, dass sie ihre Tabletten einfordern mußte (was sie auch tat bzw. ich dann auch). Also - eine richtige Heimat ist das wirklich nicht...

Über Antworten würde ich mich sehr freuen. Mit dem Betreuer möchte ich (noch) nicht darüber reden...

Viele Grüße
Elke

Heinz 14.04.2009 13:19

hallo Elke,

wie so oft ist ein solcher Sachverhalt nicht nur juristisch zu betrachten, was ist erlaubt, wer darf was, und wohlmöglich gegen wen und mit oder ohne Gericht usw.

Wenn eine Betreute noch recht rüstig ist, ist sie wohl auch geschäftsfähig und ist eigentlich die Regisseurin des Verfahrens, kann also frei entscheiden und ihren Willen auch umsetzen.

Andererseits lebt jede/r in einem 'System'. Früher haben wir mal gelernt, jede/r hat verschiedene 'Rollen' hier als Heimbewohnerin, als Patientin, als Betreute, als Mutter, als Freundin und vielleicht zukünftig als Lebensabschnittspartnerin und wohlmöglich als zukünftig wieder eigenständige Mieterin.

Und in diesen Rollen haben wir es mit unterschiedlichen Interessen zu tun und oft auch mit systemimmanenten Interessen von Dritten, die das System mit beieinflussen, aber eigentlich gar nicht dabei sind. So zum Beispiel die Gesundheitsministerin und die Politik bei Fragen der Finanzierung, Qualität und Leistungen von Heimplätzen oder aber eben diese Personen bei Fragen der medizinischen Behandlung und Beurteilung.

Um jetzt die Frage, ob und wann und wie und für wie lange die Betreute wieder nach Hause kann, entscheidet sich letztlich nicht, wer hier das Sagen hat, sondern wer es wie geschickt anstellt. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, welche 'Macht' und Entscheidungskompetenz der Betreuer und das Gericht hat. Und du tust gut daran, das System der unterschiedlichen Einflüsse und Bedingungen genau zu betrachten, bevor du mglw. mit dem Betreuer in Konfrontation gehst. Er hat natürlich die 'Macht', seine Sicht der Lage durch Entscheidungskompetente, sei es im Heim, sei es der Arzt oder das Gericht, bestätigen zu lassen. Damit tust du deiner Mutter und auch dir keinen Gefallen.

Andererseits müsstest du herausfinden, welche Sicht der Betreuer hat und wie zugänglich er ist, die Situation auch aus deiner Sicht oder der Sicht der Betreuten zu schauen und zu reflektieren.

Dabei musst du natürlich berücksichtigen, es ist nicht leicht einen Heimplatz zu finden. Sollte deine Mutter wieder nach Hause kommen und wohlmöglich bald wieder heimbedürftig sein, fängt das Theater wieder von vorne an. Früher konnte ein Betreuer alle Mühe, alle Stunden mit Einzelnachweis abrechnen. Jetzt bekommt er eine Pauschale. Egal wieviel er arbeitet. Also wird er sich auch Arbeit ersparen und denken: wenn jetzt wieder nach Hause und dann in ein paar Monaten wieder ins Heim und Telefonate und Behördengänge und das wohlmöglich für 3 Stunden im Monat, ja da wäre er ja schön bekloppt, wenn er es nicht dabei beließe, wie es ist.

Andererseits geht es fast allen alten Menschen so, die 'umgepflanzt' werden. Wer will schon freiwillig in eine völlig fremde Umgebung mit einem vorgegebenen Tagesablauf und dgl. Wer würde sich da nicht nach Hause sehnen? Aber kann da auf die Vorstellungen des oder der einzelnen Rücksicht genommen werden?

Aber wie ist das mit der Selbstbestimmung? Selbst wenn man zuhause unterversorgt wäre oder unfallgefährdet wäre und wohlmöglich nicht rechtzeitig versorgt wird und vorzeitig verstirbt? Wer entscheidet für sich so bewusst, dieses Risiko einzugehen und es gegen alle Welt zu verteidigen? Wir leben in einer 'verantwortungslosen' Gesellschaft: wenn was passiert, will niemand was dafür können. Schon gar nicht das Gericht, aber auch nicht die BetreuerInnen. Sie müssen sich, ob sie es wollen oder nicht, nach allen Seiten hin absichern. Zu schnell wird der Vorwurf erhoben, nicht alles Notwendige und Erdenklich getan zu haben, um dergleichen Risiken zu vermeiden.

Und so wird es auch der Betreuer sehen und wohl auch das Gericht: einmal Heim, immer Heim. Es sei denn, deine Mutter macht Rabatz und kündigt im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte wohlmöglich noch mit ärztlichem Attest den Heimplatz, packt ihre Sachen und geht einfach nach Hause. Ratsam wäre es, ihr dabei nicht zu helfen, weil dann der Verdacht aufkäme, du hättest sie beeinflusst oder gar gegen ihren Willen aus dem Heim geholt. Nein, nein, sie muss das schon ganz alleine machen.

Sie im Heim wohl möglich gegen ihren Willen fest zu halten, wäre Freiheitsberaubung und strafbar, auch für einen Betreuer. Doch auch hier gilt: wo kein Kläger, da kein Richter. Wenn sich deine Mutter dem Willen des Betreuers und des Heimes beugt, willigt sie mehr oder weniger in das Geschehen ein. Ihr Protest ist verständlich, aber nicht weiter relevant.

Ich hoffe, ich konnte dir die, vor allem - nicht juristischen - Zusammenhänge verdeutlichen und du kannst deine Schlüsse daraus ziehen. Viel Erfolg
Heinz

ElchFrankfurt 14.04.2009 15:25

Hallo Heinz,

ganz lieben Dank für die ausführliche Antwort!!! Ich habe eben mit einem Kollegen gesprochen, der sich auskennt mit solchen Sachen (was ich bisher nicht so wußte). Er hat mir alles Für und Wider erklärt, u.a. auch, dass ein neues Attest evtl. etwas bringen könnte. Ich will mit dem Betreuer nicht in Konfrontation gehen aber ich will auch nicht von vornherein ihn in alles einweihen - erstmal nachdenken und für und wider abwägen....

Dazu muß ich aber sagen, dass ich den Heimplatz besorgt habe (der Betreuer war zu langsam - wenn es mein Job wäre, wäre ich sicher auch nicht so flott als wenn es um die eigene Mutter geht)... ICh habe bis auf die Formalitäten eigentlich alles selbst geregelt...

Einmal Heim - immer Heim, das kann es ja nicht sein - ich habe das erst so vermutet aber nachdem die Tabletten so gut anschlagen, denke ich doch anders...

Aber ich danke Dir für Deine tipps bzw. ausführlichen Ausführungen - wir werden das dann schon richtig machen, hoffe ich. Wobei ich noch nicht ganz sicher bin, wie ich an die Sache drangehe... :a040:

Viele Grüße
Elke

Gletscher 16.04.2009 10:45

Hallo Elke,
litt deine Mutter unter Demenz oder "nur" bedingt durch die Psychose unter Pseudodemenz?
Ich frage das, weil Demenz fortschreitend ist und auch Medikamente nur geringe Besserung bringen, allenfalls den Verfall verlangsamen. Wenn sie wirklich Demenz hat, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es ihr schlechter geht und sie nicht mehr alleine, auch nicht mit einem Partner leben kann. Wie lange das dauert ist ganz unterschiedlich. Es ist dann nur zu überlegen, ob es sich für die lohnt nochmal nach Hause zu ziehen.
Wenn sie aber eine Pseudodemenz aufgrund der psychotischen Erkrankung (Halluzinationen sind da ein starkes Symptom) hat, dann ist sie tatsächlich von dieser Pseudodemenz, die bei psychotischen Erkrankungen nicht ungewöhnlich ist, geheilt sofern die Psychose abgeklungen ist.
Dann bestünde aber momentan auch kein Grund mehr für eine Betreuung.

Beides ist möglich eine Psychose aufgrund einer Demenz und auch eine Pseudodemenz aufgrund einer Psychose.

ElchFrankfurt 16.04.2009 15:21

Hallo,
ich weiß nicht genau - es wurde auf jeden Fall in der Röhre festgestellt, dass das Gehirn verändert ist. Ich fürchte, dass es sich um eine richtige Demenz handelt. Das war auch der Grund,warum ich mir eigentlich gar keine Gedanken in diese Richtung (nachHause) gemacht habe. ABER - sie ist momentan todunglücklich, normal und in einem Heim, dass überwiegend Pflege macht. UND sie bekommt ihre Pillen nur, wenn sie hinterherläuft. Selbst einlagen für Schuhe sind ein Problem - das HEim kennt keinen Orthopäden, der sich kümmert. Alte Leute und kein Orthopäde (???) ist mir unbegreiflich.

Es geht darum - in ein anderes Heim will sie auf jeden Fall - das hier ist nix. Und - wenn sie so gut zurecht ist momentan sollte man ihr doch Lebensqualität geben (zuhause) finde ich. Wenn es wieder schlechter wird, kann sie immer noch ins Heim (in der Hoffnung, dass sie es dann nicht so stark merkt). Ich finde jeder Tag, den man "gesund" und bewußt in so einem Heim verbringt, ist zuviel....

Danke für die Gedanken, die Du Dir gemacht hast!!

LG
Elke

Gletscher 16.04.2009 16:16

Als ehemals Betreuerin einer Angehörigen verstehe ich deinen Wunsch, es der Mutter so angenehm wie möglich zu machen sehr gut.
Zwei Anmerkungen habe ich dazu: Wenn du dich eh um so viel gekümmert hast und auch jetzt bereit bist zu kümmern,warum machst du die Betreuung dann nicht? Es ist wirklich nicht als Vorwurf gemeint, ich kann es verstehen wenn man es nicht machen will. Es gibt gute Gründe es nicht zu tun. Nur so hast du wirklich wenig Handlungskompetenzen.

Das andere ist folgendes:
Ich würde mir an deiner Stelle Auskunft über die genau Diagnose und Prognose einholen und dann erst entscheiden, wie weiter vorzugehen ist.
Hatte sie lediglich eine Pseudodemenz spricht nichts dagegen nach hause zu gehen. Allerdings muss sicher gestellt werden, das sie ihre Tabletten weiter nimmt, damit die Psychose und damit die Folgesymptome wie Pseudodemenz nicht wieder ausbrechen.
Wurde eine Demenz diagnostiziert würde ich nochmal beraten. Es ist mir kein Fall bekannt und meines Wissens auch nicht in der Literatur beschrieben, in dem es zu einer langfristigen Besserung oder Abklingen der Symptome kam.
Das es bei dementiell Erkrnakten immer mal recht gute Tage gibt und dann wieder schlehcte ist wie gesagt normal. Wenn sie wirklich Demenz hat wird es nur eine Frage der Zeit sein und zwar der kürzeren zeit, bis es ihr wieder mal so schlecht geht, das sie nicht allein klar käme. Wenn sie dann gerade zu Hause angekommen wäre und dan dort nicht bleiben kann, wäre das für alle Beteiligten, auch für die Mutter beschwerlich.

Ich habe sehr gute Dinge über Demenz-Wohngemeinschaften gehört. (Meine Großmutter wollte auch auf keinen Fall in ein Heim, was ich vertsehen kann. ich habe sie in einer Wohngemeinschaft für Körperbehinderte untergebracht und ich denke sie hatte es da so gut es eben geht, wenn man nicht mehr alleine kann.)

Die meisten Demenz-WGs kostenmäßig so aufgebaut, dass auch das Sozialamt zahlt, wenn das Geld mal nicht mehr reichen sollte. Von daher braucht man sich da keine Sorgen zu machen.
Und die Betroffenen können ganz gut Leben so wie sie gerade sind. Egal wie viel Hilfe sie grad brauchen. Und sie werden mit einbezogen in den Speiseplan, Einkauf usw. Es gibt Beschäftigung.
Das ist was ganz anderes als so ein großes Heim.

ElchFrankfurt 16.04.2009 16:44

Das ist so - ich hatte die Betreuung beantragt aber am Tag (Freitag) als die Richterin mich anrief, hatte ich mein Handy zuhause gelassen (war bei meiner Mutter währenddessen). Da ich sie nicht zurückrufen konnte, hat sie einen gesetztlichen Betreuer bestimmt. Habe sie dann montags noch einmal angerufen aber sie meinte, es wäre besser, wenn das ein gesetzticher macht - schon deshalb, weil ja unangenehme Entscheidungen anstehen würden. Das war im nachhinein auch gut so - sie sagt zwar ständig, dass ich sie dahingebracht habe aber sie weiß andererseits auch, dass das nicht stimmt. Und ich werde mich hüten, ihr zu sagen, dass ich damals auch beim Amtsgericht war und sie einweisen lassen wollte. Nicht, um ihr zu schaden sondern um ihr zu helfen. Die nachbarn kamen mir dann zuvor. Ich würde die Betreuung dann ab August (dann läuft das aus) gerne übernehmen, falls sie noch Betreuung braucht. Was ich befürchte, wenn ich Dir so "zuhöre". Momentan ist sie halt mit den Tabletten sehr gut eingestellt. DAs stimmt schon, wenn sie zuhause ist und muß wieder weg ist es auch blöd aber momentan versteht sie die Welt nicht mehr. Es ist eine Sch...-Situation. Ich warte jetzt erstmal den Arztbericht ab (Hausarzt nehme ich an) und was der Betreuer entscheidet...

Wo bekomme ich denn Anschriften von solchen Wohngruppen her? Und - wie ist denn da sichergestellt, das alles seinen geregelten Gang geht tablettenmäßig usw. wenn alle krank sind? Was mich ja stutzig macht ist, dass meine Mutter bemerkt, wenn si eTabletten nicht bekommt und das HEim tut, als wäre nichts gewesen...

Danke für Deine ausfürhliche Hilfe und Beratung.

LG
Elke


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