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Betreung beantragt. Fragen zum Gerichtstermin

Dies ist ein Beitrag zum Thema Betreung beantragt. Fragen zum Gerichtstermin im Unterforum Forum für Angehörige und betreute Menschen , Teil der Offenes Forum gesetzliche Betreuung
hallo, Forum. Folgende Ausgangslage. Ein älterer Mensch, 69 Jahre alt, wird wegen Depressionen stationär behandelt. Die Ärzte meinen , dass ...


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Alt 24.08.2006, 15:38   #1
Meg
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Ort: Baden-W.
Beiträge: 5
Standard Betreung beantragt. Fragen zum Gerichtstermin

hallo, Forum.

Folgende Ausgangslage.
Ein älterer Mensch, 69 Jahre alt, wird wegen Depressionen stationär behandelt. Die Ärzte meinen , dass er einen gesetzlichen Betreuer braucht und stellen, möglicherweise noch diese Woche, einen entsprechenden Antrag.
Der Patient ist in der Lage seine Wünsche mehr oder weniger klar zu äussern. Die Ärzte sprechen ihm offensichtlich die Fähigkeit ab, die Tragweite seiner Entscheidungen beurteilen zu können, bzw. sind die Ärzte deswegen verzweifelt, weil sich die Meinung der Patienten ständig ändert. Wörtlich meinen sie: "es soll ein Betreuer her, der soll dann entscheiden ob der Patient ins Heim geht oder nicht".
Der Patient hat einen Sohn, der seit längerer Zeit praktisch seine einzige Kontaktperson ist. Der Sohn war in diese Entscheidung der Ärzte nicht involviert. Der Patient selbst hat die Nachricht skeptisch aufgenommen, die Sache mit einem Betreuer ist ihm eher Suspekt. Das ist sein erster Eindruck und seine Meinung kann sich noch (mehrmals) ändern.

Fragen:
- Ist der Patient verpflichtet den Termin beim Gericht überhaupt wahrzunehmen, sollte er sich keinen Betreuer wünschen?
- Hat der Patient oder sein Sohn einen Einfluss darauf, ob das Verfahren als Eilverfahren oder normal läuft? Oder dies entscheiden nur die Ärzte?
- Was passiert, wenn der Patient sich keinen Betreuer wünscht? wie entscheidet das Gericht, ob der Patient zurechnungsfähig ist oder nicht? Die behandelnden Ärzte meinen wohl nicht, sonst hätten sie ja den Antrag
nicht gestellt. Gibt es das Recht auf ein unabhängiges Gutachten?
- Hat der Patient, sein Sohn, die Ärzte die Möglichkeit die Entscheidung des Gerichtes anzufechten, egal wie sie ausfallen würde.
- Sollte sich der Patient seinen Sohn als Betreuer wünschen, wird diesem Wünsch i.d.R entsprochen, nehme ich an? Was geschiet, wenn die Ärzte gegen den Sohn als Betreuer wären, der Patient sagt aber sowas wie "eigentlich will ich keinen Betreuer; wenn es unbedingt sein muss - dann könnte ich nur den Sohn als Betreuer akzeptieren"?

Danke!
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Alt 24.08.2006, 16:14   #2
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Registriert seit: 16.08.2006
Beiträge: 19
Standard Re: Betreung beantragt. Fragen zum Gerichtstermin

Hallo, ich empfehle immer zwei günstige Taschenbücher des Richters Walter Zimmermann zum Thema zu kaufen. "Betreuungsrecht - Hilfe für Betreuer und Betreute" (7. Auflage) und "Betreuungsrecht von A - Z"


Zitat:
Zitat von Meg
Fragen:
- Ist der Patient verpflichtet den Termin beim Gericht überhaupt wahrzunehmen, sollte er sich keinen Betreuer wünschen?!
Nein, er muss nicht am Verfahren mitwirken. Die Frage ist, ob es zu seinem Vor- oder Nachteil ist. Er sollte in jedem Fall dem Gericht seinen Willen ausdrücken, was er am besten mündlich macht. Also zum Beispiel dort anruft.

Zitat:
Zitat von Meg
- Hat der Patient oder sein Sohn einen Einfluss darauf, ob das Verfahren als Eilverfahren oder normal läuft? Oder dies entscheiden nur die Ärzte?
Das entscheidet meines Wissens das Gericht. Die Frage ist, ob wirklich dringend ein Betreuer bestellt werden muss, da irgendwelche Angelegenheiten anstehen, die der Vater nicht selbst entscheiden/regeln kann.

Zitat:
Zitat von Meg
- Was passiert, wenn der Patient sich keinen Betreuer wünscht? wie entscheidet das Gericht, ob der Patient zurechnungsfähig ist oder nicht? Die behandelnden Ärzte meinen wohl nicht, sonst hätten sie ja den Antrag
nicht gestellt. Gibt es das Recht auf ein unabhängiges Gutachten?
Ja, in einem Gutachten muss in der Hauptsache geklärt werden, ob der Patient noch über seinen "Freien Willen" verfügt. Tut er dies nach Ansicht des Gutachtes nicht, muss er zudem seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen können.

Zitat:
Zitat von Meg
- Hat der Patient, sein Sohn, die Ärzte die Möglichkeit die Entscheidung des Gerichtes anzufechten, egal wie sie ausfallen würde.?
Der Patient kann immer Beschwerde einlegen. Die Verwanten in bestimmten Fällen. Die Ärzte haben keine Möglichgkeit, die Entscheidung des Gerichts anzufechten.


Zitat:
Zitat von Meg
- Sollte sich der Patient seinen Sohn als Betreuer wünschen, wird diesem Wünsch i.d.R entsprochen, nehme ich an? Was geschiet, wenn die Ärzte gegen den Sohn als Betreuer wären, der Patient sagt aber sowas wie "eigentlich will ich keinen Betreuer; wenn es unbedingt sein muss - dann könnte ich nur den Sohn als Betreuer akzeptieren"?
Das Gesetz sieht vor, dass eine Betreuung auch wenn die Vorraussetzungen erfüllt sind, erforderlich sein muss. § 1896 BGB regelt u.a. "die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten, (...) oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können."

Im Klatext heißt das, dass der Vater z.B. den Sohn mit einer Vorsorgevollmacht als Bevollmächtigten einsetzen kann. Der Bevollmächtigte ist quasi ein Betreuer. Er kann/darf/muss also immer dann entscheiden, wenn der Vater nicht selbst entscheiden kann. Der Vater kann zudem in einer Patientenverfügung festlegen, wie er behandelt werden möchte, wenn er nicht selbst entscheiden kann (einwilligungsunfähig ist).

Die Vorsorgevollmacht und die Patientenverfügung ist gültig, wenn der Vater "weiss was er da unterschreibt". Er sollte also orientierungsfähig sein. Das sollte er sich von einem Arzt bestätigen lassen. Wenn es ein größerrs Vermögen gibt, sollte die Vorsorgevolmacht auch notariell beglaubigt werden. Zudem ist es nicht schlecht, auch die Geldinstitute zu informieren.

Wenn das Gericht die Vorsorgevollmacht nicht anerkennen sollte, muss es dem Vorschlag des Vaters folgen, wer als Betreuer eingesetzt werden soll.
chancen ist offline  
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Alt 24.08.2006, 16:14   #3
Heinz
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Beiträge: n/a
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Hallo Meg,

deine Fragen:
"Ist der Patient verpflichtet den Termin beim Gericht überhaupt wahrzunehmen, sollte er sich keinen Betreuer wünschen? "
Verpflichtet nicht, aber dringend ratsam, um das Gericht von der Eigenständigkeit der Meinungsbildung und -äußerung zu überzeugen, bzw. von der Nicht Notwendigkeit einer gesetzliche Betreuung.

"Hat der Patient oder sein Sohn einen Einfluss darauf, ob das Verfahren als Eilverfahren oder normal läuft? Oder dies entscheiden nur die Ärzte? "
Der Antrag kann als Eilantrag formuliert sein. Patient und Sohn können durch persönliches Gespräch mit dem Richter oder schriftlich die Sachlage aus ihrer Sicht darstellen und das Gericht von der fehlenden Eilbedürftigkeit überzeugen, bzw. somit auf die Entscheidung des Gerichts Einfluss nehmen.

"Was passiert, wenn der Patient sich keinen Betreuer wünscht? wie entscheidet das Gericht, ob der Patient zurechnungsfähig ist oder nicht? "
Ohne Eilbedürftigkeit wird eine ausführliche ärztliche Stellungnahme bzw. Gutachten verlangt bzw. in Auftrag gegeben. Entscheidend wird sein, mit welcher Vehemenz eine Fremdbetreuung abgelehnt wird. Besteht kein Grund, die Geschäftsfähigkeit per Einwilligungsvorbehalt einzuschränken, bleibt also der Patient geschäftsfähig, lehnt der Patient aber rigoros eine Fremdbetreung ab, macht diese keinen Sinn, da die Betreuung mehr oder weniger mit dem Betreuten zusammen und in Absprache mit ihm zu führen ist. Ohne ein gewisses Maß der Kooperation macht eine Betreuung keinen Sinn. Ich hatte mehrere Beispiele, wo selbst eine Gutachterin zum Ergebnis kam, dass eine Betreuung dringend einzurichten sei. Jedoch durch Verfahrenspflegschaft wurde dann die avisierte Betreuung wieder rückgängig gemacht.

" Die behandelnden Ärzte meinen wohl nicht, sonst hätten sie ja den Antrag nicht gestellt. Gibt es das Recht auf ein unabhängiges Gutachten? "
Sollte sich das Gericht über den Willen des Betreuten hinwegsetzen und zudem kein neutrales Gutachten in Auftrag geben, kann Verfahrenspflegschaft beantragt werden oder Beschwerde gegen die Betreuung eingereicht werden.

" Hat der Patient, sein Sohn, die Ärzte die Möglichkeit die Entscheidung des Gerichtes anzufechten, egal wie sie ausfallen würde. " Mit sofortige Bescherde.

" Sollte sich der Patient seinen Sohn als Betreuer wünschen, wird diesem Wunsch i.d.R entsprochen, nehme ich an? Was geschiet, wenn die Ärzte gegen den Sohn als Betreuer wären, der Patient sagt aber sowas wie "eigentlich will ich keinen Betreuer; wenn es unbedingt sein muss - dann könnte ich nur den Sohn als Betreuer akzeptieren"?
Gesetzlich soll der familiären und ehrenamtlichen Betreuung der Vorzug gegeben werden. Dabei hat das Gericht zu prüfen, in wie weit der Sohn in der Lage ist, die Betreuung wahr zu nehmen. Bedenken könnten z.B. bestehen, wenn die Entfernung seines ständigen Wohnsitzes zu dem des Vater unverhältnismäßig ist. Oder er beruflich oder selbst familiär kaum Zeit findet, sich um seinen Vater zu kümmern. Es kann auch sein, dass der Sohnes vom Gericht als nicht geeignet erachtet wird, wenn er straffällig war, mit negativer Schufa-Auskunft (eidesstattliche Versicherung), oder nicht in der Lage ist, sich in Schrift und Wort hinreichend sachlich verständlich zu machen und selbst mit behördlichen Angelegenheiten überfordert wäre.

Bestehen solche Bedenken nicht, kann vielmehr das Gericht vom Gegenteil überzeugt werden, darf das Gericht den Willen des Patienten nicht ignorieren, ansonsten ist die Entscheidung ermessensfehlerhaft und anfechtbar, sprich mit einer Beschwerde anzugehen und müsste aufgehoben werden.

Viel Erfolg
Heinz
 
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Alt 24.08.2006, 16:38   #4
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Hallo, da sich die AWs leicht unterscheiden zur Ergänzung/Erklärung:

Wenn die Betreuung gegen den Willen des Betroffenen eingerichtet wird, muss immer ein Gutachten erstellt werden. Das kann aber nachgeholt werden. Wie Heinz ausführt, ist nach Betreuungsrecht der Betreute geschäftsfähig, was wiederum fast gleich damit zu setzen ist, dass er über seinen "freien Willen" verfügt. Damit sind die Vorraussetzung für eine Bestellung gegen den Willen eigendlich nur dann gegeben, wenn ein "Einwilligungsvorbehalt" angeordnet wird. Das heißt, das Gericht erklärt den Betreuten per se für geschäftsunfähig.

Dem Vorschlag des Vaters, wer Betreuer werden soll, muss vom Gericht akzeptiert werden, wenn keine gewichtigen Gründe dagegen sprechen. Das Gericht kann einen Vorgeschlagenen Betreuer nicht mit der Begründung ablehen, dass jemand anders besser geeignet sei die Betreuung zu führen. Wie sich die Situation darstellt ist es aber besser, per Vorsorgevollmacht die Betreuung abzuwenden.
chancen ist offline  
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Alt 24.08.2006, 19:16   #5
Heinz
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Replik

* Eine private Vollmacht, und bitte individuell und nicht bloß ein Formblatt ausfüllen, ist hilfreich. Bei ärztlichen Bedenken, wie hier:

" Die Ärzte sprechen ihm offensichtlich die Fähigkeit ab, die Tragweite seiner Entscheidungen beurteilen zu können, bzw. sind die Ärzte deswegen verzweifelt, weil sich die Meinung der Patienten ständig ändert."

- kann eine nunmehr auf die Schnelle erstellte Vollmacht angezweifelt werden. Gleichwohl ist es ratsam, diese noch fix zu fertigen, bevor das Gericht ein Gutachen in Auftrag gibt.

* Betreuung gegen den Willen und Einwilligungsvorbehalt müssen nicht parallel gehen. Soll heißen, mit einer Betreuung gegen den Willen des Betreuten muss die Geschäftsfähigkeit nicht eingeschränkt werden. So bleibt die Geschäftsfähigkeit auch bei Inhaftierten und auch geschlossen stationären Patienten erhalten, wenngleich deren Aufenthaltsbestimmung und deswegen angeordnete Betreuung gegen den Willen der Betreuten ergeht.

* "Das Gericht kann einen Vorgeschlagenen Betreuer nicht mit der Begründung ablehen, dass jemand anders besser geeignet sei die Betreuung zu führen." Das stimmt und andererseits auch nicht. Mit der Bestellung eines Berufsbetreuers ergeht inzident die Entscheidung, dass eine andere ehrenamtliche Betreuung nicht ausreicht oder die vorgeschlagene Person nicht geeignet erscheint. Hier übt das Gericht sein volles Ermessen aus. Entscheidend ist die Begründung, ob das Wohl des Betreuten gewahrt wird oder nicht. Dabei werden ehrenamtliche Betreuungen schon aus Kostengründen bevorzugt. Das heißt, für die Ablehnung einer familiär ehrenamtlich geführten Betreuung müssen erheblich Gründe vorliegen. Ein solcher Grund kann allerdings in einer Interessenkollision bestehen, wenn die Interessen des Betreuten durch Familienangehörige gefährdet erscheinen. Solche innerfamiliär `offene Rechnungen´ sind, wie hier im Forum bereits öfters besprochen, nicht selten. Und auch diese Bedenken sollten im Vorhinein ausgeräumt werden.

Besten Gruß
Heinz
 
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Alt 25.08.2006, 20:24   #6
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Zitat:
Zitat von Heinz Balzer
Zitat:
Zitat von Meg
Die Ärzte sprechen ihm offensichtlich die Fähigkeit ab, die Tragweite seiner Entscheidungen beurteilen zu können, bzw. sind die Ärzte deswegen verzweifelt, weil sich die Meinung der Patienten ständig ändert.
(es) kann eine nunmehr auf die Schnelle erstellte Vollmacht angezweifelt werden.
Es ist natürlich ein Unterschied, ob sich jemand nur nicht entscheiden kann, oder ob er die Tragweite seiner Entscheidungen nicht beurteilen kann. Für den Fall, dass die Wirksamkeit einer Vollmacht angezweifelt wird, ist es ratsam, auch schriftlich festzulegen, wer als Betreuuer bestellt werden soll.


Zitat:
Zitat von Heinz Balzer
Betreuung gegen den Willen und Einwilligungsvorbehalt müssen nicht parallel gehen. Soll heißen, mit einer Betreuung gegen den Willen des Betreuten muss die Geschäftsfähigkeit nicht eingeschränkt werden.
In § 104 Abs. 2 BGB heißt es: "Geschäftsunfähig ist, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist."

Daher ist es eigendlich nicht statthaft bei Geschäftsfähigkeit einen Betreuer zu bestellen, denn die Geschäftsfähigkeit setzt vorraus, dass der Betroffene seinen Willen frei bestimmen kann. "Gegen den freien Willen des Volljährigen darf (aber) ein Betreuer nicht bestellt werden." 1896 Abs. 1a BGB)
chancen ist offline  
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Alt 26.08.2006, 21:02   #7
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Sehr geehrter Herr Balzer,

Sie stellen hier in zahlreichen Beiträgen immer wieder Ihre Kompetenz in Frage.

Beispiel Geschäftsfähigkeit

Oben haben Sie selbst erwähnt, dass Sie Fälle kennen, in denen der Gutachter die Einrichtung einer Betreuung befürwortete, das Gericht dennoch keinen Betreuer bestellte, da der Betroffene geschäftsfähig war.

Auch nach Auffassung von Prof. Dr. Walter Zimmermann, Vizepräsident des Langgerichts Passau, kann gegen den Willen des geschäftsfähigen keine Betreuung eingerichtet werden (Beck-Rechtsberater Betreuungsrecht; 4. Auflage; Seite 5). Im Gegensatz zu Ihnen wird der Betreuungsrechtsexperte Zimmermann auch vom Bundesgerichtshof in Urteilsbegründungen zitiert.

Zitat:
Zitat von Heinz Balzer
Schon in der Schlüssigkeit ihre Argumentation müsste ihnen klar sein, dass die freie Willensbestimmung der Geschäftsfähigkeit und der freie Wille im Betreuungsrecht nicht deckungsgleich sind. Das kommt häufiger im Juristischen vor, dass ähnliche Rechtsbegriffe unterschiedliche Inhalte haben und erst recht unterschiedlich verwendet werden.
Der Begriff des "freien Willen" in Abgrenzung zum "natürlichen Willen" wurde aus dem § 104 BGB (Geschäftsunfähigkeit) heraus entwickelt.

Zitat:
Zitat von Heinz Balzer
Ihnen dürfte auch vorstellbar sein, dass geistig behinderte Bewohner der Lebenshilfe oder ähnlicher Einrichtungen gleichwohl geschäftsfähig sind und ihren Willen sehr gut frei bilden können, sogar ihr Taschengeld einteilen oder von diesem wirksame Rechtsgeschäfte tätigen, auch wenn sie betreut werden und das vielleicht gegen ohne ohne ihren Willen. Gegebenenfalls könnte man über eine Minderung der Geschäftsfähigkeit auf das Taschengeld nachdenken.

Als Jurist sollten Sie wissen, dass eine Minderung der Geschäftsfähigkeit nicht in Betracht kommt. Es gibt im Recht aber sogenannte Fiktionen. Die Fiktion ist keine "Erfindung" sondern eine nachvollziehbare Annahme von Zuständen, um Ausnahmen von der Regel zuzulassen. Dazu gehört der § 105a Satz 1 BGB. Danach kann ein volljähriger Nicht-Geschäftsfähiger dennoch Alltagsgeschäfte tätigen, die wenig Geld erfordern. Die Selbstverwaltung des Taschengelds oder das Bestellen einer Pizza fällt in diesen Bereich.

Nun werden Sie entgegnen, dass die Betreuten formal dennoch geschäftsfähig sind, da kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wurde. In der Praxis können Sie dennoch sehr wohl nicht-geschäftsfähig im Sinn des § 104 BGB sein. Der Einwilligungsvorbehalt wird nur sehr selten angeordnet, wenn die Umstände es erfordern. Ein Betreuter kann sich also nicht allein auf seine formale Geschäftsfähigkeit berufen, um per Beschwerde die Aufhebung der Betreuung zu begründen.

Wenn, wie Sie schreiben, die Betreuten in der Lebenshilfe ihren Willen im Sinn einer Geschäftsfähigkeit nach § 104 BGB sehr gut frei bilden könnten, fragt sich, warum sie nur ihr Taschengeld selbst verwalten dürfen. Sollten sie im Sinn des § 104 BGB Geschäftsfähigkeit sein, ist es nicht statthaft, sie gegen ihren freien Willen zu betreuen.

Dadurch, das formal noch eine mögliche Geschäftsfähigkeit gegeben ist, wird die Anordnung einer Betreuung gegenüber der früher üblichen Entmündigung von den Richtern als milderes Mittel empfunden, was dazu geführt hat, dass die Zahl der Betreuten seit Einführung des Instruments der gesetzlichen Betreuung stark gestiegen ist.

Zitat:
Zitat von Heinz Balzer
auch eine Betreuung gegen den Willen des Betreuten schließt seine freie Willensbestimmung nicht völlig aus.
Doch, denn der Staat hat von Verfassungs wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen (BVerfGE 22, 180/219 f.; BayObLGZ 1994, 209/211)". Siehe auch: BayObLG (BayObLGR 2001,19 (LS); BtPrax 2001,79; FamRZ 2001,1249) und BayObLG FamRZ 1995, 510.

Zitat:
Zitat von Heinz Balzer
auch ein zwangsweiser Betreuter ist geschäftsfähig und prozessfähig, sich zu beschweren, einen Verfahrenspfleger oder Rechtsanwalt zu beantragen. Der Auftrag eines Rechtsanwalts ist bekanntermaßen ein Rechtsgeschäft. Mit Ihrer Logik könnten Betreute, erst recht gegen ohne ihr Einverständnis Betreute und zwangsweise Untergebrachte mangels Geschäftsfähigkeit keinen Anwalt beauftragen. Durch Einwilligungsvorbehalt Geschäftsunfähige können einen Rechtsanwalt gegen die Betreuung nicht wirksam beauftragen.
Auch das stimmt nicht. Im Betreuungsverfahren ist der Betreute immer verfahrensfähig. Auch ein Betreuter mit Einwilligungsvorbehalt kann immer Beschwerde einlegen und/oder einen Anwalt oder Sachkundigen als Verfahrensbevollmächtigten einsetzen (§ 66 FGG). Das hat weder etwas mit der Geschäftsfähigkeit noch mit der sonstigen Prozessfähigkeit zu tun. Wenn es zur Wahrnehmung der Interessen erforderlich ist, und der Betroffene keinen Verfahrensbevollmächtigen ernannt hat, hat das Gericht einen Verfahrenspfleger zu bestellen (§ 70b FGG).
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Alt 27.08.2006, 13:51   #8
Meg
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Beiträge: 5
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Danke für die Antworten!

Im "Ratgeber Betreuungsrecht" von W.Zimmermann, 6.Auflage, steht im Abschnitt "Beschwerdeberechtigter" s. 223 drin, dass der Sohn, der nicht im selben Haushalt wohnt, KEINE Beschwedebefügnis hätte. Stimmt das mit Eureren Erfahrungen überein?

Mal generell gefragt. Hat der Sohn eine Möglichkeit in dieser Situation einer drohenden Heimunterbringun des Patienten entgegenzuwirken?
Wenn ja - wie?
Meg ist offline  
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Alt 27.08.2006, 14:18   #9
Heinz
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Hallo Meg,

leider kann ich das Zitat und den Sachzusammenhang im Augenblick nicht nachlesen, da wir mitten im Umzug stecken und auch dieses Buch irgendwo verpackt ist.

Gleichwohl vermute ich den Zusammenhang. Auch hier gilt meine Ausführung zur Beschwer. Heißt, es wird geprüft, ob der Sohn von der Entscheidung des Gerichts betroffen ist. Es ist eher zu vermuten, dass er nicht einmal Adressat des Bescheids ist und somit auch nicht beschwert und deshalb auch nicht beschwerdeberechtigt.

Gleichwohl kann der Sohn gegen die Entscheidung des Gerichts vorgehen, ob er nun im Haushalt lebt oder nicht. Am einfachsten ist es tatsächlich, wenn dich dein Vater privat bevollmächtigt hat. Das muss das Gericht zumindest zur Kenntnis nehmen, wenn nicht sogar befolgen.

Sollte diese Möglichkeit nicht zu realisieren sein (Vater ist nicht einsichtig oder nicht mehr in der Lage zu unterschreiben), böte sich die Möglichkeit einer ärztlichen Stellungnahme, die die weitere Versorgung zuhause durchaus empfiehlt zumindest für vertretbar erachtet. Eine solche Stellungnahme muss natürlich privat in Auftrag gegeben werden und kostet auch ein paar Euro. Doch der Haus- und Vertrauensarzt deines Vaters wird bestimmt die Notwendigkeit einsehen.

Ist er hingegen auch der Meinung, dass der Vater besser stationär versorgt ist, sind deine Karten recht schlecht. Sollte zudem die Betreuung einer dritten Person übertragen werden, wird sie zusehends schlechter, wobei es natürlich meiner Beurteilung entzieht, ob dein Vater dann nicht tatsächlich stationär besser versorgt wäre. Da musst du dich schon eingehend kundig machen und die du befragst (Ärzte, Schwestern, Heimleitung, Heimverwaltung usw. )bitten, auf ihre Aussagen gegenüber dem Gericht Bezug nehmen zu dürfen.

Sodann baust du eine schlüssige Argumentation auf, nämlich was dein Vater nach Aussage von... dringend benötigt. Dann, was ihn im Heim erwartet bzw. dass er dort nicht das bekommt, was er benötigt, aber zuhause durch dich und Pflegedienst und betreutes Wohnen usw.

Diese Gesamtschau bringst du dem Richter zu Kenntnis, mit der Bitte, erstens die Betreuung für den Vater zu erhalten und zweitens, dass nur der Aufenthalt zur Hause dem Wohl des Vaters gerecht würde und keine andere Unterbringung. Eine Anspruch gegenüber dem Gericht hast du nicht. Musst also recht kleine Brötchen backen, aber den Antrag dafür um so solider verfassen und schlüssig argumentieren.

Wie gesagt: ist dein Vater durchaus noch in der Lage, die Sachzusammenhänge zu erfassen und zu unterschreiben, dann lass diese, vielleicht von dir formulierten Erklärungen von ihm unterschreiben. Damit ersparst du dir sehr viel Arbeit.

Viel Erfolg
Heinz
 
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Alt 27.08.2006, 18:47   #10
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Beiträge: 19
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Zitat:
Zitat von Meg

Danke für die Antworten!

Im "Ratgeber Betreuungsrecht" von W.Zimmermann, 6.Auflage, steht im Abschnitt "Beschwerdeberechtigter" s. 223 drin, dass der Sohn, der nicht im selben Haushalt wohnt, KEINE Beschwedebefügnis hätte. Stimmt das mit Eureren Erfahrungen überein?
In "Betreuungsrecht von A-Z" von W.Zimmermann, 2. Auflage, S. 49 steht, dass dem Sohn nur dann kein Beschwerderecht gegen die Bestellung der Betreuung eingeräumt werden, wenn der (geschäftsunfähige) Betreute selbst einen Antrag auf Betreuung stellt und z.B. die Tochter als Betreuerin vorschlägt. Wenn aber von Amts wegen eine Betreuung eingerichtet werden soll, also ohne oder gegen den Willen des Betroffenen, ist der Sohn nach § 69 g I FGG berechtigt Beschwerde einzulegen.

Zitat:
Zitat von Meg
Mal generell gefragt. Hat der Sohn eine Möglichkeit in dieser Situation einer drohenden Heimunterbringun des Patienten entgegenzuwirken?
Wenn ja - wie?
Sicherlich dann, wenn er selbst Bevollmächtigter oder Betreuer wird. Der Vater solte auf jeden Fall ein Schreiben aufsetzen, indem er für den Fall der Notwendigkeit vorschlägt, den Sohn zum Betreuer zu bestellen. Generell ist natürlich zu fragen, ob der Vater zu Hause versorgt werden kann. Da der Vater sich nur nicht entscheiden kann, dürfte da nichts gegen sprechen. Sollten die Ärzte der Meinung sein, dass der Vater ins Heim muss, der Sohn aber im Sinn des Vaters gegen die Unterbringung ist, wird das Gericht vermutlich versuchen, einen Fremden Betreuer einzusetzen.
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