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Betreuung möglich/sinnvoll?

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Hallo, mein Bruder (wird dieses Jahr 22) ist an Schizophrenie erkrankt. Er ist mit den Medikamenten gut eingestellt, insbesondere hat ...


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Alt 05.04.2013, 19:41   #1
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Beiträge: 4
Standard Betreuung möglich/sinnvoll?

Hallo,

mein Bruder (wird dieses Jahr 22) ist an Schizophrenie erkrankt.

Er ist mit den Medikamenten gut eingestellt, insbesondere hat er seit ca. einem halben Jahr ein neues Medikament, mit dem er völlig gesund wirkt (bei dem alten war er viel müde, zog sich zurück und war aggressiv).
Wo es leider überhaupt nicht klappt, sind seine Finanzen:

Noch mit dem alten Medikament hatte er seine Wohnung gekündigt, bekam aber keine neue Wohnung (klar, wer gibt schon einem Schüler ohne Einkommen eine Wohnung auf dem Berliner Arbeitsmarkt, selbst mit Bürgschaft).
Gleichzeitig hatte er kaum Geld und wurde dann letztlich obdachlos (musste bei Freunden wohnen). Zum Schluss kam er zum Glück in die Klinik und wurde auf das neue Medikament umgestellt. Seitdem geht es ihm (meiner Einschätzung nach) sehr gut.
Aber in der Zeit davor hatte er sich sehr viel Geld bei mir geliehen: "Ich hab ja nächste Woche einen Job! Ich bekomme ja nächste Woche Geld von XY! Das ist ja nur noch dieses Mal!"
War ein Fehler von mir, ich weiß.

Jedenfalls hat er inzwischen ja das neue Medikament und bekommt Hartz IV (also immerhin festes Einkommen) und wohnt in einem betreuten Einzelwohnen für psychisch Kranke.
Leider lehnt er aber die persönliche (nicht rechtliche, AFAIK) Betreuung dort ab - er trifft sich so wenig mit den Betreuern wie möglich, will sie ungern in die Wohnung lassen usw., weil er meint, er sei gesund und brauche keine Hilfe (er wirkt ja auch völlig klar, insofern schon auch verständlich).
Der Umzug war auch chaotisch, er wusste nicht genau, wie viel der Umzug kosten würde und auch nicht genau, wann der Wagen kommen würde (er wusste, die Umzugsleute rufen an, aber nicht, ob beim Einladen oder zum Ausladen), obwohl die Umzugsfirma schon komplett genervt war, weil er 3x dort angetanzt war (Angebot verloren etc.).

Obwohl er jetzt gut eingestellt ist (freundlich, lustig, man kann sich mit ihm normal unterhalten usw.), scheint das Finanzielle nach wie vor Probleme zu machen.
Sein Konto ist auf Vollanschlag im Dispo (Wer gibt einem Schüler ohne Einkommen einen Dispo?! Danke, Sparkasse!) und er gibt die ganze Zeit mehr Geld aus, als er einnimmt.
Kürzlich frage ich ihn z.B., wie viel Geld er denn ungefähr für Essen ausgibt (das neue Medikament führt leider dazu, dass man ununterbrochen Hunger hat): "Na ja, schon etwas mehr, so 150 Euro vielleicht, vielleicht auch 200, aber jetzt auch nicht mehr."
Wir sind dann die Kontoauszüge durchgegangen - es waren auf den Monat hochgerechnet ca. 550 Euro!!
Dann lädt er z.B. dauernd seinen Internet-Stick auf (DSL-Anschluss hat er nicht), das frisst auch ein irres Geld. Aber eben alles so Stück für Stück.
Ich habe ihm schon angeboten, mit ihm einmal die Woche Großeinkauf bei Aldi zu machen, wollte er auch nicht. Wiegelt immer ab: "Neee, so wild ist das ja auch nicht, das ist ja nur diesen Monat noch so wegen XY" (so geht das aber schon seit einem Jahr!").

Er will jetzt auf das alte Medikament umstellen, weil das nicht diesen Hunger macht und er meint, er käme damit besser zurecht. Als Externer bin ich davon aber nicht begeistert... Aber muss er wissen.
Schwierig ist ja auch, dass er bei Hartz IV wohl kaum Geld dazubekommen darf, ohne dass die Bezüge gekürzt werden...

Jedenfalls ist es jetzt schon wieder supereng mit seinem Geld ("Aber nur diesen Monat! Ich musste mir ja eine Waschmaschine kaufen und das Amt hat nur ganz wenig Geld bewilligt!") und er wird richtig wütend, wenn man ihn darauf anspricht: "Ich komme schon zurecht, das ist doch nicht Dein Problem!"

Eigentlich müsste man ihm jegliche Vorschüsse etc. jetzt einfach knallhart sperren, aber dann kann er sich ruckzuck nicht mal mehr etwas zu Essen kaufen.
Ich habe natürlich Angst, dass er dann wieder durch die Belastung einen Schub bekommt.
Mit ihm reden kann man aber auch nicht wirklich.

Ich habe jetzt zufällig (u.a. im Rahmen einer Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie) von dem Thema Betreuung erfahren und frage mich, ob das eine Lösung sein könnte.

Ich würde mich ja auch kümmern, aber so, wie ich das verstanden habe, geht es nur mit seiner Zustimmung?
Denn eine Betreuung darf ja nicht gegen den "freien Willen" des Betroffenen eingerichtet werden, und einen "freien Willen" hat er ja noch, er ist ja nicht extrem dement oder so.

Übrigens frage ich mich auch, welchen Sinn eine Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt hat.
Wenn derjenige selbst noch beliebig Geschäfte tätigen kann, dann kann der Betreuer ja eigentlich gar nichts verhindern?
Und wenn der Betreute dann auch noch der Betreuung zustimmen muss, könnte er dann nicht einfach eine Vollmacht ausstellen?
Den Teil habe ich dabei noch nicht verstanden...
(Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt leuchtet mir aber ein.)

Vielleicht hat jemand ja auch sonst einen Tipp, was ich mit meinem Bruder machen kann.
Ich habe natürlich auch Angst, dass er mir das Anregen einer Betreuung so krumm nimmt, dass er den Kontakt abbricht...
Evtl. geht es ja auch ohne.

Sorge bereitet mir eben z.B., wenn er seine Geldprobleme damit entschuldigen will, dass seine Einkommen (Kindergeld und Hartz IV) ja an verschiedenen Tagen kämen, damit sei es eben total schwierig zu wirtschaften... Ich halte das für ein ganz schlechtes Zeichen, wenn er damit nicht klarkommt...
Evtl. kann man auch irgendwie dafür sorgen, dass er pro Tag max. 10-20 Euro bekommt?
Damit er eben nicht am Anfang des Monats auf einmal alles ausgibt für Edelsupermarkt-Essen und Handyaufladungen... Generell geht er aber schon sinnvoll mit seinem Geld um, er kauft also keinen Mist. Aber er isst eben extrem viel durch das Medikament und kauft beim teuren Edeka ein (weil der vor der Tür ist) und kümmert sich nicht um einen billigeren Handy-/Internetvertrag ("Ja, muss ich mal schauen, kann ich mal gucken vielleicht... Im Moment geht es ja auch...").

Hoffe, ihr könnt mir hier vielleicht irgendeinen Tipp geben.
Dankeschön!
Hatschi ist offline  
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Alt 06.04.2013, 13:22   #2
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Moin moin

So wie Du das schilderst ist Dein Bruder ein klassischer Fall für eine rechtliche Betreuung. Aufgabenkreise: Gesundheit, Vermögenssorge (mit EiWi), Behörden- und Versicherungsangelegenheiten sowie Aufenthalt und ggf. Entscheidung über die Unterbringung.
Dein Bruder kann zwar alle Dinge, die er zum Leben benötigt beschaffen und vielleicht auch auf seine Art regeln, aber nur auf Kosten von Dir oder anderen Leuten, denen er auf der Tasche liegt oder die er hintergeht oder zumindest zutiefst enttäuscht.

Falls noch keine rechtliche Betreuung bestehen sollte, so wäre es sicherlich sinnvoll diese anzuregen und die Arbeit einem Profi zu überlassen, der sich in der Betreuung von psychisch Kranken Menschen auskennt.

Bei der von Dir beschriebenen Krankheit ist es ein sehr typisches Verhalten bzw. Denken, dass man sich völlig gesund fühlt und die Krankheit verleugnet. Blöderweise insbesondere dann, wenn sie wieder akuter wird. Es ist immer wieder fatal, wenn diese kranken menschen ihre Medikamente womöglich absetzen, weil sie meinen, dass es ihnen so gut geht und sie sich nicht mehr krank fühlen. Folge: erst mal geht es ihnen tatsächlich gut (geführlt sogar besser), weil die dämpfende (Neben-)Wirkung der Medikamente langsam nachläßt. Aber auch die eigentlich gewünschte Wirkung der Medikamente, also das Bremsen der wirren Gedanken oder verhindern des psychotischen Erlebens (irgendwelche Stimmen sind in meinem Kopf und befehlen mir irgendetwas zu glauben oder zu tun...) läßt nach.
Oder kurz: Die nächste Krise kommt bestimmt - und damit möglicherweise auch die nächste Zwangseinweisung oder sonstige unangenehme Folge.

Angehörige oder Freunde sind in diesen Fällen mit der rechtlichen Betreuung völlig überfordert und genau genommen auch beim besten Willen nicht geeignet:
"Wenn Du mein Bruder oder mein Freund bist, wie kannst Du mir dann mein Geld einteilen oder mir bestimmen, dass ich zum Arzt oder ins Krankenhaus soll, obwohl ich das gar nicht will. Du bist doch dann nur ein mieses A... und kein Freund oder Bruder."
An diesem Konflikt sind schon viele zerbrochen, obwohl sie doch nur helfen und gut sein wollten.
(Ich empfehle Dir also nicht, die Betreuung Deines Bruders zu übernehmen. Erst recht, wenn Du selber in einem helfenden Beruf tätig bist. Jeder Systemiker kann nur absolut davor warnen, wenn man nicht selber in massivste seelische und berufliche Krisen geraten will!!!)

Ich wünsche Dir viel Glück und
insbesondere viel Geduld

MfG

Imre
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Alt 07.04.2013, 20:40   #3
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Hallo,

nein, so schlimm ist es nicht.
Er nimmt seine Medikamente durchgängig und kümmert sich auch.
Wenn es ihm schlechter geht, merkt er es selbst und geht zum Arzt.
In Deiner sehr dramatischen Beschreibung finde ich ihn so nicht wieder.
Er hat natürlich Probleme, sonst hätte ich hier nicht angefragt, aber so, wie Du es beschreibst (Medikamente nicht nehmen usw.) war es selbst in den schlimmsten Phasen nicht. Er hört auch keine Stimmen o.ä.

Kannst Du etwas zu meinen konkreten Fragen sagen?
Also vor allem zu dem hier:

Zitat:
Ich würde mich ja auch kümmern, aber so, wie ich das verstanden habe, geht es nur mit seiner Zustimmung?
Denn eine Betreuung darf ja nicht gegen den "freien Willen" des Betroffenen eingerichtet werden, und einen "freien Willen" hat er ja noch, er ist ja nicht extrem dement oder so.

Übrigens frage ich mich auch, welchen Sinn eine Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt hat.
Wenn derjenige selbst noch beliebig Geschäfte tätigen kann, dann kann der Betreuer ja eigentlich gar nichts verhindern?
Und wenn der Betreute dann auch noch der Betreuung zustimmen muss, könnte er dann nicht einfach eine Vollmacht ausstellen?
Den Teil habe ich dabei noch nicht verstanden...
(Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt leuchtet mir aber ein.)
Danke!
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Alt 08.04.2013, 20:58   #4
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Moin Hatschi

nach Deiner ersten Schilderung sah es ziemlich heftig aus, wie Dein Bruder mit seinem Geld umgeht und deshalb ein EiWi auch sicherlich notwendig sein wird.
Er wird aber gerade deshalb notwendig sein, weil Dein Bruder keinen freien Willen mehr hat. Die Einrichtung des EiWi ist dann nur die Bestätigung, dass es so ist.

In anderen Fällen ist ein EiWi nicht notwendig, weil sich die Betreuten an Absprachen halten oder sogar von sich aus vernünftig mit ihrem Geld umgehen können und tun. Trotzdem benötigen sie Hilfe.
Irgendwann dann auch nicht mehr, weshalb der Betreuungsbereich oder sogar die ganze Betreuung aufgehoben werden kann.

Und zum "freien" Willen, gegen den eine Betreuung nicht eingerichtet werden darf: Ist der Wille nicht "frei" darf es auch gegen ihn laufen.
Als freien Willen kannst Du in etwa den Willen ansehen, den ein Mensch in gesundem Zustand hat.
Im Falle Deines Bruders:
Er hat eine Schizzophrenie. Deshalb ist er aber nicht die ganze Zeit ab vom Padd, sondern nur phasenweise. D.h. sein Wille ist nicht immer frei, aber auch nicht immer unfrei. Unfrei ist sein Wille dann, wenn er z.B. in einer akuten Phase etwas will, was er in einer nicht-akuten Phase nicht haben wollte. Zu Deutsch: Sein Wille wäre dann von seiner Krankheit bestimmt und damit nicht mehr frei.
Ist sein Wille während der akuten Phase der selbe wie sonst auch, ist er nach wie vor frei (die Krankheit hat den Willen nicht verändert/bestimmt).

MfG

Imre
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