Essstörung - "Zwangsdiät"
Hallo,
es geht um eine 57-jährige Betreute mit einer Esstörung. Sie hat eine Lernbehinderung, Adipositas per magna (180 kg, 166 cm) und zahlreiche Folgeerkrankungen. Sie kann außer Haus ein paar Meter mit dem Rollator gehen, aber bis zum Supermarkt schafft sie es nicht. Betreutes Einzelwohnen und ein Pflegedienst sind installiert. Ich habe alle üblichen Aufgabenkreise, Einwilligungsvorbehalt bei Finanzen. Die Sozialpädagogin des BEW arbeitet mit ihr am Thema Gesunde Ernährung. Sie erstellen gemeinsam eine wöchentliche Einkaufsliste für den Pflegedienst. Das ist ein Kampf. Die B. setzt trotzdem viele ungesunde Lebensmittel durch. Der Pflegedienst ist ebenfalls besorgt und würde gern die Einkaufsliste nach eigenem Ermessen ändern, z.B. zuckerhaltige Getränke etc. weglassen. - Das finanzielle Budget habe ich schon begrenzt (EiWi), aber Süßkram ist leider zu preiswert. Das Ansinnen käme wohl einer ambulanten Zwangsdiät gleich, weshalb das rechtlich nicht zulässig ist. Andererseits schädigt sie mit ihrer Sucht ihre Gesundheit hochgradig. Es gibt eine Anbindung zum Adipositaszentrum. Dort wird geprüft, ob ein Magenballon eingesetzt werden kann. Aber ein Ballon ist keine Dauerlösung und erfordert zudem auch eine Compliance im Essverhalten. Eine Ernährungstherapie ist bei ihr nicht aussichtsreich. Gibt es einen rechtlich zulässige Möglichkeit, gegen ihren Willen die Einkaufsliste zu kürzen/zu ändern? Die Frage stellt sich ja auch bei Menschen mit einer Alkoholerkrankung. Ist der Pflegedienst verpflichtet, kästenweise Bier einzukaufen, wenn der Kunde es wünscht? An der Oberfläche ist die B. zwar einsichtig und möchte sich gesund ernähren, aber sie kann es nicht umsetzen, es ist eben eine Sucht. Ähnlich ist es übrigens auch mit finanziellen Sachen. Sie versteht, dass es einen EiWi gibt und warum, nutzt aber das Internet, um Bestellungen zu tätigen und sinnlose Verträge abzuschließen. Ich halte es für möglich, dass sich ihre Kauf- und Esssucht etwas verbessern könnte, wenn sie mehr Beschäftigung hätte. Eine Tagesbetreuung möchte ich erst anleiern, wenn sie geimpft ist, weil sie sie durch ihre Erkrankungen so ein hohes Risiko hat. Habt Ihr eine Idee dazu? LG Annegret |
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Ich versuche es einmal. Bei jeder Sucht steht zunächst die Frage des freien Willens im Raum. Meiner Ansicht nach verhindert letztlich der Suchtcharakter an sich überhaupt eine solche Frage aber es bleibt füpr das Gesetz der zentrale Dreh- und Angelpunkt. Du schreibst, die Betreute würde gerne aber "kann" nicht. Wäre da nicht an eine Unterbringung zu denken? (Ich kenne mich mit Apositas Null aus, keine Ahnung also ab wann das wirklich lebensbedrohlich ist/wird) Zitat:
Du solltest oder könntest das Problem ihr gegenüber mal auf den Punkt bringen denn ansonsten drehst du dich weiter mit ihr im Kreis. Entweder konkrete Änderungen und Einschnitte im Verhalten oder sie sieht an beiden Stellen einer Unterbringung entgegen. Den Einkauf von Süssigkeiten würde ich klar beschränken- manchmal muss man die Leute ernst, nämlich beim Wort nehmen. Einem Drogi lasse ich auch keinen Stoff einkaufen. Mag sein, dass es an mangelnder Beschäftigung liegt aber ich denke eher nicht. Das ginge in die Richtung der "Schuld"verlagerung im Stil von: wenn- dann.Lass dich auf solche Gedanken nicht ein. Das ist gegenüber einer Sucht kein ernst zu nehmendes Kriterium. Wenn es "das" nicht ist, dann wird etwas anderes gesucht. Fündig wird der Suchti immer. Der erste Schritt dagegen ist das Erlangen von offener und ehrlicher Krankheitseinsicht. Dem klaren Bewusstsein was man da - mit sich- veranstaltet. Auch an dem Punkt ist euer Verhalten hier kontraproduktiv. Solange sie "ihren Stoff" bekommt- warum etwas ändern? (Nicht persönlich als Kritik an deiner Arbeit zu verstehen bitte) |
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Es dreht sich nicht um Bonbons und Schokolade, sondern um Lebensmittel mit 'verstecktem' Zucker wie Limo, Actimel-Fläschchen etc. Aber z.B. auch Brot bestellt sie in großen Mengen. Ich habe auch versucht, sie 'beim Wort' zu nehmen. Wir hatten vereinbart, dass der Pflegedienst ihr hilft und nur gesunde Lebensmittel einkauft. In der Absicht, sich gesund zu ernähen, hat sie zugestimmt. Aber sie kann ihr Wort ja auch widerrufen - und das tut sie. Der freie Wille wurde in Bezug auf ihre Essstörung noch nicht untersucht. Aber angenommen, sie hätte ihn nicht (was ich für wahrscheinlich halte) - wer darf dann entscheiden, wie viel Acitmel eingekauft werden, oder ganz allgemein - wie viel sie essen darf? Über die Unterbringung und Zwangsbehandlung bei Magersucht gibt es viel Literatur. Aber zu Adipositas konnte ich in diesem Zusammenhang nichts finden. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, wie eine Zwangsbehandlung bei Adipositas aussehen solte. Man müsste sie ja für sehr lange Zeit auf Diät setzen. Der Personenkreis von Menschen mit Adipositas p.m. ist ja nicht winzig und oft liegt sicher eine Suchterkrankung zugrunde. Aber ich habe noch nie gehört oder gelesen, dass diese Personen zwangstherapiert werden. Ich weiß nicht, ob das ein medizinisches oder ein gesellschaftliches Problem ist. Zitat:
Bei einer Rehaklinik ist die Voraussetzung, dass man selbständig die Körperpflege hin bekommt. Das kann sie nicht. Zitat:
LG Annegret |
Adipositas bzw. Esssucht ist keine anerkannte Suchterkrankung, obschon Wissenschaftler Parallelen zu einer Suchterkrankung sehen.
Adipostas zählt als chronische Erkrankung. Zitat:
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In ähnlichen Fällen habe ich auch keine rechtliche Problematik gesehen. So habe ich eine (gemäßigte) Alkoholikerin, die alle Therapieangebote ablehnt und von einem Pflegedienst mitversorgt wird. Dazu gehörte anfangs auch der Einkauf. Dort bestellte sie vorwiegend Alkoholika. Der Pflegedienst erklärte klar und deutlich, dass er selbstverständlich bei Patienten für den gelegentlichen Verzehr auch mal eine Flasche Wein einkauft, dass man aber ihre Sucht als Pflegedienst nicht mit bedienen werde.
....Sie lässt sich den Alkohol nun von einem Bekannten besorgen, dagegen kann man nichts tun, das ist ihr gutes Recht. Aber weder der Pflegedienst noch ich helfen dabei, sie zu schädigen. |
P.S. Du schreibst, der Pflegedienst möchte die Einkäfe nach eigenem Ermessen gestalten. Das fände ich hier nicht so günstig. Wenn sie an ein Zentrum angebunden ist, kann ihr dann nicht ein Ernährungsplan erstellt werden, den man von ihr unterschreiben lässt, wo sie doch willig ist (auch mit zu vermeidendenen Lebensmitteln etc). Auf diesen von ihr unterschriebenen Plan könnte sich der Pflegedienst berufen - ohne weitere Diskussionen.
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1. Sie hat das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Sie hat auch das Recht, sich ungesund zu ernähren. 2. Die Grenze ist da, wo erhebliche Selbstgefährdung vorliegt UND sie ihren Willen nicht frei bestimmen kann. 3. Dann wäre eine Unterbringung mit Zwangsbehandlung erforderlich - Aber mit welchem Therapieziel? Sie kann ja keinen Entzug machen. 4. Eine ambulante Zwangsbehandlung ist nicht zulässig. Daher scheidet die Umsetzung eines Ernährungsplans gegen ihren Willen aus. Zitat:
Die Frage ist vielleicht, ob der Pflegedienst rechtlich verpflichtet ist, diese unvernünftigen Einkäufe zu tätigen. Aber wo ist die rechtliche Grenze? Muss er drei Brote pro Woche kaufen oder zwei oder nur eins? Sie ist auch in der Lage, sich übers Internet mit Lebensmitteln zu versorgen und das kann ich nur über den EIWI begrenzen, falls das ihr finanz. Budget sprengt. Zitat:
Es gibt auch therapeutische WGs für Menschen mit Esstörungen und auch ambulante Hilfen. Ausschlusskriterien sind Pflegebedürftigkeit, Immobilität und Pflegebedürftigkeit. |
Wir können die rechtliche Problematik auch anhand von Alkohol deklinieren. Das ist dazu mein Vorschlag:
1. Wenn ein Mensch seinen Willen frei bestimmen kann, dann kann er so viel Alkohol trinken wie er möchte. Er hat das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. 2. Wenn dieser Mensch (zu1) aus gesundheitlichen Gründen Hilfe beim Einkaufen benötigt, hat er eine Behinderung. 3. Behinderte Menschen haben das Recht auf Hilfe bei der Umsetzung eines selbstbestimmten Lebens. 4. Die gewünschte Unterstützung muss für den Dienstleister zumutbar sein. D.h., es ist vielleicht nicht zumutbar, 20 Kästen Bier in die Wohnung schleppen. Aber es wäre zumutbar, den behinderten Menschen dabei zu unterstützen, einen Getränkelieferdienst zu ordern, wenn er das aufgrund seiner Behinderung nicht sebst kann. 5. Eine moralische Bewertung ist keine Grundlage, behinderten Menschen die Unterstützung an einem selbstbestimmten Leben zu verweigern Wo ist der Haken, dass ich hier ein Problem sehe und ihr nicht? |
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Ich kann es hingegen verantworten wenn der Alki zu Hause verhindert ist sich selbst den Stoff zu besorgen, dass er nicht im kalten Entzug landet. Diese Grenzen lege ich fest (man könnte sich auch hinter dem Pflegedienst verstecken) da ich die Verantwortung trage. Der Betreuer soll weiterhin zuständig dafür sein die vorliegende Behinderung zu mildern, wenn möglich zu beheben. Wenn jemand ohne Arme und Beine geboren wurde ist der Auftrag klar. Wenn jemand Abhängigkeiten entwickelt hat ist es nicht besonders deutlich. Ohne Arme lässt sich nicht ändern, suchtähnliches Verhalten lässt sich zumindest versuchsweise ändern. Zitat:
Zur Selbstbestimmung gehört, in der Lage zu sein gegensätzliche Argumente abwägen zu können. Ich hatte bei meiner Antwort leider nicht im Kopf, dass Apositas nicht unter die (klassische) Sucht fällt. Zitat:
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Im Anschluss stellt sich die Frage, ob ich Lebensmitteleinkäufe mit dem EiWi verhindern dürfte, obwohl sie sich damit finanziell nicht schädigt. |
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