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Drehtürpsychiatrie als Arbeitsgrundlage?

Dies ist ein Beitrag zum Thema Drehtürpsychiatrie als Arbeitsgrundlage? im Unterforum Gesundheitssorge - Arzteinwilligungen - Krankenkasse , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Bei uns im Landkreis gibt es eine Psychiatrie die sich scheinbar zu einem sehr zweifelhaften Ruf aufschwingen möchte. (Träger ist ...


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Alt 01.07.2021, 08:57   #1
ehem. Admin / Berufsbetreuerin
 
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Bei uns im Landkreis gibt es eine Psychiatrie die sich scheinbar zu einem sehr zweifelhaften Ruf aufschwingen möchte. (Träger ist der LWV) Es handelt sich damit um einen sehr grossen, bundesweit bekannten Träger.

Dort werden Menschen mit dringendem Behandlungsbedarf, Attest und teilweise sogar Beschluss für 4 bis 6 Wochen, zwar aufgenommen aber offensichtlich am nächsten Tag wieder entlassen. Das wiederholt sich dermassen bzw. solche diese Etlassungen häufen sich derart, dass ein Gespräch zwischen zwei Richtern von uns, der Klinikleitung und zuständigen Oberärztin sowie zwei Betreuern ein Lösungsgespräch vereinbart und durchgeführt wurde.

Davon ab, Betreuer haben dort in der Regel sowieso immer ganz schlechte Karten. Entlassungen, Verlegungen usw. werden diesen so gut wie nie mitgeteilt, Atteste bekommt der Betreuer nicht in zu Gesicht, die werden "natürlich" nur dem Gericht zugeschickt usw. usw.
Aber zurück zum Inhalt des Krisengesprächs.

Die Oberärztin vertrat dabei die Meinung, dass Unterbringungen gegen den Willen (das Thema freier Wille wurde wohl aus allgemeiner Zeitnot völlig ausgespart) absolut sinnlos seien. Der betroffene Mensch muss zunächst selbst zu Erkenntnissen gelangen- das erreiche man nur durch das Spiel (in meinen Augen): Aufnahme- Entlassung- Aufnahme usw.

Man fühlt sich zurückversetzt in die 60er Jahre der Halbgötter in Weiss
Das Gericht hat als Reaktion auf diese "Quintessenz" angekündigt demnächst dritte Atteste/Gutachten einzuholen die die Klinikentlassungen einer kritischen Prüfung unterziehen sollen.
Was für eine Zeit und Geldverschwenung- aber besser wie nix und wenn es nicht anders geht - immerhin.

In dem Gesamtzusammenhang bin ich heute morgen auf einen Artikel gestossen
https://www.watson.de/leben/exklusiv...-taeter-toeten
der das Ganze nochmal (teilweise) aus einem anderen Aspekt heraus beleuchtet. Soweit erinnerlich waren bei fast allen Anschlägen Personen beteiligt die sich zuvor teilweise in psychiatrischer Behandlung befunden hatten. Ob diese als abgeschlossen galten oder abgebrochen, war nicht in Erfahrung zu bringen. Es wäre ein spannendes Thema das näher zu beleuchten.

Evtl. ist dieser Bogen noch zu weit gegriffen (im Zusammenhang mit dem Konfliktlösungsgespräch) aber ich denke dennoch, dass einige Kliniken die Zeichen der Zeit bewusst verkennen und sich ihrer Verantwortung erst wieder bewusst werden wenn es allgemein zu spät sein könnte.

Es scheinen oder werden nicht nur im Hinblick auf die Reform sondern auch allgemein gedacht wirklich noch härtere Zeiten auf Betreuer zuzukommen oder?
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Alt 01.07.2021, 09:53   #2
Stammgast
 
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Moin,

spannendes Thema, wichtig, wie auch ärztliche Behandlung, Gesundheitsfürsorge insgesamt. Einiges trifft auch für meinen Bereich hier zu (Atteste, mangelnde Transparenzusw.), allerdings die von Dir beschriebene "Drehtür" glücklicherweise (noch) nicht.

Den Artikel, in dem der Psychologe Mansour (macht m.E. auch in anderen Fragestellungen oft gute und schlüssige Aussagen) zu Wort kommt, beschreibt naklar extreme Einzelfälle. Die meisten psychisch Erkrankten neigen ja nicht in letzter Konsequenz zu derartiger Gewalt. Aber es gibt natürlich immer wieder Fälle, in denen das Ganze eskaliert. Interessant dazu auch, ich schrieb es an anderer Stelle ("Zusammenarbeit Polizei"), das aktuelle Projekt "Periskop" in NRW, in dem sich verschiedene Akteure vereinen, m.E. mittelfristig, nach ersten Erfahrungen, sicherlich auch etwas, um das Betreuungswesen einzubeziehen.

https://www1.wdr.de/nachrichten/west...efeld-100.html

https://www.tagesschau.de/investigat...nnung-101.html


Die Klinik in Deinem Fall riskiert natürlich sowohl zivil- als auch strafrechtliche Haftung, wenn sie wie beschrieben agiert...aber meist geht (glücklicherweise) halt alles gut. Und im Zweifelsfall konnte man es ansonsten nicht absehen, alles war schließlich "gut"...

Die Argumentation hinsichtlich der Beförderung einer gewünschten "Selbsterkenntnis" bei den Klienten/Patienten zeugt dann doch sehr von mangelnder Kenntnis des Betreuungs- und Unterbringungsrechts auf ärztlicher Seite/Klinikseite, vermutlich darüber hinaus auch von mangelndem fachlichen Einordnungsvermögen. Genau diese "Selbsterkenntnis" kann i.d.R. ja eben gerade beim psychisch erkrankten Betreuten bei vorliegender Notwendigkeit einer geschlossenen Unterbringung gegen den Willen (und eben nicht gegen den rechtlich wirksamen Willen, da ein solcher nicht generiert werden kann) oftmals nicht erreicht werden. Im Ergebnis total unschlüssige Argumentationskette, aber das schriebst Du ja sinngemäß auch bereits. Vielleicht (gehäufte) Einzelfälle falsch informierter Ärzte in Deinem Bereich? Das Problem gibt es ja in anderer Form auch ständig im Kontext ärztliche Behandlung, Klinikbehandlung und eben auch psychiatrische Behandlung usw. Ärzte sind nach meiner Erfahrung selten auf einem guten "rechtlichen Level", Gleiches gilt für medizinisches Fachpersonal, Pflege usf.

Außer Gesprächsbedarf unter den Akteuren sehe ich zunächst keine Handlungsmöglichkeiten. KV ggf. noch mit einbeziehen? Oder werden die eher "amused" sein über dieses (jedenfalls kurzfristig) kostensparende Vorgehen?

Zitat:
sich ihrer Verantwortung erst wieder bewusst werden wenn es allgemein zu spät sein könnte.
Tja, das große Problem präventiver Arbeit...ich glaube, dass sich der menschliche Verstand da nicht anders drauf einstellen kann, actio et reactio...und auch immer erst dann, wenn es (wieder einmal oder wieder einmal fast) zu spät ist.

Zitat:
noch härtere Zeiten auf Betreuer zuzukommen oder?
So oder so: Ja, denke ich schon, betrachtet man die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen. Also: Im September (auch) sozial wählen...

Und der Gedanke der weiter zu befördernden unterstützten Entscheidungsfindung unter dem Primat der (vermeintlichen?) Selbstbestimmtheit wird die von Dir geschilderte Problematik eher befördern befürchte ich, auch für weitere Verunsicherung auf u.a. ärztlicher Seite sorgen...es sei denn das "rechtliche Level" dort würde erhöht und an sich ändernde rechtliche Voraussetzungen bzw. Grundgedanken angeglichen. Ich vermute, das wird aus verschiedenen Gründen nicht der Fall sein...im Ergebnis wird es diesbezüglich wohl nicht besser werden.

Bitte nicht falsch verstehen, ich halte viel von Autonomie, Selbstbestimmtheit! Sonst gäbe es ja gar kein (zivilrechtliches) Betreuungswesen. Nur die, von manchmal lebensfremden Vorstellungen geprägten, gesetzlichen Ausprägungen und der dadurch (zu weite) Auslegungsspielraum bei den unterschiedlichsten Akteuren sorgt für zu viele Vorgehens- und Sichtweisen, letztlich für ein (zu) unheitliches Handeln der verschiedenen Beteiligten im Betreuungswesen. Wie vermutlich in dem "Drehtür-Bsp.". Meine Sicht, ist auch klar.


Grüße von Florian

Geändert von Florian (01.07.2021 um 10:10 Uhr)
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Alt 01.07.2021, 10:28   #3
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Zitat:
Die Argumentation hinsichtlich der Beförderung einer gewünschten "Selbsterkenntnis" bei den Klienten/Patienten zeugt dann doch sehr von mangelnder Kenntnis des Betreuungs- und Unterbringungsrechts auf ärztlicher Seite/Klinikseite, vermutlich darüber hinaus auch von mangelndem fachlichen Einordnungsvermögen.

Hallo Florian, schön wie und dass du meinen Faden aufgenommen hast
Da sassen zwei langährige und versierte Richter mit im Gespräch. Die blieben beileibe nicht stumm wenn es um die Kenntnisse im Betreuungrecht ging! Daran kann es nicht gelegen haben.


Zitat:
Vielleicht (gehäufte) Einzelfälle falsch informierter Ärzte in Deinem Bereich?
Davon ist mit absolueter Sicherheit nicht auszugehen, der beschriebe Konflikt schwelt in dieser Klinik schon länger.

Wenn ich bösartig wäre - was ich manchmal bin oder mich dazu gedrängt fühle- würde ich sagen: das beschriebene Vorgehen hat dort regelrecht Methode.


Ich war zwar bei dem Gespräch nicht dabei, bin "Fallmässig" auch überhaupt selbst nicht involviert aber weiss vom Kollegen, dass es dort zuvor bereits massenhaft einzelne richterliche Interventionsbemühungen gab. Es fällt ja nicht vom Himmel und geschieht nicht aus mangelnder Arbeit das gleich zwei Richter versuchen die grundsätzlichen Schwierigkeiten dort aus dem Weg zu räumen.
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Alt 01.07.2021, 11:05   #4
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Ich würde mal spekulieren und sagen, der verantwortliche Arzt ist ein Vertreter der Antipsychiatriebewegung, und zwar der massiven Art, wenn eigentlich überhaupt keine Therapiebemühungen getätigt werden und die Probleme auf alle anderen In diesem Staat verschoben werden. Ist ja wie bei Pontius Pilatus. Wundere mich, dass der überhaupt noch eine Approbation besitzt. Aber wahrscheinlich ist das Krankenhaus ungemein preiswert und hat auch bei den restlichen - freiwilligen - Patienten eine gute Erfolgsquote, was ja kein Wunder wäre, wenn man alle Schwierigen gleich wieder entlässt.

Als Betreuer kann man sich da eigentlich jeden Arbeitsaufwand sparen. Und was sagt der SpDi dazu? Bei einer PsychKG-Unterbringung dürfte die fixe Entlassung doch nicht so einfach sein?
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Mit vielen Grüßen
Horst Deinert

Weitere Infos:

https://www.lexikon-betreuungsrecht.de
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Alt 01.07.2021, 11:22   #5
ehem. Admin / Berufsbetreuerin
 
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Zitat:
Ich würde mal spekulieren und sagen, der verantwortliche Arzt ist ein Vertreter der Antipsychiatriebewegung, und zwar der massiven Art, wenn eigentlich überhaupt keine Therapiebemühungen getätigt werden und die Probleme auf alle anderen In diesem Staat verschoben werden.

Nur zur Info: für die Antipsychiatriebewegung ist sie dem Hörensagen nach viel zu jung.


Zitat:
Als Betreuer kann man sich da eigentlich jeden Arbeitsaufwand sparen.
Wenn das denn wirklich ginge.... was nicht der Fall ist. Jetzt die Lösungsversuche abzubrechen wegen inhaltlicher Hartleibigkeik wäre in meinen Augen der falsche Ansatz.
Zumal die Richter auch "weitermachen werden". Das Thema ist auch von dieser Stelle noch nicht "durch".


Zitat:
Und was sagt der SpDi dazu? Bei einer PsychKG-Unterbringung dürfte die fixe Entlassung doch nicht so einfach sein?
Keine Ahnung, davon hat der Kollege nichts berichtet zumal wir hier bei uns (auch in der Stadt) eher weniger Unterbringungen durch den SpDi haben.
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Alt 01.07.2021, 12:20   #6
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Es gibt da eine Klinik (auch in Hessen) die den gleichen Ruf hat. Dort allerdings nicht wegen der Einstellung der Ärzte, sondern wegen chronischer Überfüllung. Die Klinik ist wohl das ganze Jahr über mit teilweise 120 Prozent vollkommen überbelegt, bis zu 10 Patienten pro Station (!) müssen auf dem Flur schlafen weil keine Zimmer mehr frei sind und können dann z. B. nicht duschen und werden am nächsten Tag völlig ungewaschen aus der Psychiatrie entlassen. Auch dort werden Beschlüsse usw. einfach ignoriert, man sitzt nur die 24-Stunden-Frist ab und wirft dann die Patienten hochkant raus. Entlassungsbrief gibt es teilweise erst nach Monaten und erst nach Einschaltung eines Anwalts.


Ist eigentlich auch ein absolutes Unding. Offiziell heißt es von der Klinik, wir sind überfüllt, wir können nicht anders, wenn wir nicht in der Pflichtversorgung wären würden wir die Patienten von vornherein wegen Überfüllung abweisen. Da kann ich nur den Kopf schütteln.
Pichilemu ist offline  
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Alt 03.07.2021, 00:16   #7
Forums-Geselle
 
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Zitat:
Zitat von michaela mohr Beitrag anzeigen
Die Oberärztin vertrat dabei die Meinung, dass Unterbringungen gegen den Willen (das Thema freier Wille wurde wohl aus allgemeiner Zeitnot völlig ausgespart) absolut sinnlos seien. Der betroffene Mensch muss zunächst selbst zu Erkenntnissen gelangen- das erreiche man nur durch das Spiel (in meinen Augen): Aufnahme- Entlassung- Aufnahme usw.

Boah, wie blöd kann der Mensch sein..??

Das ist das gleiche, wenn ein Sozpäd. sagt "Man muss den Klienten da abholen, wo er steht.. wenn er nicht will, dann halt nicht.."

Schon klar, dass man z. B. Süchtige kaum therapieren kann, wenn sie nicht einen Funken Erkenntnis und Willen dazu haben, aber Psychotiker?? Da können mal locker 3 - 6 Wochen ins Land gehen. Sorry, ich bin echt fassungslos.. und hoffe, die Richter bleiben hartnäckig!

Ich erinnere mich, dass bei uns folgendes gezogen hat: angeblich geschlossene Klinik ist bekannt für "Tag der offenen Tür". Betreute Person ist psychotisch und untergebracht. Sie entweicht von der geschlossenen Station - wie auch immer. Bis sie zurück geführt werden kann, entsteht Sach- und Personenschaden (Spiegel am Auto abgetreten, Nachbarn geohrfeigt). Betreuerin droht Klage an wegen Verletzung der Sorgfalts- und Aufsichtspflicht und will Schadenersatz, da die Betreute ja Schäden nur verursachen konnte, weil sie trotz Beschluss draußen war. Urplötzlich große Wallung, Chefarzt, Patientenbeauftragter, Hinz & Kunz werden hektisch. Seither: Tag der offenen Tür ist abgestellt. (Klage wurde dann nich eingereicht, da Nachbar nicht angezeigt hat und der Spiegel leicht zu ersetzen war.)

Geändert von HorstD (03.07.2021 um 12:27 Uhr)
Forenfuchs ist offline  
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Alt 03.07.2021, 10:41   #8
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Benutzerbild von Imre Holocher
 
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Moin moin


Sofern das nur das Verhalten einzelner Ärzt*innen eines Krankenhauses ist, kannst Du Dich an die Chefabteilung und/oder auch die Besuchskommission wenden.

Sonst wird es schwierig. Geht aber auch, hängt aber nicht nur von Dir sondern auch Deinen Kolleg*innen mit ab.


Das in meinem Revier zuständige psychiatrische Krankenhaus hatte mal einen Chef, der ähnliche Allüren hatte: Tolles Krankenhaus, alles Freiwillig und bloß kein Zwang... ...und Betreuer interessieren überhaupt nicht.

Das Ergebnis war einfach verheerend. Eine Zusammenarbeit zwischen Betreuern und dem Krankenhaus war unmöglich. Die Spitze des Eisberges waren sieben Suizide von geschlossen untergebrachten Betreuten innerhalb eines Monats. Drei davon haben Die Bahn gewählt, die nicht durch das Klinikgelände fährt.
Wir haben uns als Betreuer*innen des Gerichtsbezirkes zusammengetan und gemeinsam einen Brief an die Krankenhausleitung, an die oberste Geschäftsleitung der Krankenhausbetreiber und die Besuchskommission geschrieben, in dem minutiös die Verfehlungen aufgeführt waren.

Die Betreiber des Krankenhauses haben mit der Androhung von Gerichtsverfahren versucht uns zum Schweigen zu bringen. Der Landkreis hat als Unterstützer zwar ganz schnell seinen Schwnaz eingezogen, aber wir haben als Betreuer ganz schnell klar gemacht, dass wir nicht nachgeben werden.

Ergebnis: Der Chefarzt wurde verabschiedet und der neue komissarische Leiter hat sich mit uns zusammengesetzt, um die zukünftige Zusammenarbeit besser zu gestalten.

Seit dem läuft es gut.


MfG


Imre
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Fehler sind dazu da, um sie zu machen
und daraus zu lernen.
Fehler sind nicht dazu da, sie dauernd zu wiederholen.
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Alt 03.07.2021, 10:53   #9
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Puh.... vielleicht oder hoffentlich habe ich gerade nur eine schlechte Phase im Moment aber wenn ich gerade hier bei uns im Forum mitkriege wie viele unbedingt auf den "Betreuungsmarkt" drängen verschieben sich langsam meine Einschätzungen,dass das eine gute Entscheidung für die nächsten 20 Jahre sein könnte.

Wir sind in diesem Teil des Forums ja im Bereich Situation der BetreuerInnen und dehalb erlaube ich mir eine Art von Rückschau. Vor ca 5 Jahren gab es hier im Forum eine starke "Fragezeit", warum will man Betreuer werden, was spricht dafür und was dagegen? Die Antworten waren in meiner Erinnerung: schwieriger aber spannender Job aber auch insgesamt ein toller Job!
Da war ich auch (noch) dabei mit derselben Einschätzung.

Ich sammle jetzt mal die Neuerungen/Veränderungen dazu:
Zusammenarbeit mit dem Gericht- steht hauptsächlich unter dem grossen Stern der allgemeinen Überlastung bis fast hin zu Überforderungen. Neulich habe ich mich wegen meinem Ärger über extrem lange Bearbeitungszeiten von KiKi Anträgen beim Gerichtspräsident höschtselbst beschwert und wieder um vernünftige Personalausstattung gebeten. Antwort: natürlich nett und verständnisvoll für meinen Ärger, Zusagen -eher Vertröstung auf den Herbst wegen nötiger Einarbeitungszeiten. Also nix mit konkreter jetzt sofort spürbarer Veränderung.

Aus der Haftung entlassen hat er mich auch nicht.
(Wobei ich mich über unser "Gericht" wirklich im Grossen nicht beschweren kann, da haben wir es im Gegensatz zu anderen Kollegen noch wirklich richtig gut. Siehe Eingangsthread!)

Nächster Punkt: die entlastenden Dienste auf die wir angewiesen sind.
Beispiel:
Zitat:
Das ist das gleiche, wenn ein Sozpäd. sagt "Man muss den Klienten da abholen, wo er steht.. wenn er nicht will, dann halt nicht.."
Den Satz würden inzwischen viele BeWo´s hier sofort in absoluter Ernsthaftigkeit unterschreiben. Altersbedingt sind inzwischen viele "alte" und in meinen Augen noch ordentlich ausgebildete SozPäd`s /Sozialarbeiter aus dem Dienst verschwunden. Von den Neuen hört und liest man teilweise sogar und den IBRP`s nur noch: Entlastungsgespräche führen.
??????
Hier im Forum erfolgt bei Alltagsproblemen fast stereotyp der Rat, BeWo organisieren.
Bringt das wirklich was bei den o.g. Bedingungen an Entlastung für uns oder müssen wir nicht letztlich auch noch viel Energie aufwenden um ein BeWo zum "gewohnten" Arbeiten zu bringen?

Die psychiatrischen Kliniken und die ärztliche Versorgung
siehe ebenfalls den Eingangsthread und die vielen ähnlichen Beiträge dazu, gepaart mit allgemeiner Ratlosigkeit. Hier haben z.B. zwei Hausärzte aus Altersgründen die Praxen geschlossen (und natürlich keinen Nachfolger gefunden) Ergebnis: 1/3el meiner Kundschaft zusammen mit mir rennt in der Gegend rum und sucht händeringend wenigsten irgendeinen Hausarzt.
Der Eingangsthead ist/scheint nur die Spitze des Eisbergs, das von Forenfuchs genannte Beispiel kennen wir alle sowieso zur Genüge.

Bisher sagte ich dazu immer: reden, in den Dialog gehen in der Hoffnung damit Änderungen zu erreichen. Manchmal schleicht sich inzwischen dazu der Gedanke ein: warum eigentlich ich?

Das ist dann auch der zentrale Punkt:
warum sollen/müssen/können ausgerechnet wir an allen Fronten und zusätzlich noch tätig sein damit der eigene Laden laufen kann und das nicht nur mal gerade so, sondern gut für unseren eigenen Qualitätsanspruch?

Dazu fällt mir gerade ein und auf: wo finden oder fanden die genannten zusätzlichen Anorderungen an uns als Betreuer eigentlich einen realistischen Widerhall in der neuen Reform?

Gute Güte, nirgendwo! Aber was habe ich da auch erwartet?
Vielleicht liegt die "Rettung" im Rat von Florian
Zitat:
Ja, denke ich schon, betrachtet man die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen. Also: Im September (auch) sozial wählen...
Aber wen denn? (Nein, ich möchte hier keine Wahlkampfdiskussion eröffen!)
Es geht mir hier auch nicht um den grossen, allgemein gehaltenen und allseits beliebten Jammerthread sondern ein nochmaliges ehrliches Draufschauen ob die Tätigkeit als BB wirklich noch als zufriedenstellende Perspektive für die nächsten 15 Jahre angsehen werden kann?

PS: Nein, ich bin mitnichten eine ewig Gestrige bei der früher alles besser war aber irgendwas treibt mich an nnochmal neu zu definieren wo ich inhaltlich stehe oder hingestellt werden soll!?
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michaela mohr ist offline  
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Alt 03.07.2021, 11:59   #10
Routinier
 
Registriert seit: 29.10.2018
Beiträge: 1,225
Standard

Zitat:
Zitat von michaela mohr Beitrag anzeigen
Hier im Forum erfolgt bei Alltagsproblemen fast stereotyp der Rat, BeWo organisieren.
Bringt das wirklich was bei den o.g. Bedingungen an Entlastung für uns oder müssen wir nicht letztlich auch noch viel Energie aufwenden um ein BeWo zum "gewohnten" Arbeiten zu bringen?
Ein BeWo ist nur so gut wie seine Mitarbeiter. Erfahrungsgemäß ist gerade in ländlichen Gegenden, wo es nur den einen Anbieter gibt, der keinerlei Konkurrenz zu befürchten hat, das BeWo meistens grottenschlecht und völlig unterirdisch - eben weil die Betreiber wissen, dass sie damit durchkommen, denn die Kunden haben ja keinerlei Alternative. Und das Sozialamt zahlt brav, egal wie gut (oder schlecht) das BeWo ist, Qualitätsprüfungen wie sie in Pflegeheimen längst üblich sind gibt es für BeWo noch nicht (ob sie viel bringen würden angesichts der Zustände in unseren Pflegeheimen darf allerdings bezweifelt werden...)



Auch ist die Abgrenzung zwischen BeWo und rechtlicher Betreuung - trotz zahlreicher höchstinstanzlicher Urteile - immer noch nicht in allen Amtsstuben geklärt. Zu häufig wird der schwarze Peter immer noch zwischen BeWo und Betreuer hin und her geschoben und am Ende leidet nur einer nämlich der Betreute.


Zitat:
Zitat von michaela mohr Beitrag anzeigen
Hier haben z.B. zwei Hausärzte aus Altersgründen die Praxen geschlossen (und natürlich keinen Nachfolger gefunden) Ergebnis: 1/3el meiner Kundschaft zusammen mit mir rennt in der Gegend rum und sucht händeringend wenigsten irgendeinen Hausarzt.
Unabhängig davon dass es in Deutschland wirklich einen Ärztemangel gibt, wäre es bereits geholfen wenn die Digitalisierung auch im Gesundheitswesen ankommen würde. In anderen Ländern ist es Gang und Gäbe dass der Arzt das Rezept elektronisch an die Apotheke übermittelt wo man seine Medikamente direkt abholen kann. Bei uns war das Thema elektronische Gesundheitskarte mal vor vielen Jahren in aller Munde, passiert ist genau nichts. Man muss als Patient immer noch höchstpersönlich zum Arzt und sich sein Rezept in Papierform abstempeln lassen und mitnehmen. Müsste der Arzt nicht wertvolle Zeit für diese Patienten aufwenden, wäre damit schon viel geholfen.


Gerade bei den Psychotherapeuten soll der Mangel aber richtig dramatisch sein, weil wohl viele Psychotherapeuten ausgeschieden ist, kaum Nachwuchs kommt und die Leute (u. a. covid-bedingt) immer kränker werden. Teilweise ist es kaum noch möglich überhaupt innerhalb der nächsten sechs Monate einen Therapieplatz zu bekommen und selbst dann muss noch die Chemie stimmen, das ist auch nicht immer der Fall.
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