Dies ist ein Beitrag zum Thema Anfechtung von Rechtshandlungen vor der Betreuung im Unterforum Beiträge zu Rechtsfragen bis 2015 , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Hallo allerseits,
dieser Thread war ja anscheinend sehr lange still, aber jetzt habe ich ein ähnliches Problem:
Bei meiner Betreuten, ...
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23.05.2014, 13:17 | #1 |
Ich bin neu hier
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Beiträge: 3
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Anfechtung von Rechtshandlungen vor der Betreuung
Hallo allerseits,
dieser Thread war ja anscheinend sehr lange still, aber jetzt habe ich ein ähnliches Problem: Bei meiner Betreuten, nennen wir sie Anna, ist kürzlich eine "Altlast" aus dem Jahre 2006 aufgetaucht: Sie hatte für einen damaligen Freund, zu dem sie in einem Abhängigkeitsverhältnis stand, eine sofort vollstreckbare Bürgschaft - notariell beglaubigt - über einen hohen Geldbetrag unterschrieben. (Kopie liegt mir vor) Nun, nach 8 Jahren, möchte der Gläubiger des Geldes dieses zurück, der "Freund" von damals ist keiner mehr, weswegen der Gläubiger aus der rechtskräftigen Urkunde nun gegen Anna vorgehen möchte. Sie selbst kann sich an keinen Notarbesuch erinnern, was auch gut mit ihrem Krankheitsbild einer dissoziativen / multiplen Identitätsstörung und der Belastung, die die damalige Zeit für sie darstellte, einhergeht. Ich habe mittlerweile zwei Gutachen von Psychologin und Psychiater besorgt, die bestätigen, dass Anna unter diesem Krankheitsbild leidet bzw. litt, dass solcherart Gedächtnislücken zum Krankheitsbild gehören und dass die Krankheit sich über viele Jahre entwickelt, so dass Anna, obwohl sie erst seit 2008 bei diesen in Behandlung und die Krankheit schriftlich diagnostiziert ist, auch 2006 schon darunter litt. Nun ist der Plan, diese Urkunde anzufechten. Und hier kommen wir zu dem Problem: Die Anfechtungsfrist ist natürlich längst abgelaufen. Ich als Betreuer habe erst im März, auf die Anfrage dieser Person hin, von der Sache erfahren. Anna hat offensichtlich in einer dissoziativen Episode unterschrieben, weswegen ihr wie gesagt jede Erinnerung an einen Notarbesuch fehlt. Gibt es die Möglichkeit einzuwenden, dass die Frist erst ab _meiner_ Kenntnis als Betreuer läuft? Sonst hätten Menschen mit psychischen Erkrankungen, die Gedächtnislücken beinhalten, ja nie die Chance, sich zu verteidigen: Wie sollen sie eine Anfechtungsfrist einhalten, wenn sie sich nicht an den Vorgang erinnern können? Hat jemand Erfahrung mit Anfechtungen von so lange zurückliegenden Rechtsgeschäften? Fälle wie dieser bezüglich Altlasten von vor der Betreuung müssten doch eigentlich häufiger vorkommen... Wir sind euch für jeden Rat dankbar! Liebe Grüße von David |
23.05.2014, 22:36 | #2 |
ehem. Admin / Berufsbetreuerin
Registriert seit: 22.08.2005
Ort: Darmstadt
Beiträge: 14,097
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zwei Sachen fallen mir dazu ein, allerdings ohne jede Gewähr:
Geschäftigsunfähigkeiit attestieren lassen und/oder evtl. den Notar angehen der sich ja von der geistigen Gesundheit seiner Kunden überzeugen muss bevor er protokollieren darf.
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diese kommunikation wurde im rahmen der überwachungsgesetze auf ihre kosten dauerhaft gespeichert und wird jederzeit weltweit gegen sie verwendet werden. danke für ihre kooperation. |
23.05.2014, 23:20 | #3 |
Routinier
Registriert seit: 07.03.2011
Beiträge: 1,393
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Hallo,
Du musst diese Erklärung so oder so ersteinmal gegenüber dem Gläubiger wegen Geschäftsunfähig anfechten. Mal schauen, ob er dann überhaupt den Einwand erhebt, daß hier Fristen verstrichen sind. Wenn die Schuldnerin schon 2006 geschäftsunfähig war , ist fraglich, ob da schon Fristen laufen konnten . Droh dem Gläubiger eine Vollstreckungsgegenklage für den Fall an, daß er aus einer vollstreckbaren Ausfertigung die Zwangsvoll-streckung betreiben will. Soweit mal der formelleTeil. Deine Betreute muß den Beweis führen, daß sie bezüglich der konkreten Abgabe der Willenserklärung geschäftsunfähig war . Sie für die Behauptung ihrer Geschäftsunfähigkeit beweispflichtig. Die Krankheit oder Behinderung muß die konkrete Folge haben , daß sie diese Erklärung abgegeben hat, die sie bei vollem Verstand nicht abgegeben hätte. Der Notar wird mit Sicherheit erklären, daß er keine Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit bemerkt hat, da er ja sonst nicht beurkundet hätte. Dafür daß der Notar Zweifel an der Geschäftsfähigkeit haben muß, braucht es schon bestimmte Anhaltspunkte wie auffälliges Verhalten, Anzeichen für Demenz, Kommunikationsschwierigkeiten, Verständnisschwierigkeiten. Bei einer Bürgschaftserklärung gehe ich mal davon aus, daß ein Notar üblicherweise den Bürgen als juristischen Laien besonders über die Risiken belehrt. Der Umstand, daß sich jemand nicht an für ihn ungünstige , eigene Handlungen erinnern kann , ist jetzt nicht eine Folge einer psychischen Erkrankung. Zum Beweis der Geschäftsführung ist im Zivilverfahren als Beweismittel die Erholung eines Sachverständigengutachtens und gegebenenfalls auch die Einvernahme der behandelnden Ärzte anzu bieten. Anknüpfungspunkte für diese Gutachten wären die Befunde der Ärzte, die erst ab 2008 vorliegen . Fraglich ist, ob sich die damals schon mit der Frage der Geschäftsfähigkeit beschäftigt haben. Und dann ist die Frage , ob eine zwingende Aussage möglich ist, daß diese Geschäftsunfähigkeit mit Sicherheit schon 2 Jahre vorher vorgelegen hat. In der Betreuungspraxis läuft ja eher so, daß der Gutachter im Betreuungsverfahren im März eine Demenz mit Geschäftsunfähigkeit diagnostiziert und erklärt, daß deswegen die Geschäftsunfähigkeit auch bei Erstellung einer Vollmacht Ende Dezember auch schon vorlag. Als Anwalt der Gegenseite würde ich auf den Vortrag, daß Geschäftsunfähigkeit klassische Folge dieses Krankheitsbildes ist, mal fragen, seit wann es denn die Betreuung gibt, denn da müssten ja in der Vorgeschichte viele vergleichbare Geschichten gelaufen sein, bei denen dei Schuldnerin unsinnige Rechtsgeschäfte abgeschlossen hat. Vielleicht erstellt ja ein Gutachter, der nicht behandelnder Arzt ist ein entsprechendes Privatgutachten, das du dem Gläubiger vorlegen kannst, auf daß er in Hinblick auf das Prozeßkostenrisiko die Lust am vollstrecken verliert. fwu |
24.05.2014, 12:23 | #4 | |
Ich bin neu hier
Registriert seit: 22.05.2014
Beiträge: 3
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Vielen Dank für euren Input soweit!
Zitat:
Wie auch immer, ich grüble jetzt erstmal über die erwähnten Möglichkeiten nach. Der Gläubiger könnte sich evtl. auch mit einer Einmalzahlung in gewisser Höhe zufrieden geben - Auch wenn ich diesem $%&, der die Umstände damals genau kannte, eigentlich keinen roten Heller zahlen möchte. |
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24.05.2014, 13:40 | #5 |
Admin/Berufsbetreuer
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Beiträge: 8,590
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Moin David
Versuche es ao, wie die anderen es vorgeschlagen haben. Vielleicht hast Du Glück. Bei Menschen mit dissoziativen Störungen bzwl multiplen Persönlichkeiten gehen die Fachmeinungen reichlich auseinander: Es gibt durchaus berechtigte Positionen, dass eine derartige Krankheit nicht(!) als psychische Krankheit anzusehen ist, bei der es zu psychoseartigen Wahnvorstellungen kommen muss. Es stecken nur mehrere Personen in einem Menschen drin und diese Personen können - auch wenn sie nichts oder nicht viel voneinander wissen - durchaus für sich vernünftig handeln. D.h. in der Innenansicht sind (bzw. müssen) die verschiedenen Persönlichkeitsanteile nicht unbedingt psychisch krank (sein). Von aussen gesehen wirken sie aber so, weil ja körperlich nur ein Mensch gesehen wird, der sich unterschiedlich verhält - und deshalb für psychisch krank gehalten wird. MfG Imre
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Fehler sind dazu da, um sie zu machen und daraus zu lernen. Fehler sind nicht dazu da, sie dauernd zu wiederholen. |
24.05.2014, 22:22 | #6 |
Forums-Geselle
Registriert seit: 13.05.2014
Ort: Hamburg
Beiträge: 77
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Fristen? Von welchen Fristen redet Ihr hier denn, verehrte Kolleginnen und Kollegen? Die Willenserklärungen eines Geschäftsunfähigen sind nichtig, waren immer nichtig, bleiben nichtig. § 105 Abs. 1 BGB. Und sie bleiben auch nichtig, wenn sie notariell beurkundet, vor dem Pabst geschworen, mit Blutsbrüderschaft besiegelt, in den Schnee gepinkelt oder mit Vodka begossen wurden.
Soviel zum Punkt Recht haben. Jetzt zum Punkt Recht bekommen: Du musst beweisen, dass Deine Betreute zum Zeitpunkt der Beurkundung geschäftsunfähig war. Der Beweis wird Dir aber nicht gelingen, wenn die ersten Arztberichte erst zwei Jahre später erstellt wurden. Kein Gutachter dieser (Gerichts-)Welt wird im Jahre 2014 aus Basis ärztlicher Gutachten aus dem Jahre 2008 bescheinigen, dass jemand 2006 geschäftsunfäig war. Auch Punkt. Hat Deine Betreute denn etwas Geld? Falls sie auf SGB II oder XII ist, läuft eine etwaige Zwangsvollstreckung eh ins Leere. Falls sie etwas Geld hat, würde ich unter mächtigem Drücken auf die Tränendrüse versuchen einen Vergelich bei 50% der Bürgschaftssumme herauszuhandeln. |
25.05.2014, 06:57 | #7 | |
ehem. Admin / Berufsbetreuerin
Registriert seit: 22.08.2005
Ort: Darmstadt
Beiträge: 14,097
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Zitat:
Bevor es darüber Diskusionen gibt.... zur Rückabwicklung eines absolut irrsinnigen Hauskaufs habe ich mittels einem solchen "zurückliegenden, schlussfolgernden" Gutachten die komplette Rückabwicklung der damaligen Handlung, einschliesslich der bereits geflossenen Gelder erreichen können. Auch kommt`s wie so oft auf den Einzelfall an.
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25.05.2014, 11:45 | #8 | |
Ich bin neu hier
Registriert seit: 22.05.2014
Beiträge: 3
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Zitat:
Anna hat mittlerweile ein kleines Einkommen, dass leider etwas über dem Selbstbehalt bei Zwangsvollstreckung liegt. Der Gläubiger hat inzwischen selbst Schulden und wird (bzw, laut seiner Aussage darf) sich daher nicht mit bloßen Drohungen oder Tränen abspeisen lassen. Es wird also heißen: Prozess oder Vergleich (für den Anna einen Kredit aufnehmen müsste). |
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