Dies ist ein Beitrag zum Thema "Sturzdokumentation" im Heim - Sedierung bei Demenz im Unterforum Gesundheitssorge - Arzteinwilligungen - Krankenkasse , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Liebe KollegInnen,
angenommen ein Betreuter befindet sich in einem Pflegeheim, ist etwa 80 J. alt und dement. Er erhält seit ...
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27.05.2019, 20:12 | #1 |
Stammgast
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"Sturzdokumentation" im Heim - Sedierung bei Demenz
Liebe KollegInnen,
angenommen ein Betreuter befindet sich in einem Pflegeheim, ist etwa 80 J. alt und dement. Er erhält seit einigen Wochen aufgrund zunehmender motorischer Unruhe und Ängsten, sowie ständigem lauten Rufen tags und nachts u. a. ein Antipsychotikum und Benzodiazepine (Diazepam o. wahlweise Tavor 1-0-1), eine Besserung tritt nach vier Wochen immer noch nicht ein, eine Einweisung in eine geschlossene psych. Einrichtung zur medikamentösen "Einstellung" wird angestrebt, Genehmigungsverfahren läuft, Sachverständiger vom AG zwischenzeitlich beauftragt, Gutachten steht noch aus. Nun erhält die Betreuerin einen Anruf vom Pflegeheim, in dem nochmals über die weiterhin bestehende Unruhe berichtet wird und zudem darüber, dass seit gestern eine große Beule mit Hämatom oben auf dem Schädeldach bestehe, Ursache unklar, daher habe man auch kein "Sturzprotokoll" gefertigt... Hausarzt sei informiert worden, war nicht vor Ort, nur tel.: sehe zunächst keine Indikation für KH-Einweisung/Röntgen o.ä., sondern habe das Heim mit "kühlen u. beobachten" beauftragt. Soweit, so gut... Zwei Sachen kommen dem Betreuer nun etwas "spanisch" vor: 1. Warum wird kein Sturzprotokoll gefertigt und der Betreuer darauf explizit mehrfach hingewiesen? Man könnte ja ein Protokoll anfertigen und vermerken, dass die Ursache unklar sei o.ä. Muss man sich etwas dabei denken? Sieht man davon ab, um sich irgendwelche QM-Statistiken nicht "kaputt zu machen" oder könnte etwas anderes (oder nach Euren Erfahrungen in aller Regel halt einfach gar nichts) dahinterstecken? Ich erinnere mich an alte Studiumsinhalte, in denen es (allerdings um kindliche) Kopfverletzungen ging...Hutkante und sowas. Ist hier die Lokalisation auf dem Schädeldach u. U. problematisch und müsste näher "hinterfragt" werden...auch im Kontext "kein Protokoll anfertigen usw."? 2. Was haltet ihr von einer Diazepam-Gabe bei fortgeschritten dementen Patienten? Sollte der Betreuer den Hausarzt bitten, die Medikation zu überdenken, auch in Anbetracht des aktuellen (möglichen) Sturzgeschehens? Vielen Dank für Eure Gedaken und oder Hinweise/Erfahrungen..! |
27.05.2019, 20:34 | #2 |
Forums-Geselle
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Beiträge: 192
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Zu 1)
Ein Sturzprotokoll wird eigentlich benoetigt, um den Vorgang nachvollziehen zu koennen und dann gegeignete Massnahmen zu ergreifen. Es ist Teil des PDCA-Zyklus (plan, do check, act). Gerne werden juristische oder QM-Gruende benannt, wieso man das angeblich braucht - das stimmt aber nicht. Sekundaere Gruende wie z.B. der (debile) Pruefkatalog des MDK oder die Statistik des Heimes sind keine verbindlichen Handlungsvorgaben (im rechtlichen Sinne). Die Dokumentation des Vorgangs Sturz ist erfuellt, wenn er im Verlaufsbericht sicher dokumentiert wurde. Es gibt fuer Betreuer, Patient oder Angehoerige eigentlich keinen Grund auf einem Sturzprotokoll zu beharren, es sei denn die Dokumentation im Bericht ist nachlaessig oder fehlt. zu 2) Das kann helfen, muss aber nicht. Tavor ist eher angstloesend als beruhigend. Vor allem aber erhoeht es die Sturzneigung, von daher solte man es kritisch betrachten. Psychiatrie wegen Unruhe bei Demenz erscheint mir als sehr ungewoehnlich und wenig hilfreich. Mit Unruhe ist bei Dementen zu rechnen, ein Psychiatrieaufenthalt ist fuer Demente eine enorme Belastung, das Ergebnis meist duerftig. Allgemein: Sturz ist Lebensrisiko. Mit zunehmendem koerperlichem Zerfall muss damit gerechnet werden. Es ist meist kein Versagen des Heims. Bitte bedenken Sie auch, dass Stuerze in der Regel kein Grund fuer (genehmigungspflichtige) Fixierungen sind. Siehe z.B. "Werdenfelser Weg". |
27.05.2019, 21:09 | #3 | |||
Stammgast
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Beiträge: 662
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Zitat:
Zitat:
Zitat:
Andererseits ist die Situation auch für den Patienten sicherlich unbefriedigend, sofern nicht ambulant entsprechend medikamentös "eingestellt" werden kann. Dies ist im Beispielsfall bislang leider nicht gelungen... Nein sicher nicht, das stimmt. Zum Generalverdacht möchte ich hier nicht aufrufen! Allerdings möchte ich auch nicht tatenlos zur Vergrößerung der (ohnehin anzunehmenden sehr hohen) Dunkelziffer von Gewalt/Misshandlung Schutzbefohlener pp. im Bereich häuslicher oder stationärer Pflege beitragen. Ich denke, hier sollte mit Augenmaß, aber durchaus kritisch, hinterfragt werden dürfen, oder? Sicher immer eine schwierige Sache, die schnell ein Vertrauensverhältnis zum Heim usw. vollständig zerrütten kann...und ja im Prinzip auch die (zeitnahe) Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden erfordert. Ich selbst kann ja nicht weiter "ermitteln" und Ursachen der Verletzung feststellen/aufklären. Schwierig! |
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27.05.2019, 21:54 | #4 |
Forums-Geselle
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Wenn der gute Mann nachts ruft, dann erklaert das natuerlich, warum Heim und Arzt das stationaer "geloest" haben wollen. Ein medikamentoeses Einstellen klappt dann in der Psych tatsaechlich besser, da das meist Dosierungen erfordert, die der Hausarzt alleine kaum verantworten kann.
Eine erhoehtes Sturzrisiko wird sich da kaum vermeiden lassen. Sofern er weiter mobil ist kann man zumindest gegen die Auswirkungen etwas schuetzen, z.B. mit Sturzhose, Matte vorm Bett, usw usf. Direkte Gewalt in der Pflege halte ich fuer ein Ueberschaetztes Thema. Ich habe (im Laufe vieler Jahre) viel Fehl- und Minderleistungen, Nachlaessigkeiten, krasse fachliche und persoenliche Defizite, Vernachlaessigung und Dummheit erlebt, dass direkt Gewalt ausgeuebt wurde aber nur aeusserst selten. Die Menge an Dingen die ein Dementer im Laufe eines Tages alles falsch machen kann, ist fuer Aussenstehende oft schwer nachvollziehbar. Da verletzt er sich leider auch gerne mal dabei. Ich wuerde an Ihrer Stelle mir die Dokumentation zeigen lassen und die Eirnrichtung soll sich dazu auessern, wie sie zukuenftig das Verletzungsrisiko senken wollen. Das kann mal sehr einfach, mal unmoeglich sein. Mit dem Staatsanwalt zu kommen halte ich ohne einen wirklich klaren und begruendeten Verdacht fuer problematisch. Ich hoffe, dass ich Ihnen ein bisschen weiter helfen konnte. |
27.05.2019, 22:39 | #5 | |
Stammgast
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Ich halte dies eher für ein absolut unterschätztes Thema, wenngleich ich zustimme, dass nicht unbegründet und vorschnell mit Kanonen geschossen werden sollte...aber in der Abwägung, was nun vorschnell ist, liegt ja das Dilemma.
Zitat:
Sicherlich würde auch ich nur bei begründetem Verdacht die Behörden einschalten. Und dem Staatsanwalt wäre ja zunächst ohnehin einmal die Polizei vorgeschaltet, die das Vorliegen eines Tatverdachtes beurteilen müsste. Ich meine nur, dass es mitunter sehr schwer sein kann, die Zeichen nicht zu verkennen und eben (wie allzu oft) nicht zu handeln...das wäre umso fataler meine ich. Ich selbst habe zwei entsprechende Fälle, einen in häuslicher und einen in stationärer Pflege, bei bestehender Betreuung, begleitet (oder in der Folge, als Folgebetreuer) und war jeweils tief erschüttert, wie lange die Zeichen der Zeit verkannt und "abgetan" wurden. Aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer, Vorwürfe bringen dann meist auch nichts mehr. Beizeiten die richtigen Schlüsse zu ziehen und Obacht zu geben, ist sehr wichtig. |
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27.05.2019, 23:17 | #6 | |
Forums-Geselle
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Zitat:
Ja, kann natürlich auch sein, dass ich irgendwann betriebsblind geworden bin. Was ambulant oder generell Versorgung zuhause angeht stimme ich Ihnen absolut zu, allerdings waren es da meiner Erfahrung nach gerne mal die die Angehörigen. Pflege ist in den "ärmeren" Bundesländern, also Norden und Osten, schlechter finanziert, die Heime haben einen deutlich schlechteren Personalschlüssel. Kann auch einiges erklären. |
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28.05.2019, 07:37 | #7 | ||
ehem. Admin / Berufsbetreuerin
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Zitat:
Zitat:
Im Übrigen gibt es immer mehr Heime die sich auf Demenz Erkrankung spezialisert haben auf eigenen Abteilungen. Evtl. wäre ein Wechsel in eine solche Einrichtung angeraten.
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diese kommunikation wurde im rahmen der überwachungsgesetze auf ihre kosten dauerhaft gespeichert und wird jederzeit weltweit gegen sie verwendet werden. danke für ihre kooperation. |
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28.05.2019, 09:37 | #8 |
Stammgast
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Ich hatte seinerzeit (vor 1/2 Jahr) ein Heim ausgesucht mit einem speziellen Wohnbereich für demenzerkrankte BewohnerInnen. Dort scheint man sich auch wirklich Mühe zu geben, Aktivierung, Einbindung in tägl. Arbeiten usw.
Allerdings habe ich mittlerweile schon bei "unangemeldeten" im zentralen Aufenthaltsbereich als Treffpunkt lautes Radio (EinsLive) und dort sitzende Bewohner als "passive Zuhörer" angetroffen, weit und breit niemand sonst. Naja, man ist halt immer nur recht kurz da... Gerontopsychiatrie ist auch angedacht, eine wirklich gute, namhafte Einrichtung mit Spezialisierung und Reputation auf diesem Feld, die zufällig nahe bei ist... naklar mit Warteliste. Alternative wäre halt die regionale psychiatr. Klinik, die ich bewusst vermeiden will. Dadurch dauert nun natürlich alles und man drängelt seitens Heim und Hausarzt. Das ist der Hintergrund. Die Einbeziehung des Neurologen, der ab und an vorbeischaut, ist veranlasst und hat vermutl. am Freitag stattgefunden. Mal sehen, was er sagt... Mir geht es ja nun auch darum, die Ursache der Beule "abzuklären". Die Lokalisation auf dem Schädeldach ist halt merkwürdig, meine ich...naja, mal sehen. Vermutlich gestoßen. |
30.05.2019, 13:52 | #9 | |
Stammgast
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Zitat:
Danke nochmals für den Hinweis. Da sich die Situation nun weiter entwicklet hat, wäre ich für Hinweise aus dem Forum dankbar, wie etwa derartige Maßnahmen zur Verhinderung des Sturzrisikos aussehen könnten, die vom Heim durchgeführt werden können. Bei einem Besuch gestern, den der Betreuer durchführte, um nach der Beule aus den Vortagen zu sehen (s. o.) und den Sachverhalt zu klären, lag nun der Bewohner im WC-Bereich, zusammengebrochen/gestürzt. War wohl zuvor beim Kaffeetrinken im Gruppenraum selbständig aufgestanden (mit den o. g. Medikameten im Blut und bei der bekannten Vorgeschichte/Sturz vom Vortag usw.) und zur Toilette gewandert, nehme ich an. Ich fand ihn dann bei meinem Besuch, WC-Tür zum Flur stand auf. Ich holte eine Altenpflegerin dazu, der ich auftrug den Notarzt zu rufen. Seitens des Notarztes erst V. a. schweren Apoplex o. Blutung, jetzt glücklicherweise alles halb so wild, wird morgen entlassen, Synkope, Exsikkose ("Flüssigkeitsmangel), wie mir der Arzt im Klinikum in zwei schwierigen Gesprächen mühsam mitteilte (keine Verständigung möglich wg. Sprachproblemen...aber das ist ein anderes Thema). Mich würde nun insbesondere interessieren, welche konkreten Maßnahmen zur Vermeidung von Stürzen (s. o., Hinweis von "hanns") usw. denn nun a) angebracht wären b) vom Heim praktisch zu leisten wären und c) vielleicht sogar konkret eingefordert werden können (Stichwort: Aufsichtspflicht usw.)? |
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31.05.2019, 13:03 | #10 |
Stammgast
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So, ich habe nun heute ein Gespräch mit der Pflegedienstleitung geführt.
1.) Bett wird maximal niedrig gestellt & weiche Matte davor gelegt 2.) ansonsten sitzt der Betreute nun im Rollstuhl m. angezogener Bremse am Tisch und 3.) wird man nun (sagt man jedenfalls) besonders achtgeben...ist doch schonmal was |
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