junger Klient schwänzt WfbM

[Marsupilami]

Liebe KollegInnen,
ich habe gerade so gar keine Idee, wie ich einen 23-jähigen Klienten unterstützen soll.
Die Situation: 23 Jahre, intelligenzgemindert, Personlichkeitsstörung. EV in Vermögensangelegenheiten.
Ich bin schon seit einigen Jahren seine Betreuerin, und bisher war es immer möglich ihn auf seinem Weg zu unterstützen (auch wenn er mehrfach täglich anruft, um an mehr Geld zu kommen, das leider nicht vorhanden ist).

Der K. besucht seit einiger Zeit die WfbM, schwänzt aber zunehmend. Nach 10-tägiger unentschuldigter Abwesenheit kam eine Abmahnung, es fanden gemeinsame Gespräche statt, er verspricht wieder zu kommen, spricht m ir dann nachts auf den AB, er würde da nie wieder hingehen, weil man da ja kein Geld verdienen würde. Er meldet sich auch nicht ab, erklärt der Anleiterin (die ihm hinterher telefoniert), er habe sich bei mir abgemeldet, was aber gar nicht stimmt.
Er will mehr Geld verdienen, einen Schulabschluss machen (vorher Förderschule), oder gleich auf dem 1. Arbeitsmarkt reich werden.
Erklärungen, dass er in jedem Fall Zuverlässigkeit zeigen müsse, bevor er etwa einen Außenarbeitsplatz erhalten könne, fruchten nicht. Er sieht sich missverstanden.
Ob er in seinem privaten Umfeld aktuell Probleme hat, will er nicht erzählen. Eigentlich hat er aber ein stabiles soziales Umfeld.
Das Angebot ein ABW einzurichten lehnt er seit Jahren immer wieder ab.

Letztlich fürchte ich, dass wir den Dingen nun ihren Lauf lassen müssen, da keine Ansprache ihn überzeugt, und er schließlich mit den Konsequenzen seines Handelns leben muss.
Ich habe versucht ihm psychologische Hilfe an die Seite zu stellen, die er aber auch nicht annimmt, nach 2 Terminen ist er da nicht wieder hingegangen. Auch die MA der WfbM sind wirklich sehr engagiert, aber auch hier nistet sich zunehmens Resignation ein.

Nun gehen mir langsam die Ideen aus, was ich da noch tun könnte. Hat jemand Ideen?

[Elara]

Hallo ich bin zwar kein Kollege aber jemand der in eine wfbm geht und das schwänzen gut nachvollziehen kann.
Ist die Aufgabe die er hat für ihn spannend genug? Oder setzt er 10000x am Tag das gleiche Teil zusammen? Vielleicht würde ein wenig mehr Abwechslung helfen...
Zum Thema Geld kannst du ihm ja mal vorrechnen wieviel er verdienen müsste um netto auf h4+wfbm Lohn zu kommen, das hat er sicherlich nicht im Blick.

[jualana]

"Zum Thema Geld kannst du ihm ja mal vorrechnen wieviel er verdienen müsste um netto auf h4+wfbm Lohn zu kommen, das hat er sicherlich nicht im Blick.[/QUOTE]"


Das ist sicherlich eine gute Idee. Einige meiner "jungen Wilden" sind beeinträchtig, was sie aber nicht so wahrhaben wollen. Meinen , sie könnten auf dem ersten Arbeitsmarkt das große Geld verdienen. Das dazu auch,neben meistens einer Ausbildung, auch Durchhaltevermögen gehört, ist eine Erfahrung, die sie machen müssen.

[Imre Holocher]

Moin moin

Dummheit schützt vor Reichtum nicht. So etwas klappt nur in den USA, wenn man schon mit reichen Eltern auf die Welt gekommen ist und sich dann auch noch bis zum Präsidentenjob durchätzen kann. Das ist aber auch eine absolute Ausnahme.

Ob Dein Betreuter genügend Grips hat, die Berechnung der Sozialhilfe + WfbM-Lohn im Vergleich zu sonstigen Löhnen auf dem für ihn möglichen Arbeitsmarkt (Sklavenjob beim Personaldienstleister) zu verstehen ist fraglich. Vielleicht klappe es ja.
Wenn nicht kannst Du es ggf. mit "kleinen Möhren" versuchen. Z.B. so:
Jetzt bekommt er vielleicht 60,00 € pro Woche ausgezahlt.
Wenn die WfbM mitspielt: dann bekommt er 50,00 € pro Woche und für jeden Tag, den der in die WfbM geht 5,00 € zusätzlich. Er kann also durchaus auf 75,00 € pro Woche kommen. Und lernt so, dass sich Arbeit lohnt.

Wenn der Betreute auch da nicht mitspielt, geht eigentlich nur noch die klare Ansage: Das gibt es und damit basta! Mehr ist nicht da, weil vom Rest Reserven für Klamotten, Nachzahlungen oder Zuzahlungsbefreiungen und Notfälle gespart wird.
Und wenn das Geld schneller zu Ende ist, als die Woche, für die es ausgezahlt wurde, dann ist am Wochenende Diät angesagt (oder nix zu rauchen).

Dummheit kann eine harte Sozialverhandlerin sein, da muss man als BetreuerIn gut gewappnet sein.

MfG

Imre

[michaela mohr]

Nun gehen mir langsam die Ideen aus, was ich da noch tun könnte.

Das kann ich supergut nachvollziehen. Als ich es gelesen habe dachte ich, huch, woher kennt Marsi meinen Herrn XY?
Damals.
Ich habe mir einen Teppich an den Mund geredet.


Die Idee mal zusammen aufzuschreiben wie Lohn sich zusammensetzt und was dafür getan werden muss ist sicher gut. Das kann man wirklich probieren. Dazu würde ich noch eine Aufstellung machen was man in der Werkstatt wirklich "verdient", also das Werkstattgeld+ Kosten der Jahreskarte für ÖvD+ Mittagessen+ Freizeitangebote. Dann sieht das wirklich magere Werkstattgeld etwas voller aus.


Was Elara dazu schreibt hat allerdings auch seine Berechtigunng. Wenn keine Arbeit da ist, ist es oft ziemlich öde in den Werkstätten. Wäre vielleicht eine andere Gruppe geeigneter für ihn?
Wahrscheinlich hast du das aber alles schon versucht. Er ist ja noch ziemlich jung, evtl. hilft einfach momentan nur abmelden in der Werkstatt und warten bis ihm zu Hause langweilig wird.

Wenn jemand sich solche Verhaltensweisen angeeignet hat hilft es manchmal klar zu machen das er nicht abgemeldet wird weil er das so will sondern zu sagen, schade, für die Werkstatt sind sie noch nicht reif genug, sie dürfen jetzt da nicht mehr hin.


Der Kerl ist noch ein halbes Kindd, evtl. ist er in ein oder zwei Jahren etwas erwachsener geworden. Deshalb ihm lieber die Werkstatt nicht ganz vergraulen, sondern durch eine klare Entscheidung die Tür zur Rückkehr noch ein Stück aufhalten.

Was anderes fällt mir leider auch nicht ein dazu.

[Marsupilami]

Danke meine Lieben,


das habe ich alles schon versucht, bis hin zur Aufgabenveränderung in der Werkstatt ... auch die Möhrchen habe ich schon ausgestreut: da ließe sich vielleicht noch was drehen.
Was ich noch nicht versucht habe ist, ihn für eine Weile von der WfbM abzumelden, bis ihn die Langeweile plagt. Das könnte zwar dauern, weil er in einer Clique von Schwänzern agiert, aber den Gedanken, dass man ihn jetzt nicht auf Ewig vergräulen sollte hatte ich noch nicht. Da werde ich mal ansetzen.


Ansonsten: des Menschen Wille ist sein Himmelreich...

[michaela mohr]

Sag zu so einem jungen Kerl: da sollten sie hingehen kommt pubertäres Gemaule.
Sagst du zu ihm: da dürfen sie nicht mehr hin ........ könnte es anders aussehen.
Wenn du ihn jetzt dort abmeldest hast du die Zügel in die Hand genommen. Wenn er sich das ertrotzt ist er bestimmt noch stolz drauf dich zu etwas gebracht zu haben. Nicht so gut
Reine Taktik

[Marsupilami]

[HorstD]

Der Betreute gilt ja derzeit aufgrund der WfbM-Beschäftigung als voll erwerbsgemindert (siehe dazu die Weisungen der BA: https://harald-thome.de/fa/redakteur...20.06.2018.pdf)

Wenn er bei der WfbM ausscheidet, gerät er erst mal wieder in das ALG-2-System, da wird er sich bei solchem Verhalten erst mal eine 30%-Sanktion einfangen. Lebt der eigentlich noch bei den Eltern? Ich befürchte außerdem, dass da auch schnell echte Verelendung droht, weil er ja kaum irgendeine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben dürfte (außer Schmieresteher bei Diebesbande). Also falls der aus der WfbM rausfliegt, ganz schnell beim JC die Untersuchung nach § 44a SGB II anregen.

[Michael77]

Zitat von HorstD

Der Betreute gilt ja derzeit aufgrund der WfbM-Beschäftigung als voll erwerbsgemindert (siehe dazu die Weisungen der BA: https://harald-thome.de/fa/redakteur...20.06.2018.pdf)

Wenn er bei der WfbM ausscheidet, gerät er erst mal wieder in das ALG-2-System, da wird er sich bei solchem Verhalten erst mal eine 30%-Sanktion einfangen. Lebt der eigentlich noch bei den Eltern? Ich befürchte außerdem, dass da auch schnell echte Verelendung droht, weil er ja kaum irgendeine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben dürfte (außer Schmieresteher bei Diebesbande). Also falls der aus der WfbM rausfliegt, ganz schnell beim JC die Untersuchung nach § 44a SGB II anregen.

Ich hatte auch mal einen Fall, da ist eine junge Dame, die fast die komplette Werkstatt durchgev... hat, dort rausgeflogen. Da war es allerdings so, dass sie in der GruSi geblieben ist, ich nur vorsorglich einen SGB II Antrag gestellt habe und von dort aus die Erwerbsfähigkeit überprüft wurde.