Dies ist ein Beitrag zum Thema Erbausschlagung ohne Vermögenssorge im Unterforum Todesfälle/Erb- und Bestattungsfragen , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Hallo,
die Tochter meines Betreuten (85 Jahre,Sozialhilfe, zu Hause lebend, nahezu imobil) ist verstorben. Der gesetzliche Betreuer der verstorbenen Tochter ...
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12.03.2020, 23:03 | #1 |
Stammgast
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Ort: München
Beiträge: 566
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Erbausschlagung ohne Vermögenssorge
Hallo,
die Tochter meines Betreuten (85 Jahre,Sozialhilfe, zu Hause lebend, nahezu imobil) ist verstorben. Der gesetzliche Betreuer der verstorbenen Tochter informierte mich, das der Nachlass verschuldet ist. Die gesetzliche Betreuung wurde auf Wunsch meines B. angeordnet, da er aus körperlichen Gründen nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten zu regeln. Die Vermögenssorge wurde mir auf expliziten Wunsch des B. nicht übertragen. Er regelt seine finanziellen Angelegenheiten mit Telefonbanking und Nachbarschaftshilfe. Ich riet meinem Betreuten, das Erbe auszuschlagen und bot meine Hilfe an, für ihn einen Notartermin (Hausbesuch) zu organisieren. Der Betreute ist nichtt gewillt, das Erbe auszuschlagen. Als Begründungen führt er an: die Notarkosten und dass er ohnehin kein pfändbares Vermögen habe. Er hat aber eine Sterbegeldversicherung, mit eingetragenem Bezugsrecht eines Bestattungsunternehmens, dass nach meiner Recherche bis zu einer Höhe von ca. 3.000€ möglicherweise pfändbar wäre. Dieses Argument konnte/wollte mein B. nicht gelten lassen. Er schimpfte auf das Rechtssystem und will sich das nicht bieten lassen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich nun beim Betreuungsgericht eine Aufgabenkreiserweiterung (Vermöenssorge) zur Erbausschlagung und Begleichung der Notarkosten beantragen muss. Seine Entscheidung ist nicht vernünftig, aber das sind die Entscheidungen von Menschen, die nicht betreut werden, ja auch oft. Ich halte es für möglich, dass der B. auch eine seelische Erkrankung haben könnte. Ein psychiatrisches Gutachten gibt es nicht. Eine Psychiaterin, die ich um einen Hausbesuch gebeten hatte (ärztl. Attest zur Beantragung von Eingliederungshilfe), hat er wütend weggeschickt. Der B. fällt auf durch erheblich abschweifendes Reden. Er ist oft streitsüchtig und querulatorisch. Einfache rechtliche Sachverhalte versteht er recht gut. Aber man braucht viel Geduld, weil er nicht zuhören kann, sondern selbst dauernd redet. Aber die Erbausschlagung ist ein komplizierter Sachverhalt, den er möglicherweise nicht mehr versteht. LG Annegret |
13.03.2020, 01:11 | #2 |
Routinier
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Beiträge: 1,247
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Ich sehe hier ein ganz grundsätzliches Problem. Die Erbausschlagungsfrist beginnt bereits gegen den Herrn zu laufen, denn geschäftsunfähig ist er wohl nicht. Ein Verfahren zur Erweiterung des Aufgabenkreises dauert selbst unter günstigsten Bedingungen mehr als die sechs Wochen Ausschlagungsfrist, eine einstweilige Anordnung dürfte ohne irgendein psychiatrisches Attest aussichtslos sein (und wegen einer körperlichen Erkrankung kann ein Aufgabenkreis nicht gegen den Willen des Betreuten angeordnet werden).
Wenn der Herr also die Ausschlagungsfrist verstreichen lässt, obwohl er ausschlagen könnte, dann ist das einzig und allein sein Problem. |
13.03.2020, 09:10 | #3 |
Stammgastanwärter
Registriert seit: 05.07.2014
Beiträge: 492
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Hast du von dem Betreuer der Verstorbenen bereits eine Vermögensübersicht zum Zeitpunkt des Todes erhalten?
Vielleicht ist es ganz sinnvoll, deinen Betreuten über die tatsächlichen Kosten einer Erbausschlagung zu informieren - Kosten liegen bei weniger als 100,00 EUR. Vielleicht fällt ihm mit diese Information ja die Zustimmung zur Ausschaltung einfacher. |
13.03.2020, 11:51 | #4 | |||
Stammgast
Registriert seit: 28.12.2014
Ort: München
Beiträge: 566
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14.03.2020, 09:01 | #5 |
Stammgast
Registriert seit: 25.04.2015
Ort: Nordost-Thüringen
Beiträge: 992
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Die Hemmung der Frist für die Ausschlagung besteht in der Unfähigkeit der zu betreuenden Person, die Ausschlagung selbst vorzunehmen. Formaljuristisch spitzfindig wird auch nicht der Ablauf der Frist gehemmt, sondern der Beginn.
In Deutschland wird man automatisch und von selbst Erbe des Nachlasses, mit der Möglichkeit, sich von der Erbenstellung zu befreien (§§ 1922, 1942 BGB). Die Frist des § 1944 Abs. 1 BGB beginnt mit der Kenntnis des Anfalles und des Grundes der Berufung. Bei Menschen, die einen Einwilligungsvorbehalt in Vermögensangelegenheiten haben oder in ihrer Geschäftsfähigkeit eingeschränkt sind (§ 104 Nr. 2 BGB), wird auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters abgestellt. Bei einem Einwilligungsvorbehalt ist das natürlich sofort, da der AK Vermögenssorge nicht erst eingerichtet werden muss. Anders kann das bei Geschäftsunfähigen sein, die zum Zeitpunkt des Erbfalles noch nicht unter Betreuung standen. Da beginnt die Ausschlagungsfrist erst mit Wirksamkeit (nicht Rechtskraft - bitte beachten) des Bestellungsbeschlusses zu laufen. Wenn diese sogar bis zu ihrem Lebensende keinen Vertreter erhalten, kann es unter Umständen sogar so sein, dass die Erben dieses Erben noch für ihn die Ausschlagung erklären können (§ 1952 BGB). Das trifft für diesen hier zu betrachtenden Fall aber nicht zu. Zwar ist die Vermögenssorge nicht eingerichtet, aber es bestehen derzeit keine hinreichenden Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Betreuten, geschweige denn, es liegt ein Gutachten vor, dass die Geschäftsunfähigkeit sogar ausdrücklich feststellt. Damit hat für diesen die Frist bereits begonnen. Es bleiben zwei Wege: 1.) Antrag auf AK Vermögenssorge oder hilfsweise Erbschaftsangelegenheiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Damit kann das Verfahren verkürzt werden und die Einrichtung dauert nicht so lange. Der AK "stirbt" aber nach einem halben Jahr wieder, wenn bis dahin kein "ordentliches" Verfahren zur Einrichtung nachgeholt wird. Sobald der AK eingerichtet ist, die Annahme anfechten (§§ 1954 ff BGB) wegen Erklärungsirrtums (§ 119 BGB). 2.) Antrag wie bei 1. aber ohne den einstweiligen Rechtsschutz und danach die Erbenhaftung auf den Nachlass beschränken. Hier einmal diesen Artikel durchlesen. Klick
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14.03.2020, 11:41 | #6 |
Moderator
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Ich sehe es auch so, dass allein durch den „Antrag“ auf AK-Erweiterung (tatsächlich ist es ja nur eine Anregung) noch keine Fristhemmung eintritt. Das BayObLG hat mal eine Fristhemmung angenommen, als ein rechtlich unkundiger Ehrenamtler angesichts der Überforderung in einer Erbsache einen Betreuerwechsel beantragt hat, aber da sehe ich hier keine Parallele: BayObLG BtPrax 1998, 76).
Die Frist wäre dann gehemmt, wenn die Betreute nach § 104 BGB geschäftsunfähig (zumindest partiell für Erbschaftsfragen) wäre. Das hat aber anders als der EV nichts mit der Betreuung zu tun. Wäre aber ggf gerichtlich glaubhaft zu machen, wenn das Gericht sich wegen Fristversäumnis weigert, die EA entgegen zu nehmen. Gibts denn (zB im SV-Gutachten) Hinweise auf den Ausschluss freier Willensbildung?
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14.03.2020, 22:43 | #7 | ||||
Stammgast
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Beiträge: 566
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Zitat:
Vielen herzlichen Dank für eure Antworten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich eure Ausführungen richtig verstanden habe. Ausschlaggebend für die Fristen ist die Frage, ob der B. geschäftsfähig ist, ja? Zitat:
Zitat:
Zitat:
Zur Willensbildung des Betreuten: Ich habe wegen des Todesfalls mit dem B. bereits etliche Stunden kommuniziert. Er ist bestattungspflichtig und hat sich geweigert, die Unterschrift für den Bestattungsauftrag zu leisten. Obwohl ich ihm gesagt habe, dass ich für ihn einen Sozialhilfeantrag zum Kostenersatz der Bestattungskosten stellen werde. Ich habe ihm auch dargelegt, dass die Bestattung ansonsten von Amts wegen durchgeführt wird und die Bestattungskosten zunächst ebenso ihm zugerechnet werden und dann der Antrag auf Sozialhilfe gestellt werden kann. Seine Antwort: Ich unterschreibe nichts. Die Tochter wäre eine liederliche Person gewesen (führt zahlreiche nicht zur Sache gehörenden Geschichten an). Von der Bestattungspflicht fühle er sich deshalb moralisch befreit. Die gesetzlichen Bestimmungen wären ihm wurscht, weil bei ihm nichts zu holen ist. Zur Erbauschlagung wieder so lange Gespräche. Tausend Geschichten, das Leben ist so teuer, die Pflegerin hat den falschen Fleischsalat gekauft, den er wegschmeißen musste. Den Notar kann er sich nicht leisten. Bei ihm sei eh nichts zu holen, außerdem sterbe er eh bald. |
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14.03.2020, 22:46 | #8 |
Stammgast
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Ich habe dem Betreuungsgericht heute den Sachverhalt geschrieben und die Aufgabenkreiserweiterung beantragt.
Sollte ich auch einen Antrag auf EV stellen? |
14.03.2020, 23:35 | #9 | |
Routinier
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Zitat:
Das ginge nur, wenn feststünde, dass sich der Betreute durch unüberlegte Erbausschlagungen selbst schädigt. Ein Handeln eines Betreuten kann hingegen nicht durch die Anordnung eines EV erzwungen werden. Das haben die Gerichte schon bei Betreuten entschieden, die wegen eines krankheitsbedingten Sparzwangs nicht genug für sich einkaufen; die Vornahme des Einkaufs kann nicht mittels EV erzwungen werden. |
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15.03.2020, 09:19 | #10 |
Moderator
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Hallo Annegret, SV-Gutachtens: Sachverständigengutachten, zB das, welches das Betreuungsgericht vor der Bestellung hat erstellen lassen (§ 280 FamFG) und das du lesen darfst und auch solltest (§ 13 FamFG). Sowohl dort als auch in der Begründung des Bestellungsbeschlusses gibts oft Hinweise zur freien Willensbildung (§ 1896 ABS. 1a BGB), die zumindest eine Begründung liefern kann, wenn man jemand nach § 104 BGB für geschäftsunfähig hält (was man jeweils begründen können muss). ZB hier ggü. dem Nachlassgericht. So etwas hat man meist nur dann, wenn schon eine Betreuung besteht. Dennoch gibt es zur GU keine Automatik, entweder ist man es oder nicht (nur dass man bei der Betreuung bessere Beweismöglchkeiten hat).
Der EV wäre alternativ dazu zu betrachten, hat den Vorteil, dass man Da nix beweisen muss, weil dieser wird ja ausdrücklich vom Betreuungsgericht angeordnet. Hat aber den Nachteil, dass dieser nie rückwirkend (vor dem Gerichtsbeschluss, § 287 FamFG) gilt. D.h. Beim EV kann man nie was gegen Fristbeginne in der Vergangenheit etwas einwenden, das geht nur bei der GU (die aber glaubhaft gemacht werden muss, § 210 BGB). Jetzt verstanden? Bei einer so kurzen Frist wie der Erbausschlagung (6 Wochen) kommt ein jetzt erst beantragter EV meist zu spät (müsste ganz dringend als eilige einstweilige AO ergehen (§§ 300, 301 FamFG), sonst wäre die Frist längst abgelaufen. Übrigens: natürlich kann das Gericht (wenns inhaltlich begründet ist), einen EV für die Erbfragen anordnen. Zur persönlichen Abgabe der EA wäre der Betreute dann gar nicht mehr berechtigt, das müsste dann natürlich der Betreuer (mit Genehmigung nach § 1821 BGB) tun. Mit der Bestattungspflicht ist es etwas anders als Pilchemu annimmt. Nicht vertretbar ist sie nicht. Sie ist in den Bestattungsgesetzen der Bundesländer enthalten und natürlich kann der Betreuer da stellvertretend handeln (Bestattungsvertrag schließen, Kosten beim SHT beantragen, § 74 SGB XII). Wahrscheinlich meint P das sog. Totenfürsorgerecht. Das ist eine gewohnheitsrechtliche Konstruktion, die wenn nicht jemand anders bevollmächtigt wurde, von den nächsten Angehörigen ausgeübt wird. Nachdem die Bestattungspflicht inzwischen von den Ländern gesetzlich geregelt ist, bleibt der Totenfürsorgepflicht nur noch das I-Tüpfelchen: genaue Auswahl der Grabstätte, Grabgestaltung, Leichenschmaus sowie strafrechtliche Befugnisse zB bei Grabschändung, Störung der Totenruhe, Beleidigung Verstorbener usw. sowie die Einwilligung in Obduktion, Plastination und indirekt (nach TPG) auch in Organspenden. Betreuungsrechtlich ist es so: der Betreute ist bestattungspflichtig, der Betreuer mit AK VS darf ihn vertreten. Er ist aber nach § 1901 ABS. 2 BGB an die Betreutenwünsche gebunden. Es ist auch keine Gefährdung des Wohles des Betreuten gegeben, wenn die Bestattung verweigert wird (was für den Betreuer ein Abweichen von den Wünschen rechtfertigen könnte). Denn das macht es das Ordnungsamt und stellt die Ersatzvornahme den Betreuten in Rechnung. Letztere landet dann auch wieder beim Betreuer. Also ein sinnloses Nullsummenspiel. Allerdings kann man gegen den Kostenheranziehungsbescheid vorgehen. Aber nicht mit der Begründung, die oben genannt hat. Um die Kosten nicht tragen zu müssen, müsste man vom jetzt Verstorbenen schon bis aufs Blut gequält worden sein.
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Mit vielen Grüßen Horst Deinert Weitere Infos: https://www.lexikon-betreuungsrecht.de Geändert von HorstD (15.03.2020 um 09:30 Uhr) |
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