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Ruby 18.09.2019 15:05

Zu dem Thema habe ich auch eine Frage zu einem fiktiven Fall, der Aufgabenkreis beinhaltet die Aufenthaltsbestimmung:

Der hochdemente Betreute wohnt seit der Zwangsräumung aus seiner Wohnung (vor 3 Jahren) in einer sozialen Einrichtung für Wohnungslose. Er fühlt sich dort wohl, er hat ein Zimmer und das Essen kann er in einem Speissaal zu sich nehmen, allerdings drängen die Mitarbeiter der Einrichtung darauf, dass er in ein Heim (gegen seinen Willen) umziehen soll, wegen des Pflegebedarfes und seiner Aggressivität. Er wird zwar in der Einrichtung von einem ambulanten Pflegedienst ambulant betreut (nur Hauswirtschaft -er ist Messie-, keine weiteren Pflegeleistungen, diese sind noch nicht notwendig, obwohl er Pflegegrad 3 hat). Er verhält sich oft aggressiv gegen andere Mitbewohner, wobei dies nur verbale Aggressionen sind, keine Handgreiflichkeiten.
Wenn ich ihn aufsuche lernt er mich krankheitsbedingt immer wieder neu kennen. Aber eins weiß er: Er will in kein Pflegeheim! Eigentlich wäre eine eigene Wohnung ganz schön, sagt er, aber es gefalle ihm auch in der Einrichtung gut und er will dort bleiben.
Die Einrichtung drängt mittlerweile massiv auf einen Auszug.

Habt ihr Vorschläge?

Pichilemu 18.09.2019 16:24

Also ein Pflegeheim kann ich mir in dem Fall absolut nicht vorstellen. Den Betreuten kann man sicher nicht in ein Vierbettzimmer stecken ohne dass es "eskaliert".


Die Einrichtung hat natürlich irgendwie recht, dass Einrichtungen für Wohnungslose nicht dazu gedacht sind, Behinderte dort zu "parken". Zielführend wäre hier aber nicht ein Pflegeheim sondern eher eine Einrichtung der Behindertenhilfe, wo der Betreute dann auch ein eigenes Zimmer hätte (so wie jetzt auch). Dazu passt auch dass der Pflegebedarf ja recht gering zu sein scheint wenn der ambulante Pflegedienst ausreicht, das würde man in der Behindertenhilfe auch ohne Weiteres hinbekommen.

michaela mohr 18.09.2019 17:33

Es gibt sog. Demenz WG s. Da wäre er wg der evtl krankheitsbedingten Aggressivität doch bestimmt gut aufgehoben. Schau dir so eine WG doch einmal zusammen mit ihm an.
Bei uns in der Stadt gibt es ein sog. Demenzforum, die haben und machen Angebote. Ich drück die Daumen dass ihr evtl. auch so was habt und du dort Unterstützung findest.

hanns 18.09.2019 18:31

Alt, dement, Pflegegrad 3. Erkennt seinen Betreuer nicht und kann offensichtlich seine Situation nicht mehr einschätzen.

Das ist wohl Kundschaft fürs Pflegeheim.
Behinderteneinrichtungen nehmen keine pflegebedürftigen Dementen, dort wäre er auch falsch, und solange er sich in einem bekannten Bereich noch orientieren kann braucht er eigentlich auch nicht in eine Demenz-WG. Der WG Charakter dieser Bereiche wäre wahrscheinlich nichts für ihn wenn er mit dem Umgang mit anderen Menschen schnell überfordert ist.
Mehrbettzimmer im Pflegeheim gibts nur noch in wenigen Bundesländern. Da er ohnehin Hilfe zu Pflege vom Sozialamt benötigt müsste man halt ggf. um den Einzelzimmerzuschlag verhandeln.

Für ihn ändert sich doch wenig - es wäre nur die nächste Einrichtung, der Speisesaal ist halt woanders. Wenn er hochdement ist, dann muss er nicht mehr mit der Realität konfrontiert werden.

Pichilemu 18.09.2019 18:34

Zitat:

Zitat von hanns (Beitrag 121112)
Das ist wohl Kundschaft fürs Pflegeheim.

Wenn der Betreute tatsächlich keinerlei Körperpflege benötigt, sehe ich nicht wie der MDK hier die stationäre Pflege genehmigen soll. Ohne Genehmigung des MDK gibt es dann auch keine Hilfe zur Pflege vom Sozialamt.

hanns 18.09.2019 18:38

Zitat:

Zitat von Pichilemu (Beitrag 121113)
Wenn der Betreute tatsächlich keinerlei Körperpflege benötigt, sehe ich nicht wie der MDK hier die stationäre Pflege genehmigen soll. Ohne Genehmigung des MDK gibt es dann auch keine Hilfe zur Pflege vom Sozialamt.

Bei PG3 ohne Angehörige und Demenz sehe ich da kein Problem.

Schnieder 18.09.2019 19:41

Die Sache kann man nicht nur aus der Sicht des zu Betreuenden beurteilen, sondern muss auch die berechtigten Interessen des Trägers der Obdachloseneinrichtung (Stadt/Gemeinde) berücksichtigen.

Gerade bei Dementen ist eine Veränderung des gewohnten Umfeldes - auch wenn er erst seit 3 Jahren in der Unterkunft lebt - immer etwas, was nur schwer umgesetzt werden kann. Eigentlich ist es wichtig, dass alles so ist wie immer.

Auf der anderen Seite muss man aber ganz klar sehen, dass eine Obdachloseneinrichtung eigentlich keiner Dauerwohnung sein kann. Wenn dann noch dazu kommt, dass der zu Betreuende (verbal) aggressiv gegenüber Mitbewohnern ist. sollte man auf den geäußerten Wunsch der Unterkunft schon eingehen.

Hierzu wäre es m.E. zunächst sinnvoll durch ein Gutachten klären zu lassen, ob der zu Betreuende noch einen "freien" Willen bilden kann und ob zu befürchten ist, dass das bisher nur verbal aggressive Verhalten jederzeit auch in aggressives Handlung umschlagen kann.

Auf diese Weise dokumentierst du gegenüber der Unterkunft, dass du ihre Hinweise erst nimmst und nach einer Lösung suchst.

Sollte der Gutachter zu dem Ergebnis kommen, dass der zu Betreuende aufgrund seiner Demenz nicht mehr zur freien Willensbildung in der Lage ist, kann man für den Bereich der Aufenthaltsbestimmung einen Einwilligungsvorbehalt anordnen - der zu Betreuende könnte dann auch gegen seinen Willen in eine geeignete Einrichtung umziehen müssen.

Die Entscheidung darüber, welche Einrichtung für ihn die geeignete ist, kannst du zusammen mit dem sozialpsychiatrischen Dienst abklären.

Sollte der Gutachter feststellen, dass der zu Betreuende noch einen freien Willen bilden kann, wird er dort solange wohnen, bis der Träger der Einrichtung etwas anbieten kann, wozu dein zu Betreuender "ja" sagen könnte, oder er einen anderen juristischen Weg gefunden hat, ihn aus anderen Gründen vor die Tür zu setzen.

Ruby 19.09.2019 09:20

Vielen lieben Dank für Eure Antworten, ihr habt mir wirklich sehr geholfen!

Viele Grüße
Ruby

FFB 19.09.2019 10:41

Zitat:

Zitat von Schnieder (Beitrag 121116)
Sollte der Gutachter zu dem Ergebnis kommen, dass der zu Betreuende aufgrund seiner Demenz nicht mehr zur freien Willensbildung in der Lage ist, kann man für den Bereich der Aufenthaltsbestimmung einen Einwilligungsvorbehalt anordnen - der zu Betreuende könnte dann auch gegen seinen Willen in eine geeignete Einrichtung umziehen müssen.

Wenn der Betreute sich weigert, in die Einrichtung umzuziehen, die der Betreuer für ihn als Aufenthaltsort bestimmt, dann wird ein Einwilligungsvorbehalt kaum etwas dagegen ausrichten.

LG Hildesheim, 29.05.1996, 5 T 279 / 96

Zitat:

Die Wahl des Aufenthaltsortes ist ein tatsächlicher Vorgang, die Aufenthaltsbestimmung durch den Betreuer ist kein Akt gesetzlicher Vertretung (Sonnenfeld, FamRZ 95, 395). Die von einem Betreuten getroffene Wahl seines Aufenthaltes wird nicht dadurch unwirksam, daß sie der Bestimmung des Betreuers widerspricht. Die Aufenthaltsbestimmung ist Realakt, kein rechtsgeschäftlicher Vorgang (Landgericht Köln, FamRZ 92 857 ff.). In Fällen, in denen der Betreute der Aufenthaltsbestimmung durch den Betreuer nicht Folge leistet, kann eine stärkere Entscheidungsmacht des Betreuers nicht nach § 1903 BGB durchgesetzt werden, sondern nur und allein durch eine Unterbringungsmaßnahme nach § 1906 BGB, wenn deren Voraussetzungen vorliegen. Ein Einwilligungsvorbehalt für den Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung kann danach nur die Teilbereiche dieses Aufgabenkreises betreffen, in denen rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben sind. Dies betrifft in erster Linie den Abschluß eines Heim- oder Wohnungsmietvertrages. Ohne die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes könnte eine betreute Person einen vom Betreuer abgeschlossenen Heimvertrag kündigen. Ein Einwilligungsvorbehalt könnte für diesen Teilbereich der Aufenthaltsbestimmung angeordnet werden, wenn gerade zu befürchten stände, daß der Betreute durch Abschluß oder Kündigung von Heim- bzw. Mietverträgen sich erheblich gefährden würde (siehe BayObLG, FamRZ 93 852 f.).
Wenn der Betreute tatsächlich – vom Gutachter bestätigt – nicht mehr zur freien Willensbildung in der Lage ist, kann er sowieso keine wirksamen Willenserklärungen abgeben. Ein Einwilligungsvorbehalt scheint mir dann ziemlich sinnlos.

Ruby 19.09.2019 16:05

Eine WG für Demenzkranke hat der Betreute schon mit mir besichtigt. Er lehnt dies rigoros ab.

Der Betreute wird nicht freiwillig umziehen.

Falls ein Umzug in eine Pflegeeinrichtung erfolgen soll stellt sich die Frage, da ja die Unterbringung in einer offenen Pflegeeinrichtung keiner Genehmigung bedarf, wie man den Umzug praktisch umsetzt?

Umzugswagen für die persönlichen Gegenstände organisieren, ok.

Wie bewegt man den Betreuten dazu umzuziehen, wenn er nicht will, der Betreute wird in kein Taxi freiwillig einsteigen.

Hat jemand Erfahrungen mit einer solchen Situation?


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