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Jolan 10.09.2010 14:02

Begleitkosten für Heimmitarbeiter aus Barbetrag selbst zahlen?
 
Hallo,

seit Jahren bin ich -vollumfänglich- ehrenamtliche Betreuuerin für eine junge, geistig behinderte Frau, die in einem Heim für behinderte Menschen lebt und Eingliederungshilfe bezieht.
Sie verfügt lediglich über den gesetzlichen Barbetrag und einen kleinen Freibetrag aus dem Werkstattlohn. Sie selbst hat keinen Bezug zu Geld. Das Heim führt daher ein entsprechendes Konto für meine Betreute, aus dem der tägliche Bedarf z.B. für die WfbM oder für kleinere alltägliche Einkäufe für den persöblichen Bedarf meiner Betreuten finanziert wird.
Nun möchte jedoch der Heimträger von den Betreuern eine Einverständniserklärung mit folgendem Inhalt:
Die bei externen Maßnahmen der Einrichtung anfallenden "Begleitkosten" der dortigen Mitarbeiter sollen zu Lasten aller teilnehmenden Betreuten abgerechnet werden dürfen.
Unter Begleitkosten sind dabei Eintrittgelder für die Mitarbeiter, jedoch auch deren Verzehrkosten bei einem Gaststättenbesuch zu verstehen.
Die Betreuten sollen diese Kosten mitbezahlen, sofern sie über ausreichende eigene Mittel verfügen. In anderen Fällen würden diese Kosten vom Heim übernommen (dafür gibt es offenbar 10 Euro pro Mitarbeiter und Monat).
Die Einbeziehung dieser Begleitkosten in den allgemeinen Kostensatz würde lt. Träger zur Folge haben, dass die finanziellen Möglichkeiten des Heimträgers nicht mehr ausreichen würden und Freizeitaktivitäten außerhalb nur noch sehr reduziert möglich wären.
Meine Betreute verfügt, wie eingangs erwähnt, nur über geringes Taschengeld, das bereits für eine Vielzahl anderer finanzieller Verpflichtungen verwendet werden muss (z.B. Medikamente und Pflegemittel, die die Krankenkasse nicht zahlt), so dass die Ansparungen oftmals gerade ausreichen, um ihr eine größere Freizeit im Jahr in Form einer Urlaubsreise zu ermöglichen.
Ich tue mir deshalb schwer, dem Heimträger eine pauschale Ermächtigung zu unterschreiben, sich dergestalt an ihrem Taschengeld zu bedienen, dass meine Betreute nolens volens die Heimmitarbeiter bei Gaststättenbesuchen freihält.
Weitere Begleitkosten im engere Sinne dürften nämlich speziell für sie nicht entstehen, da sie über einen Schwerbehindertenausweis, 100 % MdE, mit dem Merkmal "B" für ständige Begleitung verfügt.

Das wäre also die Schilderung der momentanen Problemlage. Für mich steht also die Ankündigung im Raum, dass meine Betreute durch Reduzierung von Freizeitunternehmungen benachteiligt wird, wenn ich mein Einverständnis nicht erteile. Andererseits würde dadurch ihr ohnehin knappes Taschengeld noch weiter reduziert -mit welchen Beträgen ich rechnen muss, konnte mir vorab niemand sagen.

Daher meine Fragen: Wie beurteilen Sie das Anliegen des Heims?
Gibt es auch andere Heimträger, die sich solche Ermächtigungen einholen?
Falls Sie ähnliches erlebt haben, wie haben Sie reagiert?

Vielen Dank und Grüße!

Bolder 10.09.2010 14:56

Zitat:

Zitat von Jolan (Beitrag 41472)
Einverständniserklärung mit folgendem Inhalt:
Die bei externen Maßnahmen der Einrichtung anfallenden "Begleitkosten" der dortigen Mitarbeiter sollen zu Lasten aller teilnehmenden Betreuten abgerechnet werden dürfen. usw

Lass mich raten: Deine Betreute ist in einer Einrichtung der Lebenshilfe.

Das und ähnlich formulierte Einverständniserklärung solltest Du keinesfalls unterschreiben.

Diese „Begleitkosten für die Mitarbeiter“ sind bereits mit den Hilfekosten für Deine Betreute durch den Kostenträger (Sozialhilfe) vollumfänglich abgegolten. Deshalb schlage ich vor, dass Du Deine Frage an den Kostenträger richtest. Schreibe denen auch, dass Dir mit Leistungseinschränkungen gedroht wird.

Das ist eine ganz übliche Masche der Lebenshilfe, um Betriebskosten zu senken.

Chesterfield 10.09.2010 15:30

Das ist ja 'ne Sauerei... :nein:
Würde ich auch sofort an den Leistungsträger weitergeben zur Prüfung - das geht so gar nicht...

Selbst wenn tatsächlich anfallende Kosten aus solchen Aktivitäten aus irgendwelchen Gründen nicht Bestandteil der Leistungsvereinbarung des Heims mit dem Kostenträger wären... oder das Heim hier wider Erwarten mehr an Aktivitäten anbieten würde, als eben finanziert wird über den Leistungsträger... so könnte man m. E. die Zusatzkosten ohne Weiteres im Rahmen der Teilhabe nach SGB IX vom Sozialhilfeträger erstattet bekommen oder über eine Stiftung, etc.
Hierzulande gibt es ein paar Einrichtungen, die das seit Jahren erfolgreich machen.

Das den Betroffenen aus der Tasche ziehen zu wollen, ist in meinen Augen unverschämt und nebenbei noch unzulässig.

michaela mohr 10.09.2010 18:57

ich würde zusätzlich der Heimaufsicht Mitteilung von dieser Praxis machen. Das aber schriftlich und um eine ebenfalls schriftliche Stellungnahme bitten.

Gruss Michaela

Annatevka67 11.09.2010 14:06

Nur kurz die Rückmeldung aus der Praxis:
Kenne ein Wohnheim in Greifswald, dort wird ebenso verfahren. Die Bewohner müssen vom Taschengeld die Getränke und Speisen der Betreuer mitbezahlen (bei Cafe oder Restaurantbesuchen)

Bei uns im ambulant betreuten Wohnen:
Immer wieder Streitthema, da alle Kollegen ein recht hohes Budget für die immer mal wieder anfallenden Cafebesuche benötigen, geht ganz schön ins Geld, grad bei dem vergleichsweise niedrigen Einkommen.
Von der Einrichtung werden lediglich Eintrittsgelder gezahlt, auch schon mal ein Essen, sofern es im Rahmen eines größer geplanten Ausfluges nicht zu umgehen ist. Diese Übernahme von Kosten über die Einrichtung sollen gering gehalten werden, weil halt gespart werden soll.
Also bleibt es doch am Ende häufig am Mitarbeiter hängen, wenn man nicht die Unternehmungen begrenzen möchte (möchten wir nicht, ist wichtig!)
Kommentar / Geschäftsführer bei "Aufmüpfigkeit" von Kollegen:
Sie müssen doch keinen Kaffee trinken oder was essen, sie können doch auch ein Glas Leitungswasser trinken...:motz:
Mach ich dann auch oft, Klienten findens doof, mögen es gerne zusammen mit Betreuern was zu essen / trinken.

Gibt also auch noch diese Seite!
Das es die KLienten bezahlen steht natürlich außer Frage.

Grüße!!!:winke:

Chesterfield 11.09.2010 15:27

Zitat:

Zitat von Annatevka67 (Beitrag 41534)
Bei uns im ambulant betreuten Wohnen:
Immer wieder Streitthema, da alle Kollegen ein recht hohes Budget für die immer mal wieder anfallenden Cafebesuche benötigen, geht ganz schön ins Geld, grad bei dem vergleichsweise niedrigen Einkommen.

Da hat jemand Sinn und Auftrag von ABW wohl nicht ganz verstanden, hm...? :nein:
Geld im Café raushauen könne die meisten unserer Schützlinge wohl auch alleine ganz gut - da braucht's wohl keine Extra-Betreuung für. :wink3:


Zitat:

Kommentar / Geschäftsführer bei "Aufmüpfigkeit" von Kollegen:
Sie müssen doch keinen Kaffee trinken oder was essen, sie können doch auch ein Glas Leitungswasser trinken...:motz:
Mach ich dann auch oft, Klienten findens doof, mögen es gerne zusammen mit Betreuern was zu essen / trinken.
Womit er übrigens dem Grunde nach - als provokative These - doch gar nicht mal unrecht hat: Job der Begleitpersonen ist Aufsicht und eben Geleit der Schützlinge. Wenn sie sich selber dabei ein Abendessen gönnen oder Kaffee und Kuchen, ist das für sie ein Zusatzeffekt... ein privates Vergnügen im Rahmen ihrer Arbeit gewissermaßen. Warum sollten sie dafür nicht selbst aufkommen...?

michaela mohr 11.09.2010 16:58

Zitat:

Zitat von Chesterfield (Beitrag 41539)
Da hat jemand Sinn und Auftrag von ABW wohl nicht ganz verstanden, hm...? :nein:
Geld im Café raushauen könne die meisten unserer Schützlinge wohl auch alleine ganz gut - da braucht's wohl keine Extra-Betreuung für. :wink3:

Hallo Chesterfield,

diesen Einwurf finde ich jetzt doch leicht daneben.

Die diversen individuellen Aufträge aus dem ABW können von hier aus nicht beurteilt werden, dazu müsste man tatsächlich die konkrete Situation kennen.

Gruss Michaela

Annatevka67 11.09.2010 19:51

Also pass mal uff du da unten in Bayern...:kommmalherfreundche :winke:

Zitat:

Geld im Café raushauen könne die meisten unserer Schützlinge wohl auch alleine ganz gut - da braucht's wohl keine Extra-Betreuung für.
Weiß ja nicht, was deine Schützlinge so machen, aber von unseren Leuten mit Behinderung gehen nicht alle alleine ins Cafe oder was auch immer grad an Freizeitaktivitäten ansteht, einige ja, andere nein.
Die Begleitung zu Cafebesuchen, Ausflügen, Dampferfahrten, usw. (wo immer gerne gegessen und getrunken wird), nennt man dabei "Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben", das ist ein Bereich des täglichen Lebens, der tatsächlich im Rahmen von BEW unterstützt wird und das zu recht.

Das heißt nicht, dass die Kollegen vier bis fünf mal in der Woche immer mit demselben Klienten ins Cafe gehen (von wegen "Sinn und Zweck des BEW")
Aber bei 6-7 Klienten, mit denen man jeweil über den Daumen einmal im Monat mal ein Cafe besucht, läppert sich das.
Häufig ist es eine Kombination: Begleitung zum Arzt, es ist noch Zeit übrig, Klient möchte noch nen Kaffee trinken.
Begleitung zum Kleidungseinkauf, es ist noch Zeit, Klient möchte noch einen Kaffee trinken oder was essen. Und so weiter.
Dazu kommen Ausflüge am Wochenende. Ausflüge ohne Essen / Trinken gehen GAR NICHT :giggleswe: (naja, geht uns privat in der Regel ja nicht ganz anders)
Cafebesuche sind o.k., eignen sich gut um Gespräche zu führen.

Zitat:

Wenn sie sich selber dabei ein Abendessen gönnen oder Kaffee und Kuchen, ist das für sie ein Zusatzeffekt... ein privates Vergnügen im Rahmen ihrer Arbeit gewissermaßen. Warum sollten sie dafür nicht selbst aufkommen...?
Hätte ich mir wohl denken können, das das kommt...aber es ist wirklich ein sch...-dreck!! (sorry, weiß nicht, ob ich so richtig abschimpfen darf hier).
"Zusatzeffekt"!!! "Privatvergnügen" ey aber echt mal, dafür allein schon eins um die Ohren...!
Wir gehen nicht zu unserem Privatvergnügen.
All diese Aktionen sind Teil der Arbeit (summieren sich einfach nur je nach Klientenzahl).
Konsequenz deiner Argumentation wäre ja, ich würde jedem Klienten bedauernd verneinen (nein, sorry, ich bin diese Woche grad knapp mit dem Geld, mir wäre lieber, wir gehen noch ein halbes Stündchen in deine Wohnung....das ist ja wohl total blöd + grad im Sommer + tatsächlich wären einige unserer Leute total betroffen, schuldbewusst und würden dann den jeweiligen Betreuer einladen...hey und die hocken oft genug schon genügend isoliert in ihren Buden)
Das kann es ja auch nicht sein!
Das ist schon ok, wir zahlen das, aber es ist trotzdem manchmal ärgerlich, besonders wenn man bedenkt, dass in vielen Berufsbereichen vermutlich reichlich an Spesen abgerechnet wird :motz:
Nee, das ist im Grunde nämlich nicht o.k., aber einfach nicht zu ändern.

Grüße!!!:winke:

mungo 11.09.2010 21:53

Das Problem gibt es in Hamburg auch, wird aber mit einem Budget gelöst: In der ambulanten Eingliederungshilfe gibt es pro Klient und Betreuungseinheit (BE) einen Anteil des Stundensatzes für "Betreuungsaufwendungen". Eben also z.B. für den Kaffee nach dem Arztbesuch.

Bei meinem Träger waren das lt. Leistungsvereinbarung stolze 12 ct pro Klient und BE.
Da fängt dann das große Rechnen an: BE mal 12 ct = Erstattungsbetrag bei den Mitarbeiteraufwendungen.
Weil natürlich immer gespart werden soll, vertritt die Leitung, daß das jeweils für jeden Klienten getrennt abgerechnet und belegt werden muß, außerdem nur für die geleisteten BE.

Dabei sind die 12 ct tatsächlich Bestandteil des Stundensatzes, und wenn der Mitarbeiter sie nicht ausgibt, streicht die Verwaltung sie schlicht ein.
Außerdem werden sie für alle berechneten BE gezahlt, also auch für den Aufschlag, den die Verwaltung für sich selbst bekommt.
Bei 100 Klienten mit durchschnittlich 5 BE/Woche verdient die Verwaltung allein daran ungerechtfertigt jeden Monat 12 €...

Ich hatte mal ergebnislos vorgeschlagen, diesen Betrag wenigstens für alle geleisteten BE zu kummulieren, weil man ja mit niemandem einen Viertel Kaffee trinken gehen kann, bloß weil der nur zwei Stunden pro Woche bewilligt bekommen hat (das wären immerhin 2 x 4,3 x 0,12 ct = 1,03 € im Monatsdurchschnitt...).

Unterm Strich zahlen die Mitarbeiter doch wieder aus der eigenen Tasche und die Verwaltung sackt ein.
:motz:

Imre Holocher 12.09.2010 11:19

Hallo Mungo

Die Verwaltung sackt das Geld nicht ein. Die würde auf die Finger kriegen, wenn sie selber daon Kaffee trinken gehen würde...:wink3:.

Die Crux liegt eher darin, dass in immer mehr Dienstleistungsbetrieben (hier meine ich die sog. "Wohltätermafia" - wie. z.B. ev. + kath. Kirchen mit Caritas und Diabolie, AWO, Lebenshilfe etc) der Sparwahn um sich greift, weil die Kostenträger immer weniger Geld für immer mehr bedürftige Kundschaft raustun will. Die Dienstleister wiederum stellen vermehrt "Controller" auf der Leitungsebene ein, die versuchen die Mitarbeiter zum sparen zu zwingen. Besonders schlimm ist das, wenn diese Controller zwar 1€ und noch 1€ zusammenzählen, aber nicht einschätzen können, was der € bewirkt und was nicht. Das treibt die abstrusesten Blüten (genannt Fachleistungsstunden o.ä.) und macht das Arbeitsleben der arbeitenden Menschen in der ersten Reihe unmöglich. Unnötig teuer wird das ganze dann sowieso, aber dafür ist der Controller ja da: Die Geschichte mit noch weiteren Einsparungen noch teurer zu machen.

Falls es jemand Interessiert: Genau das Thema behandelt die gut lesbar überarbeitete Dissertation von Patricia Pitcher, "Das Führungsdrama".
Ich versuch mal das Buch in die Literaturvorschläge zu stellen (muss es nur erst selber ausgraben.
Wer es liest, dem/r werden die Augen aufgehen, weil auf einmal begreiflich wird, warum so viel schief läuft und im Betrieb so ein starker Drang zur "inneren Emigration" oder Flucht besteht - aber auch, an welchen Stellen man das vielleicht verhindern kann.

MfG

Imre


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