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Kurzdarstellung des Betreuungsrechts

Dies ist ein Beitrag zum Thema Kurzdarstellung des Betreuungsrechts im Unterforum Beiträge zu Rechtsfragen bis 2015 , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Hallo, es ist vielleicht recht sinvoll zum Betreuungsrecht eine Kurzdarstellung zu geben, da sich bestimmte Fragen immer wiederholen werden. Jeder ...


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Alt 22.09.2006, 08:28   #1
Roy
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Beiträge: 198
Standard Kurzdarstellung des Betreuungsrechts

Hallo,

es ist vielleicht recht sinvoll zum Betreuungsrecht eine Kurzdarstellung zu geben, da sich bestimmte Fragen immer wiederholen werden. Jeder kann ja auch noch etwas hinzufügen. Diskutieren sollte man aber der Übersichtlichkeit halber besser in einem anderen Thread, den ich hier schon mal angelegt habe.

Viele Grüsse - Roy

Zitat:
Das Rechtsinstitut der rechtlichen Betreuung wurde in Deutschland durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz geschaffen. Die rechtliche Betreuung ist an die Stelle der früheren Vormundschaft über Volljährige und der Gebrechlichkeitspflegschaft getreten und geht über sie deutlich hinaus. Sie ist im wesentlichen in den §§ 1896ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Das gesetzgeberische Ziel der Reform war Betreuung statt Entmündigung, um den Betroffenen Hilfe zu einem frei selbstbestimmten Leben zu leisten. Das Grundrecht auf Selbsbestimmung ergibt sich aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetz (GG).

Das Wohl des Betreuten ist nach § 1901 und § 1906 BGB der Maßstab des Handelns des Betreuers. Um dem Selbstbestimmungsrecht zu genügen, ist das Wohl des Betreuten aber nach § 1901 Absatz II Satz 2 und Absatz III BGB des Betreuungsrechts nicht nach objektiven Maßstäben zu bestimmen, sondern vorrangig subjektiv durch den Willen des Betreuten (www.uni-koeln.de/jur-fak/inststaa/gesundheitsrecht.net/urteile/sterbebegleitung/bghii.pdf+BGH+Beschluss+XII+ZB+2/03+vom+17.+M%C3%A4rz+2003+wohl+objektiv+subjektiv& hl=de&ct=clnk&cd=1] BGH Beschluss XII ZB 2/03)[/url] . Belange Dritter sind dabei zweitrangig.

Ein weiteres Element der Selbstbestimmung ist, dass das Gericht eine vom Betroffenen vorgeschlagene Person nicht als Betreuer mit der Begründung ablehnen darf, dass eine andere Person besser geeignet sei ( § 1897 Absatz 4 BGB) . Ferner muss sich der Betreuer vor jeder Entscheidung mit dem Betreuten besprechen ( § 1897 Absatz 1 BGB).

Da Betreute in Gesellschaft in der Regel immer noch nicht als gleichberechtigte Bürger behandelt werden, ist es für das Selbstwertgefühl oft besser eine Vorsorgevollmacht einzurichten. Dann erübrigt sich nach § 1896 Absatz II Satz 2 BGB eine gesetzliche Betreuung.

Bezüglich der ärztlichen Behandlung ist anzumerken, dass der Bevollmächtigte wie ein Betreuuer besonders gefährliche Behandlungen des Betreuten gerichtlich genehmigen lassen muss ( § 1904 Absatz I u. II BGB). Im Abschlussbericht der Bund-Länder Arbeitsgruppe "Betreuungsrecht" zur 74. Konfernz der Justizministerinnen und - minister im Juni 2003 werden ab Seite 159 Psychopharmaka benannt, die wegen stark schädigenen Nebenwirkungen als genehmigungsbedürftig eingestuft werden. Diskutiert wird besonders potente Psychopharmaka wie Leponex und Litium, die Langzeitbehandlung mit Neuroleptika und Antikonvulsiva, z.B. Glianemon, Atosil und Neurocil, wegen der damit verbundenen Gefahr von Spätfolgen durch eine Liste ins Gesetz aufzunehmen, "um die bedenkenlose (unkontrollierte) Anwendung einzudämmen".

Eine freiheitsentziehende Unterbringung des Betreuten muss sich der Betreuer oder der Bevollmächtigte auch vom Gericht genehmigen lassen ( § 1906 Absatz II u. IV BGB; § 70 Absatz 1b FGG). Wie bei Bestellung einer Betreuung ist der Betroffene nach l § 70c FGG vom Richter persönlich anzuhören und es ist ihm nach § 70b FGG ein Vefahrenspfleger zur Seite zu stellen. Ferner kann der Betreute immer selbst Rechtsmittel, z.B. Beschwerden gegen die Beschlüsse, einlegen ( § 70a FGG).

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat schon 1981 klargestellt, dass Betreute in gewissen Grenzen ein Recht auf "Freiheit zur Krankheit" haben ( BVerfGE 58, 208 ). Inzwischen wurden die Grenzen der "Freiheit zur Krankheit" durch andere höchstrichterlichen Beschlüsse des Bundesverfassungsgericht und des Bundesgerichtshofs (BGH) weitgehend benannt. Eine ambulante Zwangsbehandlung ist nicht erlaubt ( BGH Beschluss XII ZB 69/ 00 ). Eine stationäre Zwangsbehandlung ist nur bei einem nicht-einwilligungsfähigen Patienten bei erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung nach dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit ( § 34 StGB ) gestattet. Eine drohende Verfestigung einer Erkrankung rechtfertigt eine Zwangsbehandlung aber nicht ( BVerfG Beschluss 2 BvR 2270/ 96 ; BGH Beschluss XII ZB 236/ 05 ). Die Interpretation der Beschlüsse legt nahe, dass eine Zwangsbehandlung dann erlaubt ist, wenn klar ist, dass der Patient im Nachhinein, wenn er also wieder einwilligungsfähig ist, der Behandlung zustimmt. Ferner ist eine Zwangsbehandlung immer auch dann erlaubt, wenn eine erhebliche Gefahr für Mitpatienten oder das Krankenhauspersonal nicht mit milderen Mitteln abzuwenden ist ( § 32 StGB ; § 34 StGB). Wenn in einer Patientenverfügung Festlegungen für ärztliche Maßnahmen (Behandlung oder Nicht-Behandlung) in bestimmten Situationen enthalten sind, sind diese verbindlich, wenn durch diese Festlegungen der Wille des Betreuten für eine konkrete Behandlungssituation eindeutig und sicher festgestellt werden kann. Die Ärztin oder der Arzt und der Betreuer oder Bevollmächtigte muss eine derart verbindliche Patientenverfügung beachten. Die Missachtung des Patientenwillens, also eine Zwangsbehandlung, kann als Körperverletzung strafbar sein. Denn jede Behandlung ist immer ein Eingriff in das in Artikel 2 Absatz 2 GG garantierte Grundrecht auf körperliche Unverserheit. Näheres siehe Broschüre des Bundesjustizministeriums (pdf-Datei 532 kb) und BGH Beschluss XII ZB 236/ 05.

Die Betreuung dient nicht zur Erziehung oder dazu, gesellschaftliche Wertmaßstäbe durchzusetzen. Ein vom Bayrischen Oberlandesgericht entwickelter inzwischen durchgehend zitierter Grundsatz des Betreuungsrechts lautet: "Der Staat hat nicht das Recht, den Betroffenen zu erziehen, zu bessern, oder zu hindern, sich selbst zu schädigen", wenn er über einen freien Willen verfügt, also geschäftsfähig ist. (BVerfG 22,180 (219f.); BayObLG FamRZ 1995, 510). Dem Geschäftsfähigen darf daher kein Betreuer gegen seinen Willen bestellt werden (§ 1896 Absatz 1a BGB) . Im Grundsatz muss jede Entscheidung des Betreuers im Sinn des (mutmaßlich) freien Willen des Betreuten getroffen werden.

Auf die Geschäftsfähigkeit hat die Einrichtung einer Betreuerung nur Auswirkungen, wenn ein Einwilligungvorbehalt angeordnet wird, was nur sehr selten der Fall ist. Quelle

Links:

- Broschüre des Bundesjustizministeriums zum Betreuungsrecht (pdf-Datei 618 kb)
- Broschüre des Bundesjustizministeriums zur Patientenverfügung (pdf-Datei 532 kb)
- Weitere Informationen des Bundesjustizministeriums zum Betreuungsrecht
- Weitere Informationen des Bundesjustizministeriums zu Patientenverfügungen
- Umfassende Informationen zur Vorsorgevollmacht
-"Bochumer Willenserklärung" - Mischform aus Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

Literaturtipps:

Walter Zimmermann: "Betreuungsrecht - Hilfe für Betreute und Betreuer"
Walter Zimmermann: "Betreuungsrecht von A-Z"

Während das erste Buch eine systematische Einführung ist, empfiehlt sich "Betreuungsrecht von A-Z" Allen, die in zahlreichen Tagesfragen auch zu Fragen des Mietrechtes, des Gesundheitsrechtes und des Verbraucher- Sozial- und Erbrechtes schnell und übersichtlich Auskunft zu erhalten möchten, so der Fachautor Horst Deinert. Die günstigen Taschenbücher (Preis ca. 7,-- Euro), sind bei dtv im der Beck-Rechtsberater Reihe erschienen. Der Richter Prof. Dr. Walter Zimmermann ist Vizepräsident des Langerichts Passau und wird auch vom Bundesgerichtshof bei Entscheidungen zitiert.
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Alt 04.11.2006, 12:40   #2
Roy
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Eine Betreuung ist nicht nötig wenn:

1. Der Betroffene über seinen freien Willen verfügt, also geschäftsfähig ist (BVerfG 22,180 (219f.); BayObLG FamRZ 1995, 510 / § 1896 Absatz 1a BGB ).

Sollte er dass nicht sein, ist eine Betreuung nicht nötig wenn:

2. Der Betroffenen seine Angelegenheiten selbst erledigen kann, zum Beispiel regelmäßig zum Arzt geht (§ 1896 Absatz 1 BGB) .

Sollte das nicht können, ist eine Betreuung nicht nötig, wenn:

3. Eine Vorsorgevollmacht eingerichtet wurde (§ 1896 Absatz 2 Satz 2 BGB) .

Eine Vorsorgevollmacht ist im Prinziep eine selbst eingerichtete Betreuung. Vor Zwangsbehandlungen schütz eine Patientenverfügung (siehe unten).

Zitat:
Entwurf einer Vorsorgevollmacht

Hiermit bevollmächtige ich, ....., geboren am ....., Herrn/Frau .....,geboren am .......... folgendermaßen:

1. Im Falle meiner durch einen Arzt festzustellenden Einwilligungs-Unfähigkeit ist Herr/Frau ..... befugt an meiner Stelle in die Behandlung einzuwilligen. Einwilligungs-Unfähig ist nur, wer Art, Bedeutung und Tragweite (Risiken) der Maßnahme nach Aufklärung nicht erfassen kann (BGH NJW 1972, 335; OLG Hamm FG Prax 1997, 64). Auch für den Fall, dass ich nur über einen natürlichen Willen verfüge, muß der Arzt mich umfassend über die Behandlung und deren Risiken aufklären. Insoweit ich mich mit natürlichem Willen für oder gegen eine Behandlung ausspreche, kann der/die Bevollmächtigte nur gegen meinen Willen in die Behandlung an meiner Stelle einwilligen, wenn mein natürlicher Wille nicht meinen (mutmaßlich) freiem Willen entspricht. Jede Einwilligung von Herrn/Frau .... muss meinem (mutmaßlich) freiem Willen entsprechen. Jeder mich behandelnde Arzt hat im Falle meiner Einwilligungs-Unfähigkeit die Erlaubnis zur Behandlung von Herrn/Frau ..... einzuholen. Soweit ich eine Behandlungsvereinbarung getroffen habe, oder ein Patiententestament oder eine Patientenverfügung als Vorsorgeverfügung ausgestellt habe, kann Herr/Frau ..... nur soweit in Behandlungen einwilligen, wie diese es gestatten. Gefährliche Eingriffen bedürfen zusätzlich der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Herr/Frau ..... ist telefonisch zu erreichen unter der Nummer 0987 - 987654321 zu erreichen. In dringenden Fällen auch unter der Rufnummer 0171-123456789.

2. (Aufenthaltsbestimmung) Herr/Frau ..... ist gehalten bei Verdacht der Erforderlichkeit (erhebliche Selbst- und/oder Fremdgefährdung) ein Verfahren zur Unterbringung meiner Person auf einer geschlossenen psychiatrischen Station anzuregen. In Fixierung und weitere Maßnahmen darf Herr/Frau ..... nur einwilligen, wenn dies das mildeste Mittel zum meinem Schutz oder zum Schutz Dritter sein sollte. Ein Fixierung oder ähnliche freiheitsberaubende Maßnahmen müssen zusätzlich vom Gericht genehmigt werden.

3. Herr/Frau ..... ist im Fall meiner Einwilligungs-Unfähigkeit in vollem Umfang berechtigt Auskunft über mich von mich behandelnden Ärzten einzuholen. Herr/Frau ...... ist im Fall meiner Einwilligungs-Unfähigkeit berechtigt von Ärzten über mich angelegte Krankenakten einzusehen. Behandelnde Ärzte entbinde ich hiermit im Fall meiner Einwilligungs-Unfähigkeit gegenüber Herrn/Frau ..... von der Schweigepflicht.

4. Herr/Frau .... ist berechtig mich auch in finanziellen Angelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Er darf in meinen Namen Verträge abschließen und kann über meine Konten verfügen. Eine Unterbevollmächtigung ist ihm gestattet. Herr/Frau .... sowie die Kontoführenden Institute haben dem/der Kontrollbevollmächtigten Herrn/Frau .... jederzeit Auskunft zu erteilen und Einblick in sämtliche Unterlagen zu gewähren.

5. Herr/Frau .... und der /die Kontrollbevollmächtigte .... unterliegtenin vollem Umfang der Schweigepflicht, auch dann noch, wenn er/sie nicht mehr als Bevollmächtigte auftritt.

(Ort/Datum/Unterschrift)

Erklärung des/der Bevollmächtigten

Hiermit erkläre ich, ...... entsprechend der obigen Vollmacht agieren zu wollen.

(Ort/Datum/Unterschrift)

Erklärung des/der Kontrollbevollmächtigten

Hiermit erkläre ich, ...... entsprechend der obigen Vollmacht agieren zu wollen.

(Ort/Datum/Unterschrift)
Anmerkung: Diese Vorsorgevollmacht schildert die gültige Rechtslage. Eine Vorsorgevollmacht kann jederzeit im Zustand der Geschäftsfähigkeit eingerichtet und auch zurückgezogen werden. Besteht kein Bedarf zur Regelung der Finanzen, dann einfach Punkt 4 streichen. Werden die Finanzen geregelt, sollte die Vorsorgevollmacht von einem Notar oder durch die Betreuungsbehörde beglaubigt werden. Ggf. ist an eine notarielle Beurkundung zu denken. Siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Vorsorgevollmacht
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Alt 04.11.2006, 12:41   #3
Roy
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Entwurf einer

Zitat:
Patientenverfügung

Hiermit verfüge ich bei Kenntnis der Risiken, dass ich bei Auftreten meiner Erkrankung ....... nur gegen meinen natürlichen Willen behandelt werden darf, wenn nicht mit milderen Mitteln eine lebensgefährliche Situation abgewendet werden kann.

(Ort/Datum/Unterschrift)
Mit dieser Patientenverfügung, an die Ärzte und Betreuer/Bevollmächtigte gebunden sind, darf man nicht zwangsbehandelt werden. Es empfiehlt sich auch einen Bevollmächtigten einzusetzen, der die Patientenverfügung durchsetzt. Man kann auch eine Patientverfügung ausstellen, in der nur bestimmte Behandlungen erlaubt sind. Siehe unten: "Bochumer Willenserklärung". Zur besseren Akzeptanz von Patientenverfügungen empfiehlt sich die Broschüre "Patientenverfügung" des Bundesjustizministeriums beizufügen. Die Patientenverfügung sollte nicht dem Gericht vorgelegt werden.

Broschüre "Patientenverfügung" des Bundesjustizministeriums (pdf-Datei 532 kb)
http://www.bmj.de/media/archive/1184.pdf

Das Bundesjustizministerium zur Verbindlichkeit von Patientenverfügungen (Auszug aus der Broschüre):

Zitat:
Zitat von Bundesjustizministerium
Wenn in einer Patientenverfügung Festlegungen für ärztliche Maßnahmen in bestimmten Situationen enthalten sind, sind diese Verbindlich, wenn durch diese Festlegungen ihr Wille für eine konkrete Behandlungssituation eindeutig und sicher festgestellt werden kann. Die Ärztin oder der Arzt muss eine derart verbindliche Patientenverfügung beachten. Die Missachtung des Patientenwillens kann als Körperverletzung strafbar sein. Der XII Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner Entscheidung vom 17. März 2003 betont, dass es die Würde des Menschen gebietet, ein im einwilligungsfähigen Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht - etwa in Form einer Patientenverfügung - auch dann nocht zu respektieren, wenn die Verfasserin oder der Verfasser der Patientenverfügung zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung nicht mehr in der Lage ist. Das betont auch die Bundesärztekammer in ihren Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung, in denen es heißt: "Patientenverfügungen sind verbindlich, sofern sie sich auf die konkrete Behandlungssituation beziehen und keine Umstände erkennbar sind, dass der Patient sie nicht mehr gelten lassen würde".

Bochumer Willenserklärung
http://www.psychiatrie-erfahrene-nrw.de/willen3.html
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Alt 04.11.2006, 16:45   #4
Ehrenamtlicher Betreuer
 
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Beiträge: 1,691
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Zitat:
Zitat von Roy
Eine Betreuung ist nicht nötig wenn:

1. Der Betroffene über seinen freien Willen verfügt
Hallo,

das kann jetzt aber nicht so gemeint sein, wie es in dem Beitrag stand und wie man es (miß-)verstehen könnte ?

Denn ich schätze, ein signifikant hoher Anteil der von mir rechtlich Betreuten hatte bzw. hat (ich schließe hier die inzwischen verstorbenen Betreuten mit ein) durchaus einen eigenen freien Willen, war aber nicht in der Lage, diesen ganz oder teilweise selbst auszuführen. Sehr wohl aber, ihn zu äußern !

Wenn eine vor kurzem verschiedene Betreute mir sagt, dass sie nicht möchte, dass ihr Vermögen bei der XY-Bank angelegt wird, sondern bei der Sparkasse, bei der sie seit 30 Jahren Kundin ist, dann ist sie Betreute, hat eindeutig ihren freien Willen kundtun können, und dem wurde auch nachgekommen.

Ich will aber hier keine langen Abhandlungen schreiben, sondern warte erstmal die Antwort ab, weil das ja ein sehr interessantes Thema ist.

Gruss

Andreas
AndreasLübeck ist offline  
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Alt 05.11.2006, 13:44   #5
Roy
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Beiträge: 198
Standard

Zitat:
Zitat von Andreas

Zitat:
Zitat von Roy
Eine Betreuung ist nicht nötig wenn:

1. Der Betroffene über seinen freien Willen verfügt
Hallo,

das kann jetzt aber nicht so gemeint sein, wie es in dem Beitrag stand und wie man es (miß-)verstehen könnte ?
Hallo,

bei Geschäftsfähigkeit darf kein Betreuer gegen den Willen bestellt werden (BayOLG Fam RZ 1995, 116/Artikel 2 GG) . Denn Geschäftsfähigkeit meint einen freien Willen zu haben. Siehe: http://dejure.org/gesetze/BGB/104.html

In der Urteilsbegründung des Bayrischen Obersten Landesgerichts zum freien Willen, die Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nimmt und von zahlreichen Gerichten übernommen wurde, heißt es: "Der Staat hat nicht das Recht, den Betroffenen zu erziehen, zu bessern, oder zu hindern, sich selbst zu schädigen (vgl. zuletzt BayObLG FamRZ 2006, 289, früher bereits FamRZ 2003, 962 = BtPrax 2003, 178 sowie BayObLG BtPrax 2001, 79 = FamRZ 2001, 1249)."

Inzwischen heißt es in § 1896 BGB Absatz 1a: "Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden."
http://dejure.org/gesetze/BGB/1896.html

Zitat:
Zitat von Andreas
Wenn eine vor kurzem verschiedene Betreute mir sagt, dass sie nicht möchte, dass ihr Vermögen bei der XY-Bank angelegt wird, sondern bei der Sparkasse, bei der sie seit 30 Jahren Kundin ist, dann ist sie Betreute, hat eindeutig ihren freien Willen kundtun können, und dem wurde auch nachgekommen.
Der Betreuer hat ja im Grundsatz nach dem (mutmaßlichem) freien Willen des Betreuten zu handeln. Eine relative Geschäftsfähigkeit, die sich darauf bezieht, dass Rechtsgeschäfte unterschiedlich schwierig sein können, wird in der Rechtlehre abgelehnt.

Zitat:
Zitat von BGH

„Ein Ausschluß der freien Willensbestimmung liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflußt von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Abzustellen ist dabei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen.“

BGH Urteil vom 5.12.1995
Vom Bayrischen Oberlandesgericht gib es ein Urteil, dass besagt, dass die freie Willensbildung auch nur bei bestimmten Geschäften, etwa der Reglung einer Ehescheidung, ausgeschlossen sein kann. Wer juristisch nicht über seinen freien Willen verfügt, verfügt juristisch über einen "natürlichen Willen." Bei der freien Willensbildung kommt es nicht darauf an, dass der Betroffene "richtig" handelt. Wer unklug und kurzsichtig handelt, muß noch nicht geschäftsunfähig sein.

Zitat:
Zitat von BayObLG
Der Betroffene muß danach, soweit es um diese Angelegenheit geht, auf Grund einer geistigen Störung nicht imstande sein, seinen Willen frei und unbeeinflußt von ihr zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Ausschlaggebend für eine solche Beurteilung sind auch dabei nicht so sehr die Verstandesfähigkeiten eines Betroffenen, sondern vor allem die fehlende Freiheit der Willensbildung auf einem bestimmten Gebiet (vgl. BGH, WM 1984, 1063 (1064)). Da es somit bei der Geschäftsfähigkeit vorrangig auf das Willensmoment und weniger auf die intellektuellen Fähigkeiten ankommt, reicht es für die Annahme von Geschäftsunfähigkeit regelmäßig nicht aus, wenn ein Betr. die wirtschaftliche Tragweite vermögensrechtlicher Entscheidungen nicht voll zu ermessen vermag. Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob die Willensentscheidung des Betr. in einem sinngesetzlichen Zusammenhang noch normal motiviert ist oder nicht; wer unklug und kurzsichtig handelt, muß noch nicht geschäftsunfähig sein (vgl. Schumann-Lenckner, in: Göppinger- Witter, Hdb. der forensischen Psychiatrie I, S. 292 f.).

BayObLG, Beschluß v. 24.11.1988 - BReg. 3 Z 149/88. Sekundär-Quelle: NJW 1989, 1678 (Normenkette: FGG § 57 I Nr. 3; BGB § 104 Nr. 2
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Alt 06.11.2006, 09:17   #6
ars
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Beiträge: 89
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Hallo zusammen,
aus dem Urteil geht doch auch hervor, dass man zwar geschäftsfähig sein aber auf bestimmten Gebieten keinen freien Willen haben kann.
Zitat "Der Betroffene muß danach, soweit es um diese Angelegenheit geht, auf Grund einer geistigen Störung nicht imstande sein, seinen Willen frei und unbeeinflußt von ihr zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Ausschlaggebend für eine solche Beurteilung sind auch dabei nicht so sehr die Verstandesfähigkeiten eines Betroffenen, sondern vor allem die fehlende Freiheit der Willensbildung auf einem bestimmten Gebiet"
Deswegen werden ja Betreuungen in Aufgabenkreisen eingerichtet. Ein Beispiel: jemand kann durchaus seine Vermögensangelegenheiten regeln (ist also geschäftsfähig) seine Gesundheitsfürsorge aber nicht.

Auch die Aussage, Patientenverfügungen seien verbindlich, ist zu relativieren. Der Arzt kann die Patientenverfügung als Willensbekundung werten, muss aber nicht danach handeln. Er ist an seinen beruflichen Eid gebunden.
Es gibt daher Druck auf das Bundesjustizministerium, diesen rechtlichen Konflikt eindeutig zu lösen.
MfG
Arno
ars ist offline  
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Alt 06.11.2006, 11:56   #7
Roy
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Beiträge: 198
Standard

Zitat:
Zitat von ars

Hallo zusammen,
aus dem Urteil geht doch auch hervor, dass man zwar geschäftsfähig sein aber auf bestimmten Gebieten keinen freien Willen haben kann.
Hallo,

das nennt man "parzielle Geschäftsunfähigkeit". Dazu gibt es aber nur Urteile des genannten BayObLG.

Zitat:
Zitat von ars
Deswegen werden ja Betreuungen in Aufgabenkreisen eingerichtet. Ein Beispiel: jemand kann durchaus seine Vermögensangelegenheiten regeln (ist also geschäftsfähig) seine Gesundheitsfürsorge aber nicht.

Das BayObLG hat in Sachen Betreuungsrecht entschieden, dass bei Geschäftsfähigkeit nicht gegen den Willen die Betreuung eingerichtet werden darf (BayOLG Fam RZ 1995, 116/Artikel 2 GG).

§ 1896 BGB Absatz 1a sieht keinen partiellen freien Willen vor: Es heißt: "Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden."
http://dejure.org/gesetze/BGB/1896.html

Das jemand, der noch seine Geschäfte im vollen Umfang selbst Regel kann, in anderen Bereichen nicht handlungsfähig sein soll, ist auch abwägig. Auch allein schon die Verhältnismäßigkeit gebietet keinen Betreuer gegen den Willen eines Geschäftsfähigen zu bestellen. Denn das wäre ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in Artikel 2 GG. Das Recht auf "Freiheit zur Krankeit" ( BVerfGE 58, 208 ) wurde ja bereits erwähnt.

Zitat:
Zitat von ars

Auch die Aussage, Patientenverfügungen seien verbindlich, ist zu relativieren. Der Arzt kann die Patientenverfügung als Willensbekundung werten, muss aber nicht danach handeln. Er ist an seinen beruflichen Eid gebunden.
Es gibt daher Druck auf das Bundesjustizministerium, diesen rechtlichen Konflikt eindeutig zu lösen.
Eine Patientenverfügung ist verbindlich, wenn

1. sie die konkrete Behandlungssitution umfassst

2. der Patient nicht erkennbar von der Verfügung abweicht

3. sie im Zustand der Einwilligungsfähigkeit ausgestellt wurde

Das Bundesjustizministerium zu der Frage, wann Patientenverfügungen verbindlich sind:

Zitat:
Zitat von Bundesjustizministerium
"Wenn in einer Patientenverfügung Festlegungen für ärztliche Maßnahmen in bestimmten Situationen enthalten sind, sind diese Verbindlich, wenn durch diese Festlegungen ihr Wille für eine konkrete Behandlungssituation eindeutig und sicher festgestellt werden kann. Die Ärztin oder der Arzt muss eine derart verbindliche Patientenverfügung beachten. Die Missachtung des Patientenwillens kann als Körperverletzung strafbar sein. Der XII Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner Entscheidung vom 17. März 2003 betont, dass es die Würde des Menschen gebietet, ein im einwilligungsfähigen Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht - etwa in Form einer Patientenverfügung - auch dann nocht zu respektieren, wenn die Verfasserin oder der Verfasser der Patientenverfügung zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung nicht mehr in der Lage ist. Das betont auch die Bundesärztekammer in ihren Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung, in denen es heißt: "Patientenverfügungen sind verbindlich, sofern sie sich auf die konkrete Behandlungssituation beziehen und keine Umstände erkennbar sind, dass der Patient sie nicht mehr gelten lassen würde"."
Mehr siehe Broschüre des Bundesjustizministeriums (pdf-Datei 523 kb)
http://www.bmj.de/media/archive/1184.pdf

Grüsse - Roy
Roy ist offline  
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Alt 06.11.2006, 18:04   #8
Ehrenamtlicher Betreuer
 
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Hallo,

alles Theorie.

Ich habe selbst erlebt, dass bei der persönlichen Anhörung der Mensch sagte, dass er keine Betreuung wünscht. Und nach meiner Meinung wusste er, was er (nicht) wollte.

Antwort des Richters: "Das machen wir jetzt erstmal für ein Jahr, danach kann die Betreuung ja immer noch überprüft werden."

Der Betreute starb dann nach vier Wochen, insofern hat diese Geschichte keine Fortsetzung.

Gruss

Andreas
AndreasLübeck ist offline  
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Alt 06.11.2006, 18:09   #9
Roy
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Hallo,

das zwischen Theorie und Praxis oft eine große Lücke klafft liegt auch daran, dass die Beteiligten, einschließlich der Richter, sich nicht besonders mit dem Betreuungsrecht auseinandersetzen. Entscheidungen von Amtsrichtern werden oft von höheren Gerichten aufgehoben. Doch viele Betreute wissen kaum was von ihren ihren rechtlichen Möglichkeiten und finden auch keine fachkundigen Anwälte.

Grüsse - Roy
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Alt 06.11.2006, 18:32   #10
Ehrenamtlicher Betreuer
 
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Hallo,

der Antwort von Roy stimme ich voll zu. Es ergibt sich aber daraus die Frage, wie sinnvoll hier rechtstheoretische Diskussionen sind, wenn sogar die höchsten Entscheidungsträger sich nicht an den Willen des Gesetzgebers halten.

Ich weiss, dass ich da voreingenommen bin, nach meinem Geschack bewegt sich die Diskussion zu weit weg von der Praxis in Richtung Theorie. Aber das ist ein subjektives Empfinden, und jeder darf ja seine eigene Meinung dazu haben.

Gruss

Andreas
AndreasLübeck ist offline  
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