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hundeschar 08.08.2012 15:15

Zwei "Kümmerer"? Betreuungsgericht u. Vorsorgebevollmächtigter
 
Hallo liebe Forumgemeinde,

nachfolgend ein hochinteressanter Sachstand:

Ich besitze seit Anfang 2009 eine allumfassende Vorsorgevollm. - hinterlegt beim hiesigen Amtsgericht, bisher ohne Gebrauch.

Im März 2012 informiert Sparkasse dem Amtsgericht über zwei dubiose Auslandsüberweisungen ihres Kunden XY (mein Vollmachtgeber; 83 Jahre). Hier: Abzocke bei älteren Menschen.

Amtsgericht fasst den Beschluss zu prüfen, ob u. inwieweit ein Betreuer zu bestellen ist unter gleichzeitiger Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Gesundheitszustand und Einschaltung des Sozialen Dienstes.

XY teilt dem Gericht eine Nichteinverständniserklärung und den Namen seines Bevollmächtigten mit.

Gericht fordert mich als Bevollmächtigten auf, zum Schreiben der Sparkasse Stellung zu nehmen und fragt an, ob ich "weiterhin bereit bin, von der von Herrn XY erteilten Vorsorgevollmacht Gebrauch zu machen". Ich bejahe dies und gebe meine Stellungnahme ab.

Gericht erhält Ärztl. Gutachten u. Stellungnahme des Sozialen Dienstes.

Ich stelle beim Betreuungsgericht am 01.08. per Mail einen Antrag auf Beteiligung am Verfahren sowie Einbindung in den Schriftwechsel und beantrage gleichzeitig, mir Kontoeinsicht und Stornorechte einzuräumen.

Betreuungsgericht bittet mich mit Schreiben v. 01.08. (!), an der Anhörung von XY im Sept. teilzunehmen und erwägt, mich dem Betroffenen als Betreuer vorzuschlagen.

Tut mir leid - es ging leider nicht kürzer.

Ist diese Vorgehensweise des Betreuungsgerichts für unsere Forumgemeinde nachvollziehbar? Oder naiv gefragt: Warum muss der Bevollmächtigte das Gericht erst bitten, am Verfahren teilzunehmen? Oder noch naiver: Gibt es nun bald zwei "Kümmerer" . . . ?

Klärt mich bitte einmal auf.

Beste Grüße

hundeschar

laptop 08.08.2012 15:41

Hallo,

die Vollmacht geht grundsätzlich der Betreuung vor. Wenn Anhaltspunkte bestehen, dass das ein Mißbrauch mit der Vollmacht betrieben wird, dann kann ein Kontrollbetreuer bestellt werde, der kontrolliert dich oder er Widerruft im Namen den Vollmachtsgebers die Vollmacht, damit ein Betruer bestellt werden kann.
2 Kümmerer gibt es nicht.
Durch die Überweisungen ist wohl der Eindruck entstanden, dass du womöglich mit der Bevollmächtigung überfordert bist.
Du bist doch eingebunden worden in das Verfahren, indem man dich zur Stellungsnahme aufgefordert hat! Da sehe ich kein Problem.

Das Gericht will dich wohl auch nicht davon abhalten, dich um den Vollmachtsgeber zu kümmern, sonst wäre dir nicht die Übernahme der Betreuung vorgeschlagen worden.

Wenn du Betreuer wirst, dann musst du über die Kontenbewegungen Rechnung abegen, dadurch ist für das Gericht gesichert, dass keine seltsamen Dinge auf dem Konto passieren.
Wenn du Vollmachtsinhaber bist, musst du das nicht.

Fara 08.08.2012 15:48

Zitat:

Zitat von Andrea (Beitrag 64615)
Hallo,

die Vollmacht geht grundsätzlich der Betreuung vor.
Richtig. Eine Vorsorgevollmacht macht eine Betreuung überflüssig.
Wenn Anhaltspunkte bestehen, dass das ein Mißbrauch mit der Vollmacht betrieben wird, dann kann durch den Rechtspfleger ein Kontrollbetreuer bestellt werde (das scheint aber hier nicht der Fall zu sein, da hier laut #1 konkret ein Betreuer vorgeschlagen wurde und eingesetzt werden soll - vielleicht sollen auch mehr Aufgabenkreise durch die Betreuung abgedeckt werden, die in der Vorsorgevollmacht noch fehlen?!), der kontrolliert dich oder er Widerruft im Namen den Vollmachtsgebers die Vollmacht, damit ein Betruer bestellt werden kann.
2 Kümmerer gibt es nicht.

Durch die Überweisungen ist wohl der Eindruck entstanden, dass du womöglich mit der Bevollmächtigung überfordert bist.
Du bist doch eingebunden worden in das Verfahren, indem man dich zur Stellungsnahme aufgefordert hat! Da sehe ich kein Problem.
Zumal eine Beantragung zur Hinzuziehung als Beteiligter zum Verfahren per E-Mail nicht möglich sein dürfte (Justizias Mühlen mahlen langsam, immerhin benutzt man keine Keilschrift mehr).

Das Gericht will dich wohl auch nicht davon abhalten, dich um den Vollmachtsgeber zu kümmern, sonst wäre dir nicht die Übernahme der Betreuung vorgeschlagen worden.

Wenn du Betreuer wirst, dann musst du über die Kontenbewegungen Rechnung abegen, dadurch ist für das Gericht gesichert, dass keine seltsamen Dinge auf dem Konto passieren.
Wenn du Vollmachtsinhaber bist, musst du das nicht.
Falsch!! Selbstredend muss man als Vollmachtnehmer Rechenschaft ablegen. Entweder gegenüber dem Vollmachtgeber oder nach dessen Ableben gegenüber den Erben!! Man sollte auch bei bestehender Vorsorgevollmacht grds. lieber einen Beleg mehr als zuwenig aufbewahren!

..........

agw 08.08.2012 16:24

Zitat:

Zitat von hundeschar (Beitrag 64612)
Ich stelle beim Betreuungsgericht am 01.08. per Mail einen Antrag auf Beteiligung am Verfahren sowie Einbindung in den Schriftwechsel und beantrage gleichzeitig, mir Kontoeinsicht und Stornorechte einzuräumen.

Hallo Hundeschar,

also per Mail mit dem Gericht in Kontakt treten zu wollen ist eine schlechte Idee. Da sind immer noch Brief und max. Fax angesagt.

Da du durch das Gericht extra Konteneinsicht beantragen musst scheint deine Vorsorgevollmacht wohl im Bereich der Vermögenssorge nicht ganz so ausreichend zu sein, denn ansonsten könntest du ja mit deiner Vollmacht einfach auf der Bank handeln.

Fara hatte ja dazu bereits geschrieben das es dann Aufgabe des Gerichtes ist für die nicht von der Vollmacht gedeckten Bereiche eine Betreuung einzurichten um die Rechte des Betroffenen vertreten zu lassen.
Da du dafür vorgeschlagen wirst ist doch erst einmal alles ohne Problem.

Natürlich unterliegst du dann in den Bereichen der Betreuung der Kontrolle des Gerichts. Für den Bereich als Bevollmächtigter ist halt sehr die Frage wie die Vollmacht abgefaßt wurde und welche Regelungen dazu getroffen wurden. Das wirst du dir sicherlich noch mal in Ruhe anschauen müssen.

Viele angeblich "vollumfängliche Vollmachten" stellen sich bei näherer Betrachtung als eher löcherig heraus.

Gruß,
Andreas

laptop 08.08.2012 16:24

Hallo,
ich bezoge mich, ich denke eindeutig erkennbar, bei der Rechnungslegung auf das Gericht. Natürlich muss der Vollmachtsinhaber Rechnung ablegen gegenüber dem Vollmachtsgeber, das ist doch selbsverständlich.

Ich kenne es aus Akten so, dass der Richter den Kontollbetreuer bestellt und nicht der Rechtspfleger. Ist vielleicht beides möglich.

lg andrea

Fara 08.08.2012 18:38

Möglich ist es selbstverständlich, dass der (höhere) Richter die Aufgaben des Rechtspflegers mit erledigt. Andersrum geht das nicht.
Die Bestellung des Kontrollbetreuers obliegt jedoch originär dem Rechtspfleger.

fwu 08.08.2012 18:52

hallo Hundeschar,


ist die Vorsorgevollmacht notariell beurkundet oder bei der Sparkasse beglaubigt - wenn nicht kannst Du als Bevollmächtigter bei der Sparkasse bezüglich der Vermögenssorge wohl nicht verfügen.
Eine Bankvollmacht hast Du bisher offensichtlich noch nicht ?
In dem Fall würdest Du zusätzlich für den Bereich "Sparkasse" zum Betreuer bestellt werden, möglicherweise findet sich in der Vollmacht ein entsprechender Hinweis.

Nächste Überlegung wäre, den Betroffenen durch die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes vor weiteren dubiosen Bankverfügungen zu schützen. Dieser Einwilligungsvorbehalt kann aber nur im Rahmen einer Betreuuung angeordnet werden.


fwu

Imre Holocher 08.08.2012 21:49

Hallo Hundeschar

Falls das Gericht entscheidet keinen (also auch Dich nicht) zum Betreuer zu bestellen, dann mußt Du mit Deiner Vollmacht die Bankangelegenheiten regeln.
Fara hat schon darauf hingewiesen, dass es einen Einwilligungsvorbehalt in der Vermögenssorge nur bei einer Betreuung, nicht aber bei einer Vollmacht gibt. So ein Problem ist mir auch schon mal vorgekommen:
Der Sohn eines Betreuten hatte die Vermögensangelegenheiten über seine Vollmacht zu regeln. Der Vollmachtgeber war schon reichlich hinüber, aber kregel genug um in der Sparkasse fröhlich sein Geld zu verballern (wovon er 5 Minuten später schon nichts mehr wußte).
Die Betreuungserweiterung um die Vermögenssorge gab es nicht, weil da die Vollmach war. Aber:
Die Bank war mit einem fachärztlichen Attest bzgl. der fehlenden Geschäftsfähigkeit bereit, den Vollmachtgeber wie einen Betreuten mit EiWi zu behandeln.
Frag micht jetzt nicht, ob das juristisch OK ist, aber es hat in der Praxis gut funktioniert.
Also falls Du mal in die Verlegenheit kommen solltest, dann nimm den Beitrag als Vorschlag.

MfG

Imre

hundeschar 09.08.2012 13:20

Hallo liebe Forumgemeinde,

vielen Dank für die schnelle Rückinfo! Tolle sachliche Beiträge. Hut ab! Ich habe jetzt den „roten Faden“ gefunden.

Gestattet mir ein kurzes Feedback an euch:

1. Mail ans Gericht

Meine Schreiben ans Gericht werden von mir unterschrieben, als PDF-Datei eingescannt und meiner Mail als Anlage beigefügt. Die Mail enthält den Satz: „Wenn Sie das Original benötigen, bitte kurze Rückinfo“. Bisher kam keine Rückinfo. Ergo: Beim Gericht denkt man auch „betriebswirtschaftlich“.

2. Vorsorgevollmacht/Bankvollmacht

In der Tat habe ich keine notariell beglaubigte Vorsorgevollmacht und auch keine Bankvollmacht. Folglich kann ich die Kontobewegungen auch nicht einsehen. Die Sparkasse Bremen hat ein sehr ausgereiftes Vordrucksystem; dieses bindet den Kontoinhaber immer mit ein – und das ist auch gut so. Mein XY steht aber auf dem Standpunkt: Meine Geldgeschäfte kann ich noch gut selber erledigen . . .
Diesen „offenen Punkt“ wird jetzt das Gericht „nachregeln“ und einen Betreuer einsetzen. Für mich ist das jetzt nachvollziehbar.

3. Frage ans Gericht

Das Gericht hat meinen XY angeschrieben und ihn gebeten, einen Vordruck auszufüllen: „Mit der angeregten Betreuerbestellung bin ich einverstanden/nicht einverstanden . . .“. Mein XY bat mich um Hilfe, da er den Vordruck nicht verstanden hatte. Nun ging bei mir die „rote Lampe“ an. Es folgte der handschriftliche Hinweis auf eine vorhandene Vorsorgevollmacht, abgelegt unter Az. XY. Ab jetzt erfolgte meine Einbindung durchs Gericht.

Frage:

Was wäre gewesen, wenn das Gericht diesen Hinweis auf vorhandene Vorsorgevollmacht nicht erhalten hätte? Das war doch nur purer Zufall.

Doch zwei Kümmerer? Einer für die Vermögenssorge, der andere für den Rest?

Wer kann die Antwort des Gerichts vorhersagen? Freiwillige bitte vor.

Beste Grüße aus Bremen

hundeschar

Fara 09.08.2012 13:29

Vorhersagen kann mit großem Talent und entsprechendem Studium der Weissager, der Visionär und manchmal auch der Meteorologe ;)

Zu 1.:
Nein, das Gericht denkt nicht betriebswirtschaftlich und spart auch nicht an Papier. Der Kommunikationsweg ist über E-Mail noch nicht "freigegeben". Alles, was es zu regeln gibt, ist per Post oder Fax möglich. E-Mail, auch eingescannte Schreiben gehen nicht bzw. nur in Registersachen (und dort auch nur mit bestimmten Systemvoraussetzungen und Freischaltungen durch die Oberbehörden).

Zu 2.:
Wenn keine Kontovollmacht besteht und die (notarielle) Vorsorgevollmacht die Finanzen ausgespart hat, ist die Vermögenssorge nunmehr einzurichten, wenn der Bedarf insoweit besteht. (Die Vollmacht ist also nicht allumfassend, siehe #1.)

Zu 3.:
Der Hinweis auf die bestehende Vorsorgevollmacht ist mit Sicherheit nicht verkehrt, auch bei Gericht kann mal was untergehen (wenn die Vorsorgevollmacht schon dort aktenkundig ist). Aber je nach Art und Umfang, Bereitschaft des Bevollmächtigten etc. kann auch ein anderer die Vermögenssorge übertragen erhalten. Es kommt immer auf den Einzelfall an.
Wenn Du jetzt die Betreuung insoweit übernehmen willst, gut.
Wenn Du sagen würdest: Nee, Aktien, Depots, Beihilfe, das ist mir alles zuviel - würde es ein anderer machen.


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