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michaela mohr 20.10.2019 10:02

Gefahr im Verzug oder doch nicht?
 
Guten Morgen ihr Fleissigen, hab da nen Fall wo ich irgendwie noch grüble........
Betreute ist 72, studiert, super Fassade, extrem misstrauisch und extrem widersprüchlich. Z.B. Betreuer schnüffeln überall herum, nehmen alles weg aber..... bitte bleiben sie doch noch, nach knapp 1 1/2 Std. Hausbesuch.
Sie scheint- meinem persönlichen Eindruck nach- völlig verwirrt, die Gespräche kann man nicht Gespräche nennen. Es wird zwar geredet aber wirklichen Sinn macht das alles nicht. Alkohol spielt eine insofern gemässigte Rolle als dass er, hochprozentig, über den Tag verteilt immer genippt wird.
Die Gute geht gerne in den Ort, nutzt fleissig die Bankkarte uzum Kauf von Alk und Ziggis, findet manchmal nicht wiederin die Wohnung zurück, kann sich nicht entscheiden.

Meinem Eindruck nach fände sie alleine in die Wohnung zurück aber....... hätte dort gerne Gesellschaft. Deshalb spricht sie scheinbar hilflos Wildfremde auf der Strasse an und lässt sich "helfen". Diese Leute lässt sich dann nicht wirklich wieder gehen. Ich hab dann Anrufe, dass ich kommen soll weil sie doch absolut hilflos und unberechenbar scheint aber derjenige dann doch auch wieder aus der Wohnung weg will.
Im Hintergrund sind sehr besorgte Angehörige die die Betreuung beantragt haben und sich jetzt irgendwie natürlich Wunder und sofortiges Handeln erhoffen. (Das lässt sich derzeit noch gut händeln, ist problemfrei aber doch auch vorhanden)


Wr haben hier eine gerontopsychiatrische Abteilung im KH wovon ich mir viel verspreche zur genauen Abklärung. Auch ein Altersheim mit einer spezielen Demezabteilung ist in der Nähe.


Sorgen machen mir ihre Halsstarrigkeit, die zur Schau gestellte Unvernunft/mangelnde Einsicht. Freiwillig wird sie meiner Einschätzung nach in nichts einwilligen, nicht mal in "Besichtigungen". Pflegegrad wird sie nicht bekommen, höchstens den Entlastungsbetrag aber das ist letztlich nur ein Tropfen auf den heissen Stein.

Dieses Draussen-Rumlaufen ist keine Gefahr im Verzug meiner Meinung nach. Jetzt, bei der herrschenden Witterung, wäre das komplett konstruiert. Hätten wir Dezember würde das anders aussehen aber hätte, hätte -Fahrradkette. Wir haben einen milden Oktober.
Abwarten macht mir aber auch bischen Bauchweh, sie wohnt am Feldrand, abends einmal umgefallen und im Nassen leigen geblieben....könnte schlimme Folgen haben. Passiert ist das noch nicht. Erstaunlicherweise gibt es immer noch genügend hilfsbereite Menschen ohne Betrugsabsichten. Sich aber darauf verlassen kann ich mich auch nicht.

Meine Tendenz ist derzeit abwarten, reden, versuchen sie von dem KH Aufenthalt oer Altersheimbesichtigung zu überzeugen. Kann allerdings sein, dass sie zusagt und sich im entscheidenden Moment dann strikt weigert weil, s.o.


Hausärztin ist erst seit einem halben Jahr involviert mit bisher 3 Besuchen.


Herrjeh, gehe ich in die falsche Richtung? Denkfehler?

mimi91 20.10.2019 13:16

So einen ähnlichen Fall hatte ich auch. Ich hatte der Dame dann z. B. anfangs ein Foto von mir mit Telefonnummer und allem an die Wohnungstür gehängt, da sie sofort wieder vergass, wer ich war. Na ja, das Foto klebte sie dann in ihren Schlafzimmerschrank...
Sie war körperlich absolut fit und hatte eine beeindruckende Fassade aufgebaut. Es folgte eine Erstberatung mit dem Pflegestützpunkt. Die Mitarbeiterin war keine Hilfe. Dann ein Erstgespräch mit dem Pflegedienst, dessen Meinung war: das gibt keinen Pflegegrad. Ich habs trotzdem beantragt. Die Gutachterin hat - ohne dass ich ein Wort sagte - sofort erkannt, was los ist und sie bekam Pflegegrad 3. Dann habe ich - das dauerte Monate - den Pflegedienst "eingeschlichen", guten Erfolg hatte ich mit einem "jungen Mann" , das hat ihr gefallen. viel machen durften die nicht, aber so war jeden Tag jemand da, hat für Essen gesorgt usw. Sie war auch in der Nachbarschaft und im Supermarkt bekannt, auch der Hausmeister hatte ein Auge drauf. wobei die Nachbarn sich eher um sich selbst Sorge machten (was ist wenn sie mal das Wasser nicht abdreht usw) Trotzdem hat man natürlich Bauchweh. EC-Karten etc. konnte ich ihr nach und nach "abnehmen". Mit dem Hausnotruf hat sie auch gern gesprochen. Na ja, aber dann kam der Moment, wo sie nachts durch die Stadt zu ihrer früheren Wohnung lief, dort "Einlass begehrte" und weder von Polizei noch Pflegedienst zu beruhigen war. Es folgte ein kurzer Aufenthalt in der Psychiatrie, wo sie für Unterhaltung sorgte. Dort konnte ich sie davon überzeugen, "in Erholungsurlaub" zu gehen. Ich hatte einen Platz in einer Senioren-WG gefunden. Dort ist sie jetzt glücklich und zufrieden seit 2 Jahren, hat ihre Wohnung sofort vergessen und "kümmert" sich um ihre Mitbewohner. Ich bin die "Chefin" , wenn ich komme und ausbedungen hat sie sich nur, dass man sie nicht mit einem der männlichen Bewohner "verkuppelt"

Grundsätzlich bin ich für Abwarten, aber sobald etwas vorfällt, ist Handlungsbedarf gegeben.

Imre Holocher 20.10.2019 15:19

Moin moin

Solche älteren Damen scheinen gerade Saison zu haben. Reichlich verwirrt, bzw. dement, örtlich nicht mehr so recht orientiert - aber gleichzeitig durchaus in der Lage sich von den einen Personen Hilfe zu verschaffen und anderen Personen gelegentlich schwer auf die nerven zu fallen. Ärzte o.ä werden abgelehnt und man kann natürlich alles noch selber...

So jemand habe ich auch gerade als Betreute bekommen. Eigene Wohnung, Körperlich zäh und halbwegs fit, zumindest keine Gebrechen, die gepflegt werden müßten. Aber reichlich dement, dass es schon wieder fast drollig ist. Und natürlich : Heim? Nein danke.

Natürlich wollen alle, dass man als Betreuer umgehend - am besten zu gestern - hilft. D.h. die einen wollen, dass die von ihnen geleistete Hilfestellung von wem anders übernommen wird (ist ja auch belastend...) und die anderen wollen, dass die nervige Alte sofort von der Bildfläche verschwindet.

Mimis Idee, erst einmal abzuwarten, bis sich eine Gelegenheit zu einer Aktion ergibt, sehr sinnvoll. Was sollte man sonst auch tun - ohne sich damit gleich Ärger von irgendwem einzuhandeln?
Also abwarten, die Lage und eventuellen Möglichkeiten abchecken. Die bisher vorhandenen Helferlein unterstützen, damit die dabei bleiben und dir helfen, den passenden Moment nicht zu verpassen.
Und auch die eventuell vorhandenen Gegner einbinden, in dem sie dir Argumente sammeln (Missetaten und Störungen genau dokumentieren und dir melden), falls mal eine Unterbringung notwendig und begründet werden sollte.

Überstürzen bringt da nichts. Alte Menschen sind manchmal reichlich schwierig und unflexibel, weshalb ja auch grundsätzlich ihnen gegen über eine gewisse Vorsicht verlangt wird. Z.B. im Straßenverkehr wg. unberechenbarem Verhalten.
Viele Dinge, die alte, demente Menschen so verzapfen fallen unter das allgemeine Lebensrisiko.
Sie aus reiner Vorsicht und Fürsorge deshalb gleich aus dem Verkehr zu ziehen und in einem Heim unterzubringen, halte ich für eine Überreaktion und durchaus auch für Freiheitsentziehung. Das sollte für eine Berechtigung schon sehr gut begründet sein.

Dass man da als BetreuerIn (auch wg der Haftungsfragen) erst mal ganz schön ins Schwitzen kommen kann, ist verständlich. Eine gute Dokumentation (auch und gerade gegenüber dem Betreuungsgericht) hilft da sehr.

Michaela:
"Meinem Eindruck nach fände sie alleine in die Wohnung zurück aber....... hätte dort gerne Gesellschaft. Deshalb spricht sie scheinbar hilflos Wildfremde auf der Strasse an und lässt sich "helfen". Diese Leute lässt sich dann nicht wirklich wieder gehen. Ich hab dann Anrufe, dass ich kommen soll weil sie doch absolut hilflos und unberechenbar scheint aber derjenige dann doch auch wieder aus der Wohnung weg will."

Deine Betreute hat doch durchaus Stärken: Sie schafft es, sich Hilfe zu holen, wenn sie nicht mehr weiter weiß. Sie ist also nicht hilflos.
Im Gegensatz zu den Menschen, die ihr dann helfen wieder nach Hause zu kommen. Die wollen dann Hilfe von Dir, weil sie sich nicht wieder wegtrauen. Deren Betreuerin bist Du aber nicht.

MfG

Imre

michaela mohr 20.10.2019 16:47

Zitat:

Solche älteren Damen scheinen gerade Saison zu haben.
Stimmt wenn ich euch so lese:giggleswe:


Zitat:

Grundsätzlich bin ich für Abwarten, aber sobald etwas vorfällt, ist Handlungsbedarf gegeben.
Dem würde ich gerne vorbehaltlos zustimmen aber irgendwas hindert mich.Gut, du bist schon ein Stück weiter, ich erst am Anfang.


Zitat:

Die bisher vorhandenen Helferlein unterstützen,
Hier habe ich noch keine, von den Angehörigen abgesehen die ich aber noch nicht wirklich einschätzen kann.


Zitat:

Sie aus reiner Vorsicht und Fürsorge deshalb gleich aus dem Verkehr zu ziehen und in einem Heim unterzubringen, halte ich für eine Überreaktion und durchaus auch für Freiheitsentziehung.
An eine Unterbringung hatte nicht gedacht......aber an das Heim mit der Demenzabteilung. (Höherer Personalschlüssel, ein wirklich schöner Demenzgarten und gerade mal drei Strassen weiter wie jetzt die Wohnung. Ihr blieben die bishrigen Kontakte, Geschäfte,Ärzte usw. erhalten und- das ist in meinen Augen der grösste Vorteil- sie hätte endlich die ersehnte Gesellschaft vor der man keine Befürchtungen hegen müsste.
Am Tag der Anhörung hat sie mir zuvor sehr stolz einen Zettel gegeben mit einer Telefonnummer, sie hat schon einen Betreuer vom Gericht. Der arbeitet nebenher im Kiosk wo sie auch immer einkauft.:LOL:Da steht bei die Alarmampel auf Rot.


Auf jeden Fall Danke euch erstmal:a040:

Imre Holocher 20.10.2019 19:07

Moin Michaela

Zitat:

Zitat von michaela mohr (Beitrag 121706)
An eine Unterbringung hatte nicht gedacht......aber an das Heim mit der Demenzabteilung. (Höherer Personalschlüssel, ein wirklich schöner Demenzgarten und gerade mal drei Strassen weiter wie jetzt die Wohnung. Ihr blieben die bishrigen Kontakte, Geschäfte,Ärzte usw. erhalten und- das ist in meinen Augen der grösste Vorteil- sie hätte endlich die ersehnte Gesellschaft vor der man keine Befürchtungen hegen müsste.

Unterbringung wäre auch wirklich die harte Nummer. Aber auch schon die Verlegung bzw. der Umzug in das von Dir beschriebene Heim mit Demenzgarten könnte von der Betreuten subjektiv schon als Freiheitsberaubung angesehen werden.
Wenn Du Dir etwas Zeit lassen und jemand für Besuche organisieren kannst, der/die dann mit der Betreuten gelegentlich mal zum Kaffee-Trinken zu dem Heim begleitet, kann sie durchaus auf den Gedanken kommen, dass es ihr dort gefällt...
Auf diese zurückhaltende und gemütliche Arzt ist schon so manche alte Dame gerne in ein Heim gegangen, was sie vorher vehement verweigert hat. Man muss ihr nur Zeit lassen können.

MfG

Imre

michaela mohr 20.10.2019 23:30

Zitat:

Aber auch schon die Verlegung bzw. der Umzug in das von Dir beschriebene Heim mit Demenzgarten könnte von der Betreuten subjektiv schon als Freiheitsberaubung angesehen werden.
Es ist natürlich klar dass ein solcher Umzug nur auf Freiwilligkeit basieren kann. Das geht ja auch nicht von jetzt auf sofort.
Notfalls unterschreibt sie wöchentlich dass sie umziehen will- gar keine schlechte Idee eigentlich.

Berufsbetreuerin! 03.12.2019 14:00

ich habe auch einen ähnlich gelagerten fall eines ehepaares am start. eigentlich ist der verbleib in der eigenen wohnung grenzwertig, aber sie wollen absolut nicht in ein heim. ich habe da jetzt einen pflegedienst drin, essen auf rädern, haushaltshilfe, einkauf wird geliefert. den führerschein entziehen lassen, das auto verkauft und den herd abklemmen lassen, nachdem es eine brennende bratpfanne gab. zum glück ist vermögen vorhanden, sonst wäre es alles wesentlich schwieriger umzusetzen. jetzt hoffe ich erst mal das beste, aber die nachbarn sind natürlich alle nicht wirklich begeistert...

Susi K 03.12.2019 14:45

Hast Du schon mal darüber nachgedacht, dem Paar im Rahmen einer Verhinderungspflege den vorübergehenden Aufenthalt in einem guten Heim schmachkhaft zu machen? So eine Art Urlaub von Zuhause? Je nach Finanzlage und Pflegegrad selbstverständlich. Bedeutet vorübergehend allerdings einen erhöhten Betreuungsbedarf, damit auch alles gut läuft.

Berufsbetreuerin! 12.12.2019 11:54

versucht ja ... aber sie wollen nicht. aber zumindest durfte ich diesmal einen Stapel Heimbroschüren dalassen :-).


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