Dies ist ein Beitrag zum Thema Die finanzielle Misere der Berufsbetreuer – Zahlen und Fakten im Unterforum Situation der Betreuer/innen , Teil der Offenes Forum gesetzliche Betreuung
Es wird Zeit, die Problematik rund um die Vergütung der Berufsbetreuer deutlich beim Namen zu nennen und mit einigen Gerüchten ...
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Berufsbetreuerin
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Es wird Zeit, die Problematik rund um die Vergütung der Berufsbetreuer deutlich beim Namen zu nennen und mit einigen Gerüchten aufzuräumen, die leider auch hier im Forum verbreitet werden.
Im Juni 2024 veröffentlichte das BMJ den „BERICHT ZUR EVALUIERUNG DES GESETZES ZUR ANPASSUNG DER BETREUER- UND VORMÜNDERVERGÜTUNG VOM 22. JUNI 2019“. https://www.bmj.de/SharedDocs/Downlo...cationFile&v=2 Liest man in der Zusammenfassung aus S. 55 den folgenden Satz: „Berufliche Betreuerinnen und Betreuer (Vereinsbetreuer und selbstständige Betreuer) erzielen derzeit im Median ein monatliches Bruttoeinkommen von bis zu 4.000 Euro. Dem stehen bei den selbstständigen beruflichen Betreuern allein monatliche Sach- und Personalkosten in Höhe von 1.656 Euro gegenüber.“, kann man vor Entsetzen eigentlich nur noch hintenüberfallen und sich auf die Suche nach beruflichen Alternativen machen. Um es allen, die sich fragen, was das bedeuten soll, ganz deutlich zu sagen: Nach Abzug der Sach- und Personalkosten bleibt keineswegs das Nettoeinkommen übrig. Es sind davon die Vorsorgeaufwendungen, also Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie die Altersvorsorge abzuziehen und natürlich ist auch die Einkommensteuer noch zu subtrahieren. Wer das nicht glaubten mag, liest hier auf S. 22 nach unter „Kostenstruktur“: https://www.bmj.de/SharedDocs/Downlo...cationFile&v=2 Weiter im Evaluationsbericht: „Im Median arbeiten die Befragten insgesamt 39 Stunden pro Woche – unabhängig davon, ob Angestellte/Hilfskräfte vorhanden sind oder nicht (n=7450)…. Personen, die in Vollzeit (zwischen 38 und 41 Wochenstunden) tätig sind, führen im Median 42 Betreuungen gleichzeitig.“ (S. 16). Da weiß man, wo man als Betreuer steht. Das bedeutet: Wer Betreuungen in der Form führt, die von offizieller Seite gewünscht ist, also den Qualitätskriterien genügt, die an uns herangetragen werden, ist schlicht des Wahnsinns. Wir sollen ein Büro für Besprechungen bereithalten und nach Möglichkeit auch Angestellte beschäftigen, aber nicht zu viele Betreuungen führen, da dann die Qualität leidet usw. usf.. Wie wir den Zeit- und Kostenaufwand bewältigen sollen, der durch professionelle Organisation und qualitativ hochwertige Arbeit entsteht, bleibt unter diesen Umständen ein Mysterium. Der Rat, der hier im Forum erteilt wurde, lautet: Größere Bürogemeinschaften bilden. Dann könne man effektiver arbeiten, Kosten für Räumlichkeiten, Equipment und Personal teilen. Dass für solche Bürogemeinschaften ausreichend große, Räume allerdings viel Geld kosten, dass mit der Anmietung ein erhebliches Risiko besteht, dass interimsweise Räume leer stehen und von den Verbleibenden mitfinanziert werden müssen, dass v.a. Personal sehr teuer ist und sein Einsatz nicht durch die Pauschalen gedeckt wird, scheint diesen Ratgebern nicht präsent zu sein. Wenn man diese Ausgaben stemmen will, muss man viele Betreuungen führen. Die Befragung, deren Ergebnisse die Grundlage des Referentenentwurfes bilden, verrät uns, dass man davon ausgehen kann, dass spätestens ab einer Zahl von 40 Betreuungen personelle Unterstützung benötigt wird. https://www.bmj.de/SharedDocs/Downlo...cationFile&v=2 Verweilen wir mal einen Augenblick bei den Personalkosten: Selbst eine Reinigungskraft im Anstellungsverhältnis kostet den Arbeitgeber mittlerweile mindestens 22 Euro bis 35 Euro pro Stundehttps://www.finanztip.de/haushaltshilfe-kosten/und wir alle hoffen wohl, dass die Arbeitskraft im Betreuungsbüro, die uns entlasten soll, etwas mehr kann als nur gut putzen. Ausgehend vom Referentenentwurf werden Angestellte von Betreuern durchschnittlich 25 Stunden pro Woche eingesetzt. Jetzt rechnet euch das mal aus, wenn die Angestellte nur 22 € pro Stunde kostet, also so viel wie eine sehr preiswerte Putzfrau. 22 x 25 x 52 (Wochen) sind allein 28.600 € im Jahr. Angestellte haben pro Jahr 6 Wochen Urlaub und werden krank. Sie müssen eingearbeitet werden und damit sie arbeiten können, ist regelmäßige Kommunikation vonnöten. Beides „bezahlen“ wir mit dem Einsatz unserer eigenen Arbeitszeit. Wo sollen angesichts der aktuellen und der ab 2026 drohenden Betreuervergütung für einen durchschnittlichen Betreuer die Mittel herkommen, um überhaupt Angestellte zu bezahlen, geschweige denn auskömmlich zu arbeiten und gleichzeitig die Qualitätsanforderungen zu erfüllen? Das ist schlicht unmöglich, wenn man von der Betreuungsarbeit leben möchte. Der Referentenentwurf selbst verrät uns auf S. 17, mit welchen Sachkosten wir in etwa kalkulieren können und müssen. https://www.bmj.de/SharedDocs/Downlo...cationFile&v=3 Wir können uns leicht ausrechnen: Mit Büro und Angestellten müssen mindestens ca. 60 Betreuungen geführt werden, um auf ein Gehalt zu kommen, welches dem eines angestellten Sozialarbeiters vergleichbar ist. Es kann ohnehin nur in der höchsten Vergütungsstufe gelingen. Das bedeutet: Den Betreuer nach klassischer Idealvorstellung mit Büro außerhalb der Wohnung, KFZ und 35-40 Betreuten wird es wohl sehr bald nicht mehr geben, weil dieses Modell schlicht auch für Berufsbetreuer mit akademischem Hintergrund in Vergütungsstufe C nicht (mehr) finanzierbar ist. Wenn man halbwegs zurechtkommen will, bleiben eigentlich nur 2 Varianten. Die eine sieht so aus, dass Betreuungen nur nebenbei geführt werden. Als Nebentätigkeit, durch Eltern beaufsichtigungspflichtiger Kinder, bei denen die zeitliche Flexibilität im Vordergrund steht oder älteren Betreuern, die quasi schon in Altersteilzeit sind oder ihre Rente aufbessern möchten. Davon wird es mutmaßlich auch in Zukunft recht viele geben, denn der selbstständige Durchschnittsbetreuer ist bereits heute sage und schreibe 54 Jahre alt und hat sich oft keine hinreichende Alterssicherung schaffen können. Wenn man einen besserverdienenden Ehepartner hat, idealerweise sogar familienversichert ist, vom häuslichen Schreibtisch aus arbeitet, kann man ganz gut etwas dazuverdienen. Die zweite Variante ist die der BetreuerINNEN mit 60 Betreuungen oder mehr. Dieses Geschäftsmodell dürfte das Gegenteil von dem sein, was ursprünglich mit der Reform einmal erreicht werden sollte, denn es versteht sich von selbst, dass für die persönliche Betreuung des einzelnen Klienten unter diesen Umständen kaum Zeit übrigbleibt. Der Ansatz des Zeitfaktors wird in der Begründung des Referentenentwurfs negiert: „Ein durchschnittlicher Zeitaufwand beziehungsweise verschiedene Zeitaufwände für bestimmte Fallkonstellationen lassen sich mangels belastbarer empirischer Daten kaum verlässlich abbilden. Solche Daten sind wegen der Vielgestaltigkeit der Betreuungsverhältnisse auch kaum seriös zu ermitteln. Ein Zeitfaktor ist im Übrigen bei der Konzeption 2019 in den bestehenden Pauschalen eingepreist worden, da die früheren Stundenansätze als Grundlage für die Berechnung der Pauschalen herangezogen wurden. Eine grundsätzliche Rückkehr zu einer aufwands- beziehungsweise zeitbezogenen Bemessung der Vergütungshöhe wäre mit erheblichen Bürokratiekosten verbunden, da Stundenansätze im Einzelfall überprüft werden müssten.“ https://www.bmj.de/SharedDocs/Downlo...cationFile&v=3 (auf S. 16). Meines Erachtens ist das ein absoluter Witz. Neben der Qualifikation der Berufsbetreuer ist der Zeitaufwand der entscheidende Faktor, der die Qualität der Betreuungsleistung bestimmt. Nur wenn ich hinreichend Zeit für die Bedürfnisse der einzelnen Betreuten aufbringen kann, kann ich ihnen auch gerecht werden. Die Studie bzgl. der Qualität sieht dies nicht anders: „Für eine gute Betreuungsführung wird hinreichend Zeit benötigt… Die Zeitbudgeterhebung ergab für den tatsächlichen Zeitaufwand über alle Betreuungen einen Mittelwert von 4,1 Stunden pro Betreuung pro Kalendermonat. Der Mittelwert des derzeitig vergüteten Zeitaufwands liegt demgegenüber bei 3,3 Stunden pro Betreuung pro Kalendermonat – der tatsächliche Zeitaufwand liegt also im Durchschnitt um 24% höher als der vergütete Zeitaufwand. Eine Validierung anhand statistischer Rahmendaten stützt die Verlässlichkeit dieser Angaben (Seite 475 f.)“ und: „Handlungsempfehlung 53: Die pauschalen Stundenansätze müssen erhöht werden, um den tatsächlichen Zeitaufwand zuverlässig abzubilden. Eine solche Erhöhung kann auch für die einzelnen Varianten der Pauschalen vorgenommen werden, für die auf empirischer Basis differenzierte Ergebnisse zum tatsächlichen Zeitaufwand ermittelt wurden.“ (S. 54 f.) https://www.bmj.de/SharedDocs/Publik...cationFile&v=3 Und all dies bezieht sich noch auf die Zeit vor der Reform 2023, die eine höhere Betreuungsqualität garantieren soll und für Betreuer zusätzliche, im Gesetz festgeschriebene Pflichten mit sich bringt. Der BdB hat in einer vom IFB umgesetzten Mitgliederbefragung ermittelt, dass sich ein reformbedingter Mehraufwand von rund 27% ergibt, der derzeit nicht vergütet wird oder aus Zeitmangel nicht im erforderlichen Umfang erbracht wird. https://www.berufsbetreuung.de/filea...n_Betreuer.pdf |
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#2 |
Berufsbetreuerin
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Der Gesetzgeber versucht im Ergebnis, sich jeglicher Verantwortung für die Erfüllung der Qualitätskriterien, die er selbst ausgerufen hat, zu entledigen. Es ist völlig absurd, dass der zeitliche Aufwand, den Betreuer zu erbringen haben, um ihren Aufgaben gerecht zu werden, keine Rolle spielen soll. Unser Wissen und unser zeitlicher Einsatz sind die Währung, die wir in unseren Beruf einbringen. Der Gesetzgeber versucht diese Faktoren ins Reich der Bedeutungslosigkeit zu schwadronieren. Das Tolle für ihn ist: Er gewinnt immer. Er hat mit seiner Reform des Betreuungsrechts die Rechte der Behinderten gestärkt – ganz toll! Betreuer müssen neuerdings einschlägige, in umfangreichen und teuren Seminaren erworbene Schlüsselqualifikationen mitbringen – auch ganz toll (vom Gesetzgeber natürlich!) Wer zahlt für den Erwerb dieser Qualifikationen? Natürlich die Betreuer in spe. Und was ist, wenn sie ihre Skills kaum einsetzen können, weil ihnen keine Zeit dafür zur Verfügung steht oder umgekehrt sich zwar Zeit nehmen, sich aber dafür keine berufliche Existenz aufbauen können? Dann sind sie selbstverständlich selbst schuld. Ob Berufsbetreuer sich für’n Appel und ‘nen Ei selbst ausbeuten – dann kriegt der Staat ihre Arbeit so gut wie umsonst – oder ob sie Betreuungen in so großen Zahlen führen, dass qualitativ nichts mehr übrig bleibt – dann erfüllt der Staat ja trotzdem seine Aufgabe, weil er rechtliche Betreuung für so und so viel Personen finanziert (Das haben die Verantwortlichen gut gemacht. Sie werden bestimmt wieder gewählt).
Der Gesetzgeber beschäftigt sich detailliert damit, wie lange ein paar Anweisungsbeamte brauchen, um Betreuervergütungsanträge zu bearbeiten und wie man der Justiz dadurch Zeit und Kosten sparen kann. Ähnlich beim Berichts- und Rechnungslegungswesen. Der Zeitaufwand der Rechtspfleger ist natürlich ein Thema, denn die müssen, im Gegensatz zu Betreuern, für die aufgewendete Arbeitszeit bezahlt werden. Das Ganze zeugt von so viel Zynismus, dass es bei mir nur noch Übelkeit hervorruft. |
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#3 |
Berufsbetreuerin
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Beiträge: 1,139
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Es wurde wiederholt behauptet, es habe 2013 eine Vergütungserhöhung gegeben.
2013 fiel durch ein Urteil des Bundesfinanzhofes die Umsatzsteuer fort, weil die Besteuerung der Betreuungsleistungen durch gerichtliche Entscheidung für rechts- und systemwidrig erklärt wurde. Der Fortfall einer rechtswidrigen Beteuerung ist m.E. mit einer Vergütungserhöhung Gründen nicht vergleichbar. Das hat u.a. folgende Gründe: - Die Aspekte der Anerkennung der Leistungen, wie sie bei einer bewussten und gewollten Vergütungserhöhung gegeben sind fehlen - Der Gedanke an die Entwicklung von Modi künftige Anpassungen kann bei einer erzwungenen Veränderung weitere Jahre zur Seite geschoben werden. So geschah es hier. - Die Betreuer wurden und werden so in permanenter Unsicherheit über ihre finanzielle Zukunft gehalten - Für viele Betreuer bedeutet dieser Umstand permanent oder wiederkehrend eine zusätzliche Belastung durch zeitintensive Lobbyarbeit. Aber schauen wir uns doch einmal die wirtschaftliche Seite an, denn es wurde behauptet, dass durch den Fortfall der Umsatzsteuer netto ein Plus von 14 – 15 % bei den Betreuern hängen geblieben sei. Stimmt das? 2005 gab es eine große Vergütungsreform. Damals wurden die Vergütungspauschalen eingeführt. Manche der Kollegen, die damals schon tätig waren, nahmen das positiv auf. Für manche Betreuer bedeutete es, dass sie erheblich mehr Fälle annehmen mussten, sich sehr stark umstellen mussten und Jahre brauchten, bis sie den Einkommensverlust, der sie traf, weil sie pro betreuter Person sehr viel weniger Stunden einsetzen konnten als zuvor, ausgeglichen hatten. Ich erspare mir und euch eine Wertung dieser individuell unterschiedlichen Auswirkungen. Für alle aber galt: Die Pauschalvergütung ab 2005 wurde auf der Basis der Annahme festgelegt, dass ein Umsatzsteuersatz von 16 % gilt. Im Jahr 2006 wurde die Mehrwertsteuer auf 19 % erhöht. Das bedeutet, dass die KollegINNen in den folgenden 7 Jahren einen gegenüber der ursprünglich festgelegten Vergütung um 3 % verminderten Salär erhielten. Dabei blieb es nicht. Zwischen 2005 und 2013 betrug die Inflation 15 %. https://de.statista.com/statistik/da...s-zum-vorjahr/ https://www.destatis.de/DE/Themen/Wi...tml#_jnjqlsedb Wer also im Jahr 2013 beruflich Betreuungen führte, hatte gegenüber dem Jahr 2005, in dem die Vergütungsreform erstmals wirksam wurde, ein Minus von 18 % zu verzeichnen, zusammengesetzt aus den 3% USt, die zusätzlich auf die Vergütung zu zahlen waren und den Effekten der Inflation. Nach dem Urteil des BFH entfiel ab dem 01.07.2013, also fast 8 Jahre später, die Umsatzsteuer. Nun bedeutete dies natürlich im Vergleich zu der ursprünglichen Festsetzung ab 2005 keine 19 %ige Erhöhung, sondern eine nominell 16%ige. Von diesen 16 % blieben selbstverständlich auch nicht „für alle Berufsbetreuer ca 14-15 % mehr unterm Strich“ übrig. Unterm Strich steht das Nettoeinkommen, und auf die 16 %, Mehreinnahmen, die in die Kassen der Betreuer flossen, war Einkommensteuer zu zahlen. Gehen wir doch mal von einem Jahreseinkommen vor Steuern von 36.000 € aus. Darauf waren für das Jahr 2013 exakt 8700,86 € an das Finanzamt zu zahlen. Jetzt erhöhen wir den Betrag des Steuerbrutto um 19 %. Das macht dann 42.840 €. Darauf waren für das Jahr 2013 11.533,59 € Steuern zu zahlen. https://www.grundtabelle.de/Grundtabelle-2013.pdf Das nennt man Steuerprogression. Wir errechnen ein Plus von ca. 11 % - fast 8 Jahre nach der letzten Erhöhung, die nicht wenige Betreuer nicht als solche erlebt hatten. Findige Köpfe aus dem BMJ und ihre Freunde argumentieren, dass es ja Umsatzsteuer für die Zeit vor dem 01.07.2013 zurückgab und dass Betreuer diese Gelder eigentlich niemals hatten erhalten sollen, weil man die Pauschalen 2005 direkt um die Umsatzsteuer reduziert hätte, wenn man gewusst hätte, wie der BFH urteilen würde. Nun, erstens gab es die Umsatzsteuer nur für diejenigen zurück, die vorausschauend die – soweit ich mich erinnere, recht komplizierten rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen hatten, also von dem Verfahren vor dem BFH wussten und ihre Umsatzsteuer nur unter Vorbehalt (oder so ähnlich) gezahlt hatten. Zweitens schlug bei denen, die eine große Rückzahlung erhielten, die Einkommensteuerprogression heftig zu und schuf eine große Lücke zwischen Brutto- und Nettobetrag. Drittens blieb natürlich der Kaufkraftverlust in Höhe von Im genannten Beispiel kamen durch den Wegfall der Mehrwertsteuer zwar rund 11 % netto mehr heraus. Die waren 2013 jedoch 4 % weniger wert als im Jahr 2005. Nicht zu vergessen: Selbstständige müssen die Mittel für ihre Sachausstattung selbst erwirtschaften. Preissteigerungen bei Immobilien, Energie, Mobilität und Dienstleistungen treffen sie doppelt so sehr wie Angestellte oder sogar noch stärker. Der inflationsbedingte Kaufkraftverlust setzte sich auch in den Folgejahren fort. Im fraglichen Zeitraum wurden die Gehälter im TVÖD natürlich regelmäßig angepasst. https://www.dbb.de/fileadmin/user_up...0_Stand_21.pdf 2019, 14 Jahre nach der Reform 2005, gab es die erste reguläre Vergütungserhöhung. „Auf Basis dieser Berechnungsgrundlage wurde eine Vergütungserhöhung in Höhe von durchschnittlich 17% als zur Refinanzierung eines Vollzeit-Vereinsbetreuers erforderlich ermittelt.“ (S.6) https://www.bmj.de/SharedDocs/Downlo...cationFile&v=2 Von den angekündigten 17 Prozent sind im Mittel nur 12,3 Prozent tatsächlich bei den Berufsinhaber*innen angekommen. Das belegt eine Studie des BdB aus dem Jahr 2022. https://www.berufsbetreuung.de/beruf...uetungssystem/ Nach jahrelanger Unterfinanzierung blieb die Betreuungsarbeit also auch im Jahr 2019 weiter unzureichend vergütet. Mit der Pandemie und dem Ukrainekrieg explodierten die Kosten. Zwischen 2013 und 2019 betrug die Inflationsrate 6,7 %. In den Folgejahren ist bislang eine Inflation von 18,5 % zu verzeichnen. https://www.finanz-tools.de/inflatio...en-deutschland Der Kaufkraftverlust beträgt seit 2005 also 40,2 %. Der Wert wird bis 2026 weiter ansteigen. Dem gegenüber stehen der Wegfall der Umsatzsteuer Mitte 2013 (+ 16 %), die Vergütungserhöhung 2019 (+ 12,3%) + eine auf 2 Jahre befristete Inflationspauschale von 7,50 € pro Fall und Monat ab 01.01.2024. Insgesamt kommen wir damit vielleicht auf 33 % ab 1.1.2024, wobei die jeweiligen „Erhöhungen“ – die Mehrwertsteuergeschichte war keine – viel zu spät kamen und auch deshalb die Nachteile nicht ausglichen. Wir bewegen uns also deutlich in der Verlustzone und können, davon ausgehen, dass wir bis 2026 mindestens die 10 %-Marke geknackt haben werden. 2026 soll dann also die nächste Reform kommen, die, wie viele Kollegen zwischenzeitlich vorgerechnet haben, für einen erheblichen Teil von uns keine Erhöhung, sondern eine Kürzung bedeuten wird. Aktuell haben 13.395 Personen die Petition gegen die Gesetzesentwurf unterschrieben. Das BMJ geht von einer Gesamtzahl von 16.100 Berufsbetreuern aus. Wenn die Unterzeichner Berufsbetreuer sind, entspricht ihr Anteil bereits jetzt 83 %. Das ist aber längst nicht das Schlimmste. Über allem anderen steht, dass ab Mitte der 2000er Jahre die Anforderungen an die Betreuungstätigkeit massiv stiegen. Zu nennen seien aus der Anfangsphase nur die Hartz-Reformen und der Zuzahlungsbefreiungswahnsinn. Sowohl in der Studie zur Qualität als auch in der Evaluation des BMJ sind Aussagen zum durchschnittlich pro Fall benötigten Zeitaufwand zu finden. Es ist eine sehr umfangreiche Untersuchung erfolgt, die hier nur stark verkürzt angesprochen werden kann. Ihr Ergebnis: Berufsbetreuer erbringen seit vielen Jahren in ganz erheblichem Umfang unbezahlte Arbeitsleistungen. 2017 lag dieser Wert bereits bei 24 %, nachzulesen in der durch das BMJ beauftragten Studie zur Betreuungsqualität auf S. 521. https://www.bmj.de/SharedDocs/Publik...cationFile&v=3 Durch die Betreuungsrechtsreform hat sich der Arbeitsaufwand seit 2023 erneut erhöht. Genannt sei nur die unterstützte Entscheidungsfindung. Eine Mitgliederbefragung des BdB hat gezeigt, dass Berufsbetreuer*innen 4,92 Stunden pro Klient*in und Monat benötigen, um eine Betreuung zu gewährleisten, die den heutigen Qualitätsmaßstäben entspricht. https://www.berufsbetreuung.de/press...etungssystems/ Diejenigen von uns, die schon länger dabei sind, haben miterlebt, in welchem Maße sich der Aufwand erhöht hat, der notwendig ist, um für unsere Betreuten etwas durchzusetzen. Wir kämpfen gegen die Folgen jahrzehntelanger Mangelwirtschaft wie gegen Windmühlen. Pflegenotstand, Wohnungsnot, Ärztemangel, Heimplatzmangel, Therapeutenmangel, unterbesetzte Behörden und Gerichte, teilweise monatelange Bearbeitungszeiten bei Sozialleistungsträgen und Fehler über Fehler bei behördlichen Entscheidungen, die Widerspruchsverfahren, weitere Anträge, endlose Telefonate etc. erzwingen. Wenn überhaupt noch jemand ans Telefon geht. Die telefonische Erreichbarkeit scheint während der Pandemie weitgehend aus der Mode gekommen zu sein. Die Konsequenz ist für uns Betreuer ein drastisch gestiegener Arbeits- und Abgrenzungsaufwand. Die Folgen sind aus meiner Sicht mindestens so gravierend wie die rein pekuniäre Mangelversorgung. Der Zeitaufwand muss unbedingt ausgeglichen werden. |
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#4 |
Berufsbetreuer
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Beiträge: 1,309
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Hallo Garfield,
vielen Dank für deine ungemein fundierte und umfassende Darlegung. Ich teile diese voll und ganz und würde es begrüßen, wenn du an der Spitze eines Berufsverbandes ständest. Eine weitere indirekte Vergütungsminderung passierte am 01.01.2023, als sich das Schonvermögen gegenüber der Staatskasse auf 10.000€ erhöhte. Freilich war dies im Sinne betreuter Menschen zu begrüßen und die Grenze dürfte aus dieser Sicht gerne noch höher liegen. Für mich hieß das, aber dass drei meiner bisher vermögenden Klienten nun als mittellos galten. Alle drei lebten in eigenen Häusern und indirekt übernahm ich mit der reduzierten Vergüung deren erhöhte Energiekosten während der Hochpreisphase im Zuge der russischen Kriegsaktivitäten. Dies, während auch meine Energekosten brutal in die Höhe schnellten. Ich bin nach dem Schritt in die Selbständigkeit zudem immer der solidarischen gesetzlichen Krankenversicherung treu geblieben. Den Beitrag zahle ich in voller Höhe selbst, alle Beitragssteigerungen landen vollumfänglich bei mir. Erhöhungen der Beitragsbemessungsgrenze schlagen auch immer wieder ins Kontor. Auch die freiwilligen Rentenbeiträge sind bei mir nur halb so viel wert, wie bei einem Vereinsbetreuer. Dies führt mich zu der Unangebrachtheit, der Gleichsetzung des Vergütungsansatzes für freie Berufsberteuer mit jenem der Vereinsbetreuer. Natürlich müsste die Vergütung für freie Berufsbetreuer deutlich höher liegen. Dies meisten Aspekte hierzu hast du ja schon angeführt. Hier noch einige weitere: Freie Berufsbetreuer genießen keine Arbeitnehmerrechte und sitzen selbstverständlich auch mit gebrochenem Bein oder einer Grippe am Schreibtisch. Die persönliche Haftung setzt uns in Risiken, die sich ein Vereinsbetreuer kaum vorstellen kann. Nach einem zweiwöchigen Urlaub ist alle Arbeit immer noch da und nachzuholen. Wir haben als Selbständige stets auch Existenzdruck im Hinterkopf. Aus der Erfahrung, dass freie Betreuer unter größerem Haftungs-, Erfüllungs- und Bewältigungsdruck stehen, dem wir auch nachgeben müssen, geben die Behörden die "Klopperfälle", in denen dauernd irgendetwas brennt, natürlich eher an uns. Entsprechend höher ist der Arbeitsaufwand. Es beunruhigt mich schon, wenn ich gelegentlich lese, dass HorstD als Einflussperson im politischen Gefüge weiterhin die Auffassung vertritt, dass freie Berufsbetreuer vergütungstechnisch den Vereinsbetreuern gleichgestellt sein sollten. Offenbar vor dem Hintergrund eigener Berufserfahrung als Vereinsbetreuer, die auch schon einige Zeit zurückliegen mag. Wer den Druck, unter dem selbständige Betreuer arbeiten nicht aus eigener Efahrung kenn, kann es vermutlich nicht wissen, von daher läge es mir fern, hier irgendetwas Böswilliges zu unterstellen. Experte für die Arbeits- und Finanzsituartiuon selbständiger Betreuer kann aber nur jemand sein, der diese Situation aus eigener Erahrung kennt. Von daher hoffe ich sehr darauf, dass deine Expertise @Garfield, gehört, gelesen und gewürdigt wird. Ich möchte nicht die Leistung oder den Status der Vereinsbetreuer herabwürdigen. Es geht mir nur darum, dass die Arbeits- und Existenzsicherungssituation eine deutlich andere ist, als bei selbständigen Betreuern. |
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#5 |
Forums-Geselle
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Ort: Sachsen-Anhalt
Beiträge: 69
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Es wird doch immer alles so dargestellt, wie es passt. Ich habe selbst lange in einem Betreuungsverein gearbeitet und dort konnte man auch noch den Schriftverkehr einsehen, der vor der Reform von 2005 durch den Rechtspfleger übersandt wurde.
Damals wurde man als Betreuer darauf hingewiesen, dass zwei persönliche Gespräche im Monat ja wohl deutlich zu viel seien und im Rahmen der Spitzenvergütung nur ein Besuch übernommen wird. Und ich weiß nicht, woher diese Fabel kommt, dass Vereinsbetreuer an den öffentlichen Dienst angeglichen bezahlt werden. War bei mir und meinen KollegInnen damals nicht ansatzweise der Fall. Wir haben auch keine ehrenamtlichen Betreuer unterstützt, sondern jeder hatte mind. 50 "ganz normale" Betreuungsfälle. Ich hatte damals unter 10 Heimbewohner und fast ausschließlich mittellose Betreute. Und da lag die Grenze für Vermögen noch bei 5000€. @Flafluff: Ich sehe es genauso. Als Betreuerin bin ich natürlich in der gesetzlichen Krankenversicherung und ich habe mich auch für die Pflichtversicherung in der Rente entschieden. |
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#6 |
Forums-Geselle
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Beiträge: 140
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Tag zusammen,
ich denke wir alle sind uns einig, dass die Betreuervergütung deutlich angepasst/verbessert werden muss. Da gibt es kein Wenn und Aber. Nur sind mir in diesem, aber vor allem auch in dem anderen Thread zu diesem Thema einige Dinge aufgefallen, die mich sehr stören und auch wundern. Die möchte ich mal kurz aufführen: - Das ständige meckern und in Selbstmitleid zu zerfließen, bringt niemanden weiter. Nicht den Meckernden selbst, aber vor allem nicht die Mitleser, unter denen sicherlich auch viele Neubetreuer und potentielle Neubetreuer sind. Klar ist es gut auch auf Probleme des Berufsstandes hinzuweisen, aber ich finde es wird deutlich übertrieben. - Was soll dieser ständiger Vergleich des Einkommens mit angestellten Vereinsbetreuern oder Sozialarbeitern im Amt? Wer sagt denn überhaupt, dass Selbständige immer mehr oder gleich viel verdienen müssen wie diese Berufsgruppen? Natürlich hat man als Selbständiger einige Nachteile gegenüber diesen Gruppen: Unsichere Auftragslage, Abhängigkeit von der Betreuungsbehörde, Haftungsrisiken, usw. Aber von den Vorteilen lese ich nie etwas. Nicht jeder strebt die Selbständigkeit nur aus monetären Gründen an. Man möchte sein eigener Chef sein, Dinge entscheiden wie man sie für richtig hält, freie Zeiteinteilung, ein Freiheitsgefühl, etc. Diese Dinge sind für mich wichtig und überwiegen die Nachteile. Das mag nicht jeder so sehen, völlig klar. - Zu einer Selbständigkeit gehört aber auch folgendes: Das man sich an sich ändernde Gegebenheiten anpassen kann und auch muss. Wie auch in anderen Berufen muss man ein wenig mit der Zeit gehen. Wenn ständig das Argument kommt, dass mit den Reformen der Arbeitsaufwand gestiegen ist und die Berufs- und Interessenverbände nicht genügend Einfluss für Änderungen/Verbesserungen haben, dann muss man selbst tätig werden und schauen wo man sich und seine Arbeit effektiver und effizienter gestalten kann. Wenn ich lese, dass viele hier inkl. der Threadstarterin noch mit Excel-Tabellen rum wurschteln oder teilweise noch nicht mal Smartphones benutzen, dann muss mir an den Kopp fassen. Denn dann ist mir schnell klar, warum die vorhandene Arbeitszeit nur reicht, um 20-30 Betreuungen zu führen. Das es auch anders geht, zeigen auch viele Beispiele von Usern hier im Forum die es scheinbar besser hinkriegen und deutlich mehr Betreuungen führen. Auch in dem Bereich der Arbeitseffektivität oder des Zeitmanagements gibt es viele nützliche z.B. Fortbildungen, die einem hier weiterhelfen können. Man muss nur offen dafür sein. Ich würde mir nur wünschen, dass man sich öfters auch mal selbst hinterfragt, was man selber besser machen kann um die aktuelle und zukünftige Situation verbessern zu können. Vielleicht machen die meisten das auch - wunderbar. Nur leider lese ich hier viel zu wenig Selbstkritik oder Verbesserungsvorschläge die dies zeigen. VG Andreas |
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#7 | ||
Berufsbetreuerin
Registriert seit: 29.03.2010
Beiträge: 1,139
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Könntest du bitte einmal näher ausführen, was die Beschäftigung mit den Zahlen, die das BMJ mittels mehrerer Publikationen selbst liefert, mit "Selbstmitleid" zu tun hat? Du magst die Dinge vielleicht anders sehen als ich, aber dann geh' doch bitte konkret und sachlich auf das Zahlenmaterial ein, statt dich auf die rein emotionale Ebene zu beschränken und dich tendentiell beleidigend zu äußern. Zitat:
Ähm... ![]() Wir gehören zur selben Berufsgruppe. Den Berufbetreuern. Wer die angestellten und die freiberuflichen Berufsbetreuer auf eine Stufe stellt? Hast du auch nur eines der Dokumente, über die wir hier sprechen, mal flüchtig quergelesen? Z.B. den Gesetzentwurf zur Vergütungsreform? Oder den hiesigen Thread zum Referententwurf? Dann weißt du ja, wer behauptet, dass beide gleich oder zumindest vergleichbar viel verdienen (sollten). ![]() Ist dieses Niveau dein Ernst, andy? Möchtest du ein Beweisfoto von meinem Smartphone sehen? Gut, immerhin hat der Kollege in meinen Beiträgen im Referentenentwurf-Thread gelesen. Er gibt zwar nur fragmentarisch und verzerrt wieder, was ich über die Nutzung von Excel-Tabellen geschrieben habe und es handelte sich dabei auch nur um eine Randnotiz innerhalb der Diskussion, aber immerhin das Wort ist bei ihm hängengeblieben. Oder vielleicht sogar zwei: "Garfield-Excel!" Ich weiß, was wir verbessern können: Wir brauchen einen Excozisten. |
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#8 |
Forums-Geselle
Registriert seit: 03.12.2017
Ort: Berlin
Beiträge: 140
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Nein, ich möchte das nicht weiter ausführen. Nur soviel, dass nicht alles was ich geschrieben habe auf dich gemünzt war.
Ich habe gesagt, was ich sagen wollte. Vielleicht ist das ein Denkanstoß für den ein oder anderen. Wenn nicht - auch okay. Das jetzt totdiskutieren, wie in dem anderen Thread, da habe ich keine Lust drauf. ![]() VG Andreas |
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#9 |
Berufsbetreuerin
Registriert seit: 29.03.2010
Beiträge: 1,139
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Ich habe auch einen Denkanstoß für dich, andy9118.
Du scheinst ja sehr technikgläubig zu sein. Unabhängig von der Frage, in welcher Qualität und Quantität wir Technik für die Betreuungsarbeit einsetzen, ist allen Betreuungsfällen eines gemeinsam: Die Verarbeitung durch die EDV, so mannigfaltig deren Gestalt auch sein kann, stellt nur den Verdauungsvorgang dar, den die Ergebnisse unserer Arbeit durchlaufen müssen. Die eigentlich Arbeit passiert im Vorfeld. Durch Gespräche, Wahrnehmung der Wünsche und Bedürfnisse des Betreuten, deren Evaluierung, die Interventions- und Unterstützungsmaßnahmen, die wir durchführen, durch den Erwerb und die Anwendung unseres rechtlichen Wissens und der Energie, das wir in der Außenwelt einsetzen, um die Wünsche und Rechte der Betreuten zu verwirklichen. Technik soll mich dabei unterstützen, die notwendigen Digestions- und Speichervorgänge schnell und zuverlässig durchzuführen, aber der Löwenanteil der Arbeitszeit wird anderweitig eingesetzt. Wäre ja auch schlimm, wenn nicht. Insofern kann Technik natürlich dabei helfen, schneller und effektiver zu arbeiten, aber the magic happens elsewhere. Die Kompetenz und der Zeitaufwand, die notwendig sind, um mit Hilfe der Technik etwas verarbeiten zu können, bestimmen den Wert unserer Arbeit. Der wesentliche Inhalt der Betreuungstätigkeit, dessen Qualität und Gewicht von der Technik zunächst einmal unabhängig ist, kommt mir bei dir viel zu kurz. Er kommt überhaupt nicht zur Sprache. |
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#10 | |||||||
"Nervensäge" vom Dienst
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Über deine Wahrnehmung bin ich, offen gestanden, erschrocken: Ist es nicht GERADE ein großes Problem eures Berufsstandes, dass ihr in der Öffentlichkeit quasi unsichtbar seid? Ihr eben auch deshalb keine Lobby habt, WEIL es ja, dank euch, letztlich doch IRGENDWIE funktioniert und sich ja niemand "beschwert". Auch deshalb finde ich dieses Forum so gut, eben WEIL es nicht nur die trockene Theorie abbildet, sondern eben auch Platz gibt für jene, die aufgrund der immer größeren Verschlechterungen, die tatsächliche Praxis schildern! Hier schildern Kollegen, dass sie am Rande der Belastbarkeit stehen, am Rande ihrer eigenen finanziellen Möglichkeiten und du bezeichnest sowas als "meckern" und "Selbstmitleid"? Sind deine Empathiekörner ausschließlich auf deine Betreuten beschränkt, sodass nach Feierabend für Kollegen nichts mehr übrig bleibt? Die transportierte Kälte deiner Worte würden zumindest mich als pot. Neubetreuer ins Grübeln bringen, ob ich wirklich in der Lage wäre "Maschinenartig" als Selbstständiger zu arbeiten/funktionieren! Auch bezogen auf deine "Hinweise"/Kritik bzgl. der angeblich defizitären Arbeitsweise/-Ausstattung der Kollegen ....! Zitat:
Denn viele der von dir genannten Nachteile wurden eben durch höhere Stundenlöhne etc. mindestens teilweise ausgeglichen! Zitat:
Vielleicht bin ich zu lange schon raus aus dem Berufsleben, aber geht eine Erhöhung von Aufwand, Verantwortlichkeiten etc. nicht üblicherweise (in Firmen) mit einer Art Beförderung bzw. Aufstieg einher und damit selbstverständlich auch eine angemessene Kompensation, sprich Lohnerhöhung? Zitat:
Wie wäre es übrigens mit einem KI-Chatbot auf der eigenen HP? Effektiv und effizient könnte der seinem Gegenüber Informationen zu den gängigsten Fragen präsentieren und wäre sogar lernfähig, per Default sozusagen ..... Zitat:
Mag sein, dass ich zu "gefühlsduselig" bin oder ja eh "nur betreute", aber hinter jeder Betreuung stehen immer noch Menschen! Menschen, die dermaßen erkrankt sind, dass sie z.T. bis aufs äußerte Hilfe brauchen und jemanden brauchen, der, FÜR SIE Verantwortung übernimmt! Und auch wenn, technisch gesehen, der Betreuer für die Organisation von Hilfen etc. verantwortlich ist, dann frage ich dich und andere, was jener Betreuer machen soll, wenn sogar all jene, die vom Gesetz her verpflichtet wäre, die Hilfe zu erledigen/auszuführen, ihren Job schlicht verweigern. Nichts tun, sich nicht kümmern. Wenn z.B. Krankenkassen Schlaganfallpatienten die Anschluss-Reha verweigern? Wenn der Sozialdienst im Krankenhaus weder die Verordnung der Behandlungspflege für einen Krebspatienten, der 3 Tage nach seiner Prostata-OP aus dem KH entlassen wird, besorgt hat, noch einen Pflegedienst eingeschaltet hat, von einer Information an die Kasse bzgl. Kostenübernahme ganz zu schweigen und all dieses Versagen mit Personalmangel oder -ausfall "begründet" wird? An dieser Stelle erinnere ich mich an die von einem Teilnehmer hier erwähnten Gesprächssituation mit einem Referenten-Richter und zitiere: Zitat:
Und dann bricht deine effektive und effiziente "Domino-Arbeitskette" zusammen, denn da fehlt plötzlich mittendrin ein Stein oder dein Stein will nicht umfallen. Und nu? Die "Lösung" des Richters ist so unfassbar realitätsfern (zumindest hier!), dass ich mich da kopfschüttelnd frage, in was für einem Elfenbeinturm dieser Richter lebt und arbeitet!? Zitat:
Und die Technik ist ja eine Kleinigkeit im gesamten System und ist natürlich nicht 1:1 auf jeden anderen übertragbar. Ich bin, wie du Andy, aus Berlin. Wenn z.B. dein Auto ungeplant zur Reparatur muss oder gar durch einen Unfall komplett ausfällt, hast du z. B. einen (aktuell mehr oder weniger) funktionierenden ÖPNV, mit dem du innerhalb Berlin ziemlich zuverlässig von A nach B kommst. Aufm "platten" Land sieht das dann schon sehr viel anders aus. Und das ist nur eines der offensichtlichsten Teilchen des Gesamtsystems. LEIDER können sich Betreuer nicht mal mehr annähernd auf andere Institutionen und Bereiche, die den Betreueralltag kreuzen, verlassen, wie früher! 1/2 |
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