Dies ist ein Beitrag zum Thema Kündigungsschutzklage im Unterforum sonstige Rechtsfragen , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
leider habe ich schon wieder ein Problem, bei dem ich nicht weiß, wie ich damit umgehen ...
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30.09.2020, 19:28 | #1 |
Forums-Geselle
Registriert seit: 08.08.2019
Beiträge: 69
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Kündigungsschutzklage
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
leider habe ich schon wieder ein Problem, bei dem ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll: ich habe eine Betreuung übernommen, wo der Betreute völlig orientierungslos aufgefunden wurde. Er wurde vor vier Wochen ins Krankenhaus gebracht und hat seitdem kaum noch Gedächtnisleistung, d.h., sein Kurzzeitgedächtnis ist so stark angegriffen, dass er sich kaum etwas merken kann. Ich habe heute mit seinem Unternehmen gesprochen, wo er bis jetzt beschäftigt war. Der Vorgesetzte sagte, dass er sich seit drei Monaten nicht gemeldet habe und Kurzarbeitergeld erhält. Er habe sogar die Polizei bei ihm vorbei geschickt, um herauszufinden, was los sei. Als ich ihm sagte, dass er bereits seit vier Wochen im Krankenhaus sei und nun auf die Reha warte, sagte er, dass er das Arbeitsverhältnis so weiterlaufen lassen würde. Vorhin hat mir ein Bote die fristgerechte Kündigung geschickt. Sechs Monate Kündigungsfrist hat er ihm gegeben, was so ok ist. Allerdings habe ich die Befürchtung, dass die Agentur für Arbeit von mir verlangt, eine Kündigungsschutzklage gegen den Arbeitgeber anzustrengen. Da ich leider nicht so viele Erfahrungen habe, was das Arbeitsrecht und entsprechende Auswirkungen für meinen Betreuten bedeutet, frage ich nun in die Runde, ob jemand weiß, ob ich eine Kündigungsschutzklage gegen den Arbeitgeber einreichen muss oder nicht? |
30.09.2020, 20:48 | #2 |
Moderator
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Ort: Duisburg, Ruhrgebiet, NRW
Beiträge: 5,811
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Eine Kündigungsschutzklage (Achtung Frist 3 Wochen) macht natürlich nur Sinn, wenn eine Chance besteht, dass der Betreffende in der Firma wieder wird arbeiten können (leider sind deine Diagnosehinweise ziemlich dünn).
Ich vermute mal, dass es sich um eine sog. personenbedingte K handelt (also wegen Krankheit mit schlechter Zukunftsprognose. Dabei gehts weder um Verschulden (wie bei der verhaltensbedingten K) und auch nicht um die Lage der Firma (betriebsbedingte K). Also erstmal K.grund nennen. Ist der Betreute vielleicht Gewerkschaftsmitglied. Dann unverzüglich mit dem Rechtssekretär der Gewerkschaft Kontakt aufnehmen. Hat die Firma einen Betriebsrat? Wenn ja, würde dieser beteiligt? Übrigens musst du 3 Monate vor dem Kündigungstermin persönlich zur Arbeitsagentur zur persönlichen Arbeitslosmeldung (§ 141 SGB III iVm § 145 SGB III). Siehe https://www.sozialrecht-rosenow.de/m...rzunehmen.html Weitere Infos: https://www.reguvis.de/betreuung/wiki/Arbeitsvertrag Solche Fragen gehören in den offenen Bereich.
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Mit vielen Grüßen Horst Deinert Weitere Infos: https://www.lexikon-betreuungsrecht.de |
30.09.2020, 21:32 | #3 |
Forums-Geselle
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Beiträge: 69
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Hallo Horst!
Es steht kein Kündigungsgrund in der Kündigung, vermutlich, weil dem Arbeitgeber so schnell keiner eingefallen ist. Der Betreute hat eine sehr schlechte Prognose, jemals wieder arbeitsfähig zu werden. Diagnose "Korsakow-Syndrom". Allerdings hatte er keinen Alkohol im Blut, als man ihn fand. Weiterhin habe ich heute herausgefunden, dass er wohl schon seit Jahrzehnten psychisch krank war und auch schon mehrmals in Psychiatrien gewesen sein muss. (Info vom Arbeitgeber.) Das Problem ist, dass eine minimale Chance besteht, dass er wieder gesund wird, weil den Ärzten im Krankenhaus seine psychische Erkrankung nicht bekannt war und sie sich nicht erklären konnten, warum kein Alkohol im Blut zu finden war. Sie haben ihn allerdings in die Neurologie eines anderen Krankenhauses verlegt, wo er nach einem Tag wieder mit der o. a. Diagnose entlassen wurde. Allerdings wussten die auch nichts von der psychischen Erkrankung. Ich weiß allerdings noch recht wenig über ihn, weil er selbst nicht viel erzählen kann und keine Angehörigen da sind, die ich fragen könnte. Der Arbeitgeber sagte mir, dass er meinen Betreuten sofort wieder einstellen wird, sobald er gesund ist, aber er habe Sorge, dass er möglicherweise jahrelang nachzahlen muss, wenn er ihn jetzt weiter beschäftigt. Alle Versuche, ihn dazu zu bewegen, die Kündigung wieder zurückzunehmen, sind leider gescheitert. |
30.09.2020, 21:33 | #4 |
Forums-Geselle
Registriert seit: 08.08.2019
Beiträge: 69
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Ach so, ich dachte, das sei eine Anfängerfrage...
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01.10.2020, 07:23 | #5 |
Moderator
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Ort: Duisburg, Ruhrgebiet, NRW
Beiträge: 5,811
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Ne, das ist schon eine Fortgeschrittenenfrage.
Zum Fall: die Kündigungserklärung selbst benötigt, wenn es eine ordentliche (fristgemäße) K ist, keinen Grund (obwohl der meist genannt wird). Den Grund muss der Arbeitgeber aber im Kündigungsschutzprozess nennen. Korsakov ist ja das Vollbild einer normalerweise irreversiblen alkoholbedingten Hirnschädigung. Dafür muss man nicht aktuell alkoholintoxikiert sein. Ja nach dem, wann und wo der Betroffene aufgefunden wurde, kann der zuletzt aufgenommene Alkohol bereits abgebaut gewesen sein. Wahrscheinlich empfiehlt sich die KSK aus taktischen Gründen, damits nicht mit der Arbeitsagentur Probleme gibt. Bitte dazu durch FA für Arbeitsrecht (Beratungshilfe) oder durch die Gewerkschaft, wie bereits erwähnt, beraten lassen. Auch würde ich eilmäßig die Erweiterung des AK auf „arbeitsrechtliche Angelegenheiten“ beantragen, und zwar wegen der kurzen klagefrist als einstweilige Anordnung. Tatsächlich läuft allerdings wohl derzeit die klagefrist nicht ab, weil der Betroffene aktuell wohl geschäftsunfähig sein dürfte (§ 210 BGB). Das bleibt aber unsicher, weil nicht wirklich klar ist, ob der AK Vermögenssorge nicht doch für die Klage reicht. Noch etwas zu den Motiven des Arbeitgebers: die 6wöchige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall dürfte ja bereits verstrichen sein. Damit gibts aktuell keine Gehaltsansprüche und auch keinen AG-Anteil zur Sozialversicherung. Das Arbeitsverhältnis ruht. Allerdings laufen Ansprüche auf Abfindung von Urlaubsansprüchen auf. Bei 1 Jahr Abwesenheit macht das aber meist nur einen Monatslohn aus. Ist der Betreute überhaupt noch im Krankenhaus?
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Mit vielen Grüßen Horst Deinert Weitere Infos: https://www.lexikon-betreuungsrecht.de Geändert von HorstD (01.10.2020 um 08:22 Uhr) |
01.10.2020, 10:06 | #6 |
Forums-Geselle
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Beiträge: 69
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Vielen Dank!
Ich habe alles, was ich habe, an einen Fachanwalt gegeben und hoffe, dass alles gut wird. |
01.10.2020, 10:11 | #7 |
Moderator
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Noch an die AK-Erweiterung denken. Gilt auch für das dazugehörige Anwaltsmandat.
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02.10.2020, 17:55 | #8 |
Moderator
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Noch ein Nachtrag: wahrscheinlich macht es auch Sinn, zügig eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen.
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02.10.2020, 19:30 | #9 |
Forums-Geselle
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An die Erwerbsminderungsrente hatte ich auch schon gedacht, aber zunächst ist er noch in der Lohnfortzahlung und danach für 1,5 Jahre im Krankengeldbezug.
Der nette Sachbearbeiter der Krankenkasse meinte, dass ich zur Beantragung der EW Rente aufgefordert werden würde, sobald klar ist, dass mein Betreuter langfristig arbeitsunfähig ist. Da das jetzt noch nicht abzusehen sei, sollte ich noch mit der Beantragung warten. Oh, jetzt bin ich verunsichert: brennt irgendetwas an, wenn ich damit noch warte? |
02.10.2020, 20:07 | #10 |
Admin/Berufsbetreuer
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Moin moin
Kommt darauf an, wie lange der Betreute vorher gearbeitet hat. Für den Antrag auf EU-Rente muss man von den letzten 5 Jahren mindestens 3 gearbeitet haben. Wenn Du ein Jahr wartest, könnte es evtl. knapp werden... Rechne sicherheitshalber auch mal die Anrechnungszeiten für die KvdR durch, wenn er irgendwann später mal in Altersrente wechselt. Nicht, dass es da Probleme gibt, weil die Anwartszeiten für die KvdR sich auf die Zeit vor dem Antrag auf EU-Rente beziehen. Das kann sonst auch später mal knapp werden. (Das hatte ich gerade bei einem Betreuten, der schon lange EU-Rente bezogen und dann 20 Jahre in der WfbM gearbeitet hatte. Ihn hat gerettet, dass er Kinder hatte, für die er Zeiten angerechnet bekam) MfG Imre
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Fehler sind dazu da, um sie zu machen und daraus zu lernen. Fehler sind nicht dazu da, sie dauernd zu wiederholen. |
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