Dies ist ein Beitrag zum Thema § 14 SGB IX, Inklusion gescheitert? im Unterforum Sozialleistungen / Einkommen - ALG, GruSi, EGH, BTHG , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Moin,
verzeiht meine provokante Überschrift, ich bin ein wenig genervt.
Ich habe eine Betreuung übernommen, der volljährige Betreute ist über ...
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#1 |
Stammgast
Registriert seit: 29.11.2009
Ort: Niedersachsen
Beiträge: 917
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Moin,
verzeiht meine provokante Überschrift, ich bin ein wenig genervt. Ich habe eine Betreuung übernommen, der volljährige Betreute ist über 27 Jahre alt, geistig behindert und zeigt Verhaltensauffälligkeiten. Bei Druck reisst er sich die Kleidung kaputt oder schreit rum. Der Betreute lebt bei den überforderten Eltern in Niedersachsen und hat derzeit keine Hilfen. Es wurden alle Aufgabenbereiche beschlossen, die für eine ordentliche Antragstellung und Mitwirkung notwendig sind. Ich habe also Teilhabe Wohnen und Arbeit beantragt. Alle notwendigen Unterlagen wurden vorgebracht. Eine Gutachterin wurde vorgeschlagen. Das Aktenzeichen aus der Vergangenheit wurde dann vom Kostenträger (Sozialamt) mitgeteilt. Dann war erstmal für Wochen ruhe. Ich musste also zweimal an meinen Antrag erinnern. Man bleibt ja nett. Es wurde dann nach ca. 3 Monaten seit Antragstellung gem. § 13 SGB IX ermittelt. Es kam die Antwort: bezüglich der Teilhabe Arbeit in einer WfbM sei man ja gar nicht zuständig, ich sollte mal einen Neuantrag beim Arbeitsamt stellen. Es ist erst der zweijährige Ausbildungsbereich abzuschliessen. Tagesförderung würde man aber bewilligen, aber es wird kein Anbieter gefunden. Bezüglich der Teilhabe Wohnen würde man auch keinen Anbieter aufgrund von Kapazitätsmangel finden. Richtig muss es wohl heissen, der Betreute ist zu anstrengend, man will ihn nicht. Also habe ich dann etwas verärgert auf § 14 SGB IX hingewiesen. Man möge den dortigen Fristen und Vorgaben endlch folgen. Nach meiner Auffassung sein man nun leistender Kostenträger, da man die Weiterleitungsfrist überschritten hat. Hilfsweise wäre der Antrag weiterzuleiten. Bezüglich der WfbM habe ich darauf hingewiesen, dass Ausschlusskriterein gem. § 119 SGB IX nicht vorliegen und gem. § 120 SGB IX ein Rechtsanspruch auf die Aufnahme der einzigen WfbM (mit Ausbildungsbereich) im Einzugsbereich, besteht. Ich habe gebeten, entsprechend zu bescheiden. Meine Fragen: Ist der erstangegangene Kostenträger der leistende Kostenträger gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, wenn er die dortigen Fristen aus § 14 Abs. 1 Satz 1, überschritten hat? Ist es richtig, dass ein Rechtsanspruch gem. § 120 SGB IX auf eine Teilhabe in einer WfbM besteht, wenn keine Aussschlusskriterien gem. § 119 SGB IX vorliegen? Was hat der Kostenträger zu veranlassen, wenn er feststellt, dass die Teilhabe Wohnen notwendig ist, jedoch in Norddeutschland keine Anbieter (ambulant oder als besondere Wohnform) zu finden sind? ich habe mal geselesen, er müsste entsprechende Einrichtung schaffen oder auf die Schaffung hinwirken, sprich sich an übergeordnete Stellen wenden. Danke fürs lesen und Antworten Der Leuchtturm |
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#2 |
Routinier
Registriert seit: 29.10.2018
Beiträge: 1,472
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Ich sag es mal ganz ehrlich: ich seh den Betreuten mit der Beschreibung nicht in der WfbM. Da dürfte man mit seinen Verhaltensauffälligkeiten völlig überfordert sein. Durchsetzen kann man es sicher irgendwie, aber ich denke einfach es wird in dem Fall zu nichts führen, außer dass du es dann wohl schriftlich hast, dass der Herr nicht werkstattfähig ist, falls das irgendwie hilft. (Wundert mich aber, dass die WfbM keine Tagesförderstätte anbietet, machen doch sonst eigentlich alle.)
Wohnen... tja, ich glaube, da gibt es einige Betreuer die vor dem selben Problem stehen. Das ist dann halt ein Punkt wo die Theorie auf die harte Realität trifft. Wo sollen die ganzen Einrichtungen für verhaltensauffälligen Menschen herkommen, wenn es jetzt schon Personalmangel im sozialen Bereich gibt? Ist der Betreute denn ortsgebunden, d. h. besteht der Wunsch dass er in der Nähe seiner Eltern bleibt oder wäre ggfs. eine bundesweite Suche möglich? |
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#3 |
Stammgast
Registriert seit: 29.11.2009
Ort: Niedersachsen
Beiträge: 917
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Moin,
ich muss den Erstbeitrag korrigieren, es muss heissen § 219 SGB IX und 220 SGB IX. Folgendes teilte mir der gleiche Kostenträger mit: "Die Aufnahmevoraussetzungen nach § 219 Abs. 2 SGB IX müssen erst nach Abschluss des Eingangsverfahrens vorliegen. Im Regelfall kann daher erst nach Abschluss des Eingangsverfahrens festgestellt werden, ob ggf. eine Förderung in eine der WfbM angegliederten Einrichtung nach § 219 Abs. 3 SGB IX erfolgen muss, weil keine Werkstattfähigkeit gegeben ist" Ich habe die Frage, welche Förderung notwendig ist, nicht zu stellen, da das Eingangsverfahren neu zu beginen ist.- Meine Frage war, wer das mit Blick auf § 14 SGB IX und der hier vorliegenden Fristüberschreitung zahlt und ob aus § 220 SGB IX ein Rechtsanspruch hergeleitet werden kann? Ich nehme jede Form der Eingliederungshilfe an, egal ob ambulant und damit ortsgebunden oder als besondere Wohnform. Wenn ich in anderen Bundesländer suche, erhalte ich immer die gleiche Antwort: "Wir nehmen vorranging im eigenen Bundesland auf und sind voll." Daher meine Frage, was der Kostenträger zu unternehmen hat, wenn er feststellt, dass die vom Gesetzgeber gewünschte Inklusion nicht umgesetzt werden kann, weil enstprechende Einrichtungen fehlen. Der Leuchtturm |
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#4 |
Berufsbetreuerin
Registriert seit: 29.03.2010
Beiträge: 1,139
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Ohne Sekundärliteratur gelesen zu haben verstehe ich §§ 219, 220 so, dass es in jedem Fall einen Anspruch entweder auf einen Platz in einer WfB gibt oder aber, falls die Aufnahmekriterien nicht erfüllt werden, haben einen Anspruch auf Aufnahme in einer Gruppe oder Einrichtung nach § 219 Abs. 3.
"Wird ein Antrag nicht innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang weitergeleitet, wird der erstangegangene Reha-Träger automatisch leistender Reha-Träger im Sinne der §§ 14 ff. SGB IX (siehe auch § 21 Abs. 1 GE Reha-Prozess). Auch wenn der Reha-Träger nach Ablauf der zwei Wochen feststellt, dass er für keine der vom Antrag umfassten Leistungen nach seinem Leistungsgesetz zuständig ist, bleibt er leistender Reha-Träger. Damit ist er - obwohl materiell-rechtlich unzuständig - gegenüber der antragstellenden Person (also im Außenverhältnis) zuständig." https://www.bar-frankfurt.de/themen/...st-zu-tun.html Eine Untätigkeitsklage kommt im Regelfall erst nach 6 Monaten in Betracht. https://umsetzungsbegleitung-bthg.de.../fdk-3-8-1000/ Es wäre natürlich daran zu denken, dem Betreuten privat andere Hilfen zu beschaffen, die demselben Ziel dienen sollen und deren Kosten als Schadenersatz geltend zu machen. Das ist jedoch abgesehen davon, dass solche Hilfen wohl äußerst schwer aufzutreiben sind, sehr riskant. Ich fände es prima, wenn jemand einen solchen Fall mal durchklagen würde, aber sehr realistisch ist das wohl nicht. Das Fazit muss hier vermutlich lauten: Die genannten Fristen sind eine Nullnummer, weil weder die entsprechenden Kapazitäten noch Rechtsbehelfe geschaffen wurden, welche geeignet sind, um die normierten Ansprüche durchzusetzen. Da hat sich irgendwer ein prestigeträchtiges Gesetzeswerk geschaffen, aber die Frage danach, wie es im RL umgesetzt werden soll, nicht ernst genommen. Naheliegend wäre eine offizielle Anfrage beim Kostenträger, was er zu tun gedenkt, um die benötigten Kapazitäten zu schaffen - möglichst mit Unterstätzung einer Organisation, die sich um die Rechte behinderter Menschen kümmert. Das ist natürlich schon wieder Politik und damit ein unendlich arbeitsaufwändiger Bereich und kaum zu leisten für eine Berufsgruppe, die seit vielen Jahren schon die tatsächlich geleisteten Stunden nur zum Teil bezahlt bekommt. |
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#5 | |
Stammgast
Registriert seit: 29.11.2009
Ort: Niedersachsen
Beiträge: 917
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Moin, Danke für den Hinweis. Das bringt mich bezüglich der WfbM schon mal weiter. Das Einrichtungen fehlen, besonders für arbeitsintensive Inklusion, dürfte jedem Betreuer bekannt sein. ich kann die allgemeinen Argumente aber nicht gelten lassen, wenn wir Inklusion wirklich ernst nehmen wollen. Der Leuchtturm |
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#6 |
Stammgast
Registriert seit: 29.11.2009
Ort: Niedersachsen
Beiträge: 917
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Moin,
ich rufe meine Frage nochmal auf. Ich habe Ende August 2023 einen Antrag auf EGH Arbeit gestellt und bis Mitte Sep. 2023 alle Unterlagen vorgebracht. Im Dez. 2023 habe ich nochmal an meinen Antrag erinnert. Der Kostenträger hat erkannt, dass er gem. § 14 SGB IX zum leistenden Kostenträger wurde und dann Ende 2023 endlich ein B.E.NI Gespräch (Bedarfsermittlung in Niedersachsen) geführt. Nach etlichen Mails soll nun Ende April 2024 ein Gespräch in der WfbM stattfinden. Es handelt sich hier um die einzige in der Nähe liegende WfbM. Ich bin genervt, weil der Rechtsanspruch aus §§ 219 und 220 SGB IX auf Aufnahme in eben dieser WfbM bestätigt wurde, aber man möchte dann doch lieber das Gespräch mit der WfbM suchen und mit dem Bescheid abwarten. Und ach ja, vielleicht will die WfbM ja noch ein Gutachten, dass müsste dann auch noch eingeholt werden. Ich sehe mich schon beim Sozialgericht. Inklusion gescheitert! Der genervte Leuchtturm |
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#7 |
Stammgast
Registriert seit: 29.11.2009
Ort: Niedersachsen
Beiträge: 917
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Moin,
ich greife mein Thema nochmal auf, weil ich echt genervt, nein verärgert, bin. Mich rief ein Amt für Teilhabe an und fragte mich, was Sie mit dem Antrag auf Eingliederungshilfe vom Vorbetreuer aus 8.2021 machen sollen. Sie würden den Antrag jetzt bearbeiten wollen. Ich wusste nichts von solch einen Antrag, die Betreute war bei Übernehme im Pflegeheim. Wird das Standard? Der Leuchtturm |
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#8 |
"Nervensäge" vom Dienst
Registriert seit: 08.12.2008
Ort: Berlin
Beiträge: 915
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Ein anderes Amt, aber aktuell ist mein Antrag auf Kindergeld aus 10/21 nichtmal beschieden, trotz div. Erinnerungen etc.
Es wird jetzt an einen Anwalt übergeben. P.S.: @Leuchtturm-H: Hast du für deinen Betreuten mal eventuell ein persönliches Budget in Erwägung gezogen? |
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#9 | |
Stammgast
Registriert seit: 29.11.2009
Ort: Niedersachsen
Beiträge: 917
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ja, ein Betreuter bekommt ein persönliches Budget. Sowas mache ich aber nur, wenn ein Budgetverwalter mit im Boot ist. Für alle anderen kreativen Betreuten greife ich lieber auf einen Leistungsanbieter zurück. So muss ich mich nicht mit den ganzen Bestimmungen bezüglich der Beschäftigung von Mitarbeiter auseinandersetzen. Der Leuchtturm |
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#10 | |
Forums-Azubi
Registriert seit: 07.01.2022
Ort: Niedersachsen
Beiträge: 38
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der Kostenträger für die Berufsbildungsbereich ist die Agentur für Arbeit. Da muss ein Antrag gestellt werden. Die Frage, ob der Betreute werkstattfähig ist, wird sich spätestens nach 3 Monaten stellen im Eingangsbereich des Berufsbildungsbereich beantwortet. Oder vorweg das Gutachten der Agentur für Arbeit. Das kläre aber mit der Reha-Beratung. Ich hatte damals aber persönlich einen Termin gemacht. Bin allerdings die gesetzliche Betreuerin meines autistischen Sohnes. Ein Tipp für die Einrichtungssuche könnte ich dir geben: https://freiplatzmeldungen.de/startseite.html Da gibt es tatsächlich auch mal frei Plätze. In Niedersachsen hat der Anbieter INCLUDIO (Niedersachsen) einige Plätze zu vergeben. Da kannst man bundesweit kucken Schöner Gruß Jedimeisterin |
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