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Marsupilami 18.10.2022 14:57

Betreuerin soll über Strafantrag entscheiden
 
Puh,
die Betreute lebt in einer besonderen Wohnform für psychisch Kranke. Es gibt immer mal wieder Stress mit einer bestimmten Mitbewohnerin. Mal zeigt meine B. die Nachbarin an, mal umgekehrt.
Ich habe diese Betreuung jüngst von einem Kollegen übernommen und hatte, als ich erfuhr, dass Strafantrag gegen meine Betreute erstattet wurde, die Betreuung bei der Polizei bekannt gemacht - für den Fall, dass ein Verteidiger nötig würde.
Nun fordert die Polizei mich auf in den bereits laufenden Verfahren über einen Strafantrag zu entscheiden.
Ist das meine Aufgabe?
Da nicht anwesend könnte ich zu den jeweiligen Sachverhalten ohnhin nichts beitragen.

HorstD 18.10.2022 17:12

Es kann sich dabei nur um den Strafantrag gegen die andere Person handeln, § 77 StGB.

Marsupilami 18.10.2022 17:50

Denke ich auch … allerdings hat meine Betreute ja schon Strafanträge gegen die Mitbewohnerin gestellt - die bedürfen doch nicht meiner Bestätigung (kein EV)?

Imre Holocher 18.10.2022 18:15

Moin moin


Ich vermute mal, Du sollst darüber entschieden, ob der Strafantrag Deiner Betreuten gegen die Mitbewohnerin weiter verfolgt werden soll. Bzw. meint da jetzt jemand Du müßtest diesen Strafantrag als Betreuerin stellen, weil die Betreute aufgrund der Betreuung ja entmündigt ist. (Das böse E-Wort habe ich absichtlich benutzt, um die Unkenntnis der Behördenmitarbeiter bzgl. des Betreuungsrechtes zu unterstreichen).
Falls das der Fall sein sollte, dann hast Du doch m.E. nichts zu melden, weil die Betreute durchaus selber befähigt ist, Strafanzeigen zu stellen. Danach muss sich die Behörde richten.


So weit auf der einen Seite...


Auf der anderen Seite hatten ein Kollege und ich auch mal ein Trio von Betreuten, die sich regelmäßig einen Gesoffen, dann geprügelt und reihum gegenseitig Strafanzeigen gestellt haben. Wenn die Polizei dann ermittelt hat, war schon längst wieder "Friede, Freude, Eierkuchen". Zumindest bis zum nächsten Besäufnis, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die nächsten Strafanzeigen gebracht hat.

In diesen Fällen haben wir als Betreuer auch gesagt, dass wir für diese Strafanzeigen nicht zuständig wären und diese nicht zu stellen oder auch nur zu legitimieren hätten.

Allerdings haben wir im Rahmen konstruktiver Zusammenarbeit empfohlen, die Strafanzeigen nicht mit großem Tempo zu bearbeiten und ggf. abzuwarten, bis evtl. etwas folgenreicheres passiert, für das eine Strafanzeige wirklich notwendig werden könnte. (Z.B. ernsthaftere Verletzungen oder teuerere Schäden an Sachen) Das ist glücklicherweise nie eingetreten. Die Polizei war durchaus dankbar dafür, dass sich die Arbeit dadurch in Grenzen hielt. Die Betreuten waren ebenfalls recht dankbar, da ihnen Strafanzeigen und Ärger mit Gerichten dadurch erspart blieben.



MfG
Imre

Florian 23.10.2022 17:23

Zitat:

Zitat von Marsupilami (Beitrag 144151)
[...]Nun fordert die Polizei mich auf in den bereits laufenden Verfahren über einen Strafantrag zu entscheiden.
Ist das meine Aufgabe?
Da nicht anwesend könnte ich zu den jeweiligen Sachverhalten ohnhin nichts beitragen.

Hallo Marsupilami,

darum, dass Du inhaltlich irgendetwas beizutragen hast (außer ggf. Strafantragstellung) geht es ja nicht. So ganz abwegig ist die Aufforderung der Polizei grds. nicht, es kommt ganz drauf an ;) Es hört sich in Deiner kurzen SV-Schilderung eingangs nicht so an, als sei die Betreuung gerade eben dazu eingerichtet worden, jedenfalls auch, um strafrechtlich notwendige Handlungen/Angelegenheiten der Betreuten zu unterstützen/zu regeln, sondern vielmehr um die Übernahme einer bestehenden Betreuung, die aus verschiedenen anderen Gründen irgendwann eingerichtet wurde. Handelt es sich bspw. um strafrechtliche Vorwürfe aus dem Umfeld "Vermögenssorge" (Untreue, viell. auch Diebstahl, Unterschlagung usw. usf.) und dieser Aufgabenbereich gehört zu Deinem Aufgabenkreis, so könnte sich bereits daraus die Legitimation zur Strafantragstellung durch Dich als BetreuerIn ergeben. Dazu gibt es Rspr., teils bejahend, teils ablehnend soweit ich mich erinnere.

Bei Dir wird es vermutlich um Beleidigungen, angebliche KVen usw. gehen?! Dann wäre m.E. ohnehin die Zuweisung eines ausdrücklichen Aufgabenbereiches notwendig ("Strafrechtliche Angelegenheiten" o.ä., ggf. auch konkretisiert). Du könntest ja mitsamt des polizeilichen Schreibens einen Antrag auf AK-Erweiterung beim Amtsgericht stellen, insbesondere weil das ja ein Dauerbrenner zu sein scheint.

Andererseits scheint Deine Betreute ja selbständig (wechselseitige) Strafanzeigen zu stellen, dann dürfte sie auch zur (je nach Delikt notwendigen) Stranantragstellung fähig sein. Daher würde ich der Einfachheit halber eher empfehlen: Vielleicht erstmal so der Polizei mitteilen mit dem Hinweis, eine Strafantragstellung stellvertretend durch Dich sei zum einen aufgrund fehlenden betreuungsrechtlichen Aufgabenkreises und zum anderen aufgrund der dem Grunde nach anzunehmenden rechtlichen Handlungsfähigkeit in strafrechtlichen Angelegenheiten unzulässig. Vorrangig sei der diesbezügliche Strafantrag durch die Betreute selbst. Und dann weitersehen...

MfG Florian

HorstD 23.10.2022 19:30

Bei StrafANTRÄGEN geht es meist um Bagatellstraftaten, sog. „Antragsdelikte“, oft innerhalb des Verwandtenkreises (der Unterschied sind „Offizialdelikte“, da heißt es Strafanzeige).

Bei Strafanträgen gibts für Betreuer hohe Hürden: zunächst muss der Betreute (nach Überzeugung des Staatsanwaltes) geschäftsunfähig nach § 104 BGB sein; § 77 StGB, sonst ist der Betreuer außen vor. Einwilligungsvorbehalt ist nicht ausreichend. (Dann kann ein Betreuer natürlich auch keinen Strafantrag des Betreuten widerrufen).

Ist diese Hürde gemeistert, wird noch ein passender AK benötigt, entweder ausdrücklich strafrechtliche Angelegenheiten oder die Betreuung wurde wegen der Straftat angeordnet, zB Untreue durch Bevollmächtigte im Angehörigenkreis. Und ab der etwaigen AK-Erweiterung hat der Betreuer eine kurze Frist von nur 3 Monaten, § 77b StGB.

Florian 24.10.2022 18:32

@HorstD: Gut dargestellt, so meinte ich es auch w.o. als ich schrieb, dass die Betreuung vorliegend wohl offensichtlich nicht eben gerade dafür eingerichtet worden ist, etwaige sich aus anderen Aufgabenbereichen des AK ergebende strafrechtliche Angelegenheiten zu regeln.

Wenn die Betreute wie hier munter durch die Weltgeschichte Sachverhalte zur Kenntnis gibt, die strafrechtliche Ermittlungen auslösen (weil § 104 BGB eben nicht angenommen wird), dürfte ja erst recht kein Erfordernis einer Strafantragstellung durch den gesetzlichen Betreuer zu bejahen sein.

Allerdings, nebenbei: Eine Strafanzeige "stellt" ja auch derjenige, der einer Strafverfolgungsbehörde einen Anfangsverdacht eines Antragsdeliktes zur Kenntnis bringt. Es muss sich dabei nicht um ein Offizialdelikt (oder um ein relatives Antragsdelikt mit Bejahung bes. öff. Interesses) handeln, damit man es "Strafanzeige erstatten" nennt. Naja, hier ist das ja egal...MfG Florian

Mächschen 27.10.2022 07:44

Also ich kann aus Erfahrung sprechen, wurde der Betreute finanziell geschädigt, reichen Staatsanwalt und Gericht Vermögenssorge mit Einwilligungsvorbehalt.

Also es ging da um zerdepperte Scheiben und in einem anderen Fall um Verkehrsunfallflucht.

Marsupilami 02.11.2022 18:37

und so ging es weiter:
die Betreute hat ganz ohne mein Zutun die Anzeigen zurück genommen, nachdem sie sich beruhigt hat ... und ihre Nachbarin auch.
In der besonderen Wohnform hat man die beiden jetzt in unterschiedlichen Wohngruppen untergebracht, was scheinbar zu einem friedlicheren Zusammenleben führt.


Vorher hatte ich der Polizei mitgeteilt, dass ich nicht als Zeugin tauge, weil nicht dabei gewesen, und - falls die Betreute glaubt, dass eine Straftat vorliegt - es ihr gutes Recht ist Anzeigen zu erstatten (das machen ja viele Leute, wenn ihnen was gegen den Strich geht, oder sie gut versichert sind).


Der Betreuten habe ich mitgeteilt, dass ich ihr einen Anwalt besorge und einen Antrag auf Beratungshilfe stelle, falls das nötig würde.

Forenfuchs 02.11.2022 19:02

Hallo,

es gibt in Sachen Diebstahl - falls dies der Mitbewohnerin vorgeworfen wurde - eine Besonderheit bei Anhörigen und Menschen, die in häuslicher Gemeinschaft leben: https://dejure.org/gesetze/StGB/247.html

Das wird im Gegensatz zu Offizialdelikten wirklich nur auf Antrag verfolgt.

Grüße vom Fuchs


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