Dies ist ein Beitrag zum Thema Konkludente Zustimmung bei Einwilligungsvorbehalt im Unterforum Vermögensverwaltung/Geldangelegenheiten , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Moin!
Ich habe gerade einen Fall, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob eine Verweigerung der Zahlung mit dem ...
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03.04.2024, 14:19 | #1 |
Forums-Geselle
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Beiträge: 212
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Konkludente Zustimmung bei Einwilligungsvorbehalt
Moin!
Ich habe gerade einen Fall, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob eine Verweigerung der Zahlung mit dem Einwilligungsvorbehalt begründet werden kann. Der Betreute geht zur Ergotherapie (durch Wohneinrichtung organisiert). Ich wurde in Kenntnis gesetzt. Der Betreute versäumt den dortigen Termin und erhält eine Rechnung (Ausfallgebühr: 76 Euro). Ich bespreche mit meinem Betreuten, ob er bereit ist, diese Rechnung zu bezahlen. Er hat nur den Barbetrag in Höhe von ca. 150 Euro monatlich zur Verfügung (Jugendhilfe). Er schlägt vor, die Rechnung hälftig zu begleichen. Das tue ich und informiere die Praxis über dieses Angebot meines Betreuten. Die Praxis verlangt den vollen Betrag. Greift hier überhaupt der Einwilligungsvorbehalt? An welcher Stelle wurde ein (schwebend unwirksamer) Vertrag geschlossen? Habe ich mit der anteiligen Zahlung bereits konkludent zugestimmt?
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Viele Grüße Fridel Geändert von FridelE (03.04.2024 um 14:40 Uhr) |
03.04.2024, 15:09 | #2 |
Moderator
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Beiträge: 6,097
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Wahrscheinlich haben Sie doch als Betreuer im Namen des Betreuten den Behandlungsvertrag unterschrieben. Gabs denn darin eine solche Vertragsstrafe? Könnte eh unwirksam sein, da überraschende Klausel, §§ 305, 305c BGB. Aber selbst wenn wirksam, müsste der Betreute ja die Pflichtverletzung schuldhaft begangen haben. War er intellektuell überhaupt in der Lage, das zu erfassen?
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03.04.2024, 16:14 | #3 | |
Forums-Geselle
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Zitat:
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Viele Grüße Fridel |
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03.04.2024, 20:16 | #4 |
Moderator
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Es gibt immer einen Behandlungsvertrag. Aber da gibts kein Schriftformerfordernis. Der Besuch beim Arzt/Therapeuten, das Vorzeigen der KV-Karte wird als Annahme des Vertragsangebotes „Heute 11 Massagen zum Preis von 10!“ gedeutet. Bei Privatpatienten traut man dem Braten nicht so sehr, da wird aus Beweiszwecken alles schriftlich gemacht. Aber ein Vertrag liegt immer zugrunde.
Allgemeine Geschäftsbedingungen können durchaus als Aushang bekannt gemacht werden, man denke an solche in Bussen und Bahnen „wer ohne Fahrkarte fährt, muss ein erhöhtes Beförderungsentgelt bezahlen“. Aber das darf nicht überraschend kommen, § 305c BGB. Wenn an der Eingangstür ein Din-A-3-Zettel mit „Wichtig“ in greller Farbe hängt, wird das in der Regel reichen (außer bei Blinden und Analphabethen). Und Geschäftsunfähige schließen keinen Vertrag (geht halt nicht). Wenn sie Vertragsleistungen tatsächlich erhalten, sind sie dadurch ungerechtfertigt bereichert und zum Ausgleich verpflichtet (§ 812 BGB). Dieser Ausgleich ist normalerweise so viel wie der Kaufpreis, sodass es nicht auffällt. Aber: Allgemeine Vertragsbedingungen gelten eben nicht, weil es ja kein Vertrag ist. Also auch keine 60 € für den Bus, sondern nur die normale Fahrkarte (Hausverbot kann trotzdem erteilt werden!) Beim EV gilt das Gleiche wie bei GU (wenn der Betreuer die Vertragseinwilligung verweigert).
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04.04.2024, 09:46 | #5 |
Forums-Geselle
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Beiträge: 212
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Vielen Dank für die ausführlichen Schilderungen. Ich müsste doch den Vertrag noch nicht einmal verweigern, oder? Meine Nicht-Zustimmung (also Schweigen) reicht doch aus?
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Viele Grüße Fridel |
04.04.2024, 10:06 | #6 |
Routinier
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Ich würde dem Therapeuten mitteilen, was HorstD schrieb und versuchen, eine Einigung zu erreichen, denn es nützt nichts, wenn man einen neuen Therapeuten suchen muss.
Darüber hinaus den Betreuten und die Einrichtung impfen, dass sowas künftig nicht mehr vorkommt. |
04.04.2024, 13:55 | #7 |
Forums-Geselle
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Das habe ich bereits getan. Jedoch ist der Betreute umgezogen und wird die Dienste der Praxis eh nicht mehr in Anspruch nehmen.
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Viele Grüße Fridel |
05.09.2024, 11:13 | #8 |
Club 300
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Beiträge: 341
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Ausfallgebühr Physiotherapie Dilemma
Ich möchte diesen Beitrag nochmal hoch holen, weil ich aktuell das gleiche Problem und noch keine Lösung dafür habe:
Die Betreute (mit Einwilligungsvorbehalt in Vermögensangelegenheiten) wohnt in einem Heim für psychisch kranke Menschen. Sie hat psychische und körperliche Einschränkungen. Die Betreute hat nur den monatlichen Barbetrag zur Verfügung. Der geht weitgehend für Zigaretten und selbst zu zahlende Medikamente drauf. Sie hat - wie ich erst hinterher von dem Heimpersonal erfuhr - zwei Termine bei der Physiotherapie nicht wahrgenommen, weil sie krankheitsbedingt tagsüber immer wieder spontan einschläft und dann vom Pflegepersonal nicht (ausreichend) wach zu bekommen ist. Es ist unmöglich, sie dann zu dem Termin zu bewegen. Die Physiotherapie verlangt 70 EUR pro nicht rechtzeitig 24 h vorher abgesagten Termin, das kann sie sich nicht leisten. Der Anbieter macht leider keine Hausbesuche, sonst könnten wir das ggf. durch die Hausärztin in dem Fall verordnen lassen, dann wäre es einfacher. Ich habe dem Anbieter die Situation beschrieben, auf den Einwilligungsvorbehalt hingewiesen und dass ich den Vertrag so nicht genehmigen kann, vor allem aber auch um Verständnis für die Situation gebeten. Hat nichts genützt, der EiWi beziehe sich nicht auf die Gesundheitssorge, man besteht auf die Zahlung und wirft mir darüber hinaus in zackigem Ton vor, der Betreuten notwendige Behandlungen vorzuenthalten (!), vermutlich weil ich den Vertrag so nicht genehmigen möchte. Konstruktive Lösungsvorschläge: Fehlanzeige. Das Problem ist: Wir sind auf diese Physio-Praxis angewiesen, es ist eine ländliche Gegend und nur diese Praxis bietet im Umkreis die bei der Betreuten notwendigen Behandlungen an. Ansonsten wären längere Anfahrten nötig (dann stellt sich die Frage wer die Fahrtkosten trägt). Daher muss ich ja eigentlich den Behandlungsverträgen so wie sie sind zustimmen (natürlich zieht hier der EiWi, ist ja auch finanzielle Verpflichtung), sonst bekommen wir schlicht keinen Termin mehr. Zudem habe ich gelesen, dass das Ausfallgeld nicht nur über eine AGB (also Vertragsklausel) verlangt werden kann, sondern es kommt als Rechtsgrundlage auch einfach Schadensersatz infrage. Da komme ich mit dem EiWi nicht weiter. Ich bin mir den Pflegern und Betreuern am überlegen was wir tun können, aber haben noch keine Lösung dafür gefunden. Vielleicht hat noch jemand eine Idee? Die Ausfallkosten vielleicht als Mehrbedarf beim Sozialamt geltend machen? Muss die Krankenversicherung einen Anbieter benennen, der ins Haus kommt (sofern Hausbesuch verordnet wurde)? Viele Grüße, Anni |
05.09.2024, 14:51 | #9 |
Berufsbetreuerin
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Beiträge: 823
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Die Genehmigung des Vertrages verweigerst du nicht im Rahmen der Gesundheits- sondern der Vermögenssorge. Vermutlich geht es dir nicht um den ganzen Vertrag, sondern um eine darin enthaltene Schadenersatzklausel.
Lösungsvorschlag: Diese streichen und den Vertrag ausdrücklich mit Ausnahme dieser Klausel genehmigen. Zwar wird die Praxis dann vermutlich den Vertragsschluss komplett verweigern, aber immerhin bist du den Vorwurf entgegengetreten, der Betreuten notwendige Behandlungen zu verweigern und sicherst deine Position u.a. gegenüber eine möglichen Intervention des Betreuungsgerichtes. Ich würde i.Ü. die Praxis auffordern, einen konstruktiven Lösungsvorschlag zu unterbreiten und wenn der ausbleibt, den Spieß, also den Vorwurf umdrehen. Ein Schadenersatzanspruch setzt Vertretenmüssen des Schuldners voraus, also Verschulden gem. § 276 BGB. Deine Schilderung klingt, als wäre dies nicht gegeben und als wären gesundheitliche Gründe ursächlich. Die Pflicht, diesen Umstand vorzutragen und notfalls zu beweisen, trifft allerdings deine Betreute bzw. dich als ihre Vertreterin. |
05.09.2024, 16:13 | #10 |
Forums-Azubi
Registriert seit: 31.05.2024
Ort: Bayern
Beiträge: 38
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Wie immer kann man das ganze natürlich rechtlich diskutieren, aber lassen wir doch mal die Kirche im Dorf.
Die Betreute braucht wohl die Physio und es ist eigentlich auch inzwischen bekannt (Recht hin, Vertrag her), dass man bei Physio, Ergo und Sonstwo die Stunde zahlen muss, wenn man sie nicht 24 h vorher absagt. Sich hier auf einen Streit einlassen führt nur dazu, dass die Physiopraxis dann die Behandlung der Betreuten einfach verweigert. Deswegen: mit der Physio für die Versäumnisse eine Ratenzahlung vereinbaren und mal in einem ruhigen Gespräch eine Lösung für den Sonderfall finden. Wenn das Nichterscheinen wegen krankheitsbedingter Somniasis erfolgt, dann sollte man da doch was gemeinsam überlegen und eine Lösung finden. Z.B. Im Smartphone einen Wecker stellen. Auf der Station vom Heim mal mit dem Pflegepersonal reden, ob die die Betreute rechtzeitig wecken könnten. Vielleicht wäre die Physio auch so kulant und nett und ruft eine Stunde vorher mal an. https://www.weckrufe.de als Alternative, wenn die Betreute ein Handy hat. Ist günstiger als die Physio zu verpassen. Bevor man wie Don Quijote mit heruntergelassenem Visier und Lanze auf der Rechtsschiene reitet: Augen schließen, tiiiiieeeeef durchatmen, an eine schöne Blumenwiese denken und dann das Problem von der anderen Seite her denken. |
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