Dies ist ein Beitrag zum Thema Unterbringung bei Immobilität im Unterforum Aufenthalt - Freiheitsentziehung , Teil der Rechtsfragen im Rahmen des Betreuungsrechts
Hallo Betreuerwichtel,
das
Zitat:
Zitat von Betreuerwichtel
Da die Betreute überhaupt nicht mehr kann, wie sie will, gibt es überhaupt ...
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01.11.2016, 20:23 | #11 | |
Forums-Geselle
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Beiträge: 182
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Hallo Betreuerwichtel,
das Zitat:
Beste Grüße in die Runde Andrew
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Man soll die Dinge nicht so tragisch nehmen, wie sie sind.
Karl Valentin |
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01.11.2016, 20:55 | #12 |
Admin/Berufsbetreuer
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Beiträge: 8,611
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Hallo Andrew
Genau das ist ja die juristische Haarspalterei (mal im positiven Sinne) - Der Unterschied zwischen dem freien Willen und dem natürlichen Willen. Das Gericht sieht die Sache so, dass die Betreute ihre Situation nicht mehr erkennt und auch die Risiken, die sie bei einem Verbleib in eigener Wohnung eingehen würde, nicht mehr einschätzen kann. Deshalb wird ihr kein freier Wille mehr zugebilligt. Ein natürlicher Wille (sie will nach Hause) schon. Darüber hinaus kann sie aufgrund ihrer körperlichen Probleme nicht aus einer - ihrer Gebrechen angemessenen - Unterkunft nicht mehr ausbüxen. Deshalb wird die Heimunterbringung vom Gericht als Schutzmaßnahme und nicht als freiheitsentziehende Maßnahme angesehen - und ist deshalb nicht genehmigungspflichtig. Und eine geschlossene Unterbringung in einem offenen Heim zu beantragen gilt als Widerspruch per se. Wenn Du mal durch die Demenz-Bereiche in Seiniorenheimen gegangen bist, wird Dir sicherlich aufgefallen sein, dass da eigentlich immer jemand jammert oder sogar schreit, weil er oder sie nach Hause möchte. Das ist der natürliche Wille, der wohl in den meisten Fällen anders aussieht, als es ein freier Wille tun würde, wenn die betreffenden Menschen ihre Situation noch einschätzen könnten. MfG Imre
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01.11.2016, 21:18 | #13 |
Forums-Geselle
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Beiträge: 182
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Hallo Imre,
ich kann Deiner Argumentation gut folgen. Aber hier geht es doch auch um die Frage der rechtlichen Absicherung des Betreuerhandelns, welches bei Betrachtung mit "gesundem Menschenverstand" nachvollziehbar, aber rechtlich problematisch bewertet werden könnte. Wenn dann vom Gericht mitgeteilt wird, dass hier kein Beschlussbedarf besteht kann ich als Betreuer handeln, wenngleich ich dann immer noch den Antrag auf Wohnungskündigung stellen muss. Aber die Unterbringung kann dann ja in einen Umzug "gewandelt" werden, sprich, ich kann/muss ihn organisieren. Der "freien Willen" oder die Berwertung einer Äußerung als "Ausfluss des freien Willens" ist ja letztlich immer das Problem. Und da ist ja dann die Begutachtung dran: ist es freier Wille oder "nur" eine Äußerung, die das "Für und Wider" nicht rezipieren und damit die Folgen nicht abschätzen kann. Ich habe diesbezüglich auch schon interessante Diskussionen mit RichterInnen erleben dürfen. Daher finde ich die Vorsicht, mit der die Ausgangsfrage formuliert wurde schon sehr angebracht. Und ich finde die Diskussion hier im Forum (fast) immer sehr erhellend und anregend (auch zum Widerspruch). Beste Grüße Andrew
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Karl Valentin |
02.11.2016, 06:48 | #14 | |
ehem. Admin / Berufsbetreuerin
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Beiträge: 14,097
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Zitat:
Ich breche den Ausgangsthread mit seinen spezifischen Einzelheiten mal allgemein runter und dann steht da: wenn sich einer nicht mehr bewegen (wehren?) kann, dann wird er von hier nach da verlegt ohne Berücksichtigung seiner persönlichen Wünsche weil er beschützt werden müsste. Gut, hier steht die Dame reisst sich Wundnähte wieder auf usw. Heftig. Aber mal ehrlich, ist eine offene Pflegeeinrichtung hier wirklich der "Schutz" den sie auch braucht oder der sein muss ? Jeder von uns kennt die personelle Besetzung in einem normalen Altenheim, katastrophal und auf jeden Fall nicht so, dass hier in Wirklichkeit Schutz für die Dame besteht. Wer im Zimmer bleibt ist regelmässig über Stunden ohne Aufsicht und kann machen was er will. In einer geschlossenen Einrichtung ist der Personalschlüssel deutlich höher, das tatsächliche Schutzbedürfnis auch wirklich Thema und klar definierte Aufgabe. Neje länger ich von rechts nach links denke, ich würde den Unterbringungsantrag auch unter diesem Aspekt stellen. Solche grundsätzlichen Fragen zu den Persönlichkeitsrechten würde ich nicht subsumieren wollen. J emand sagte, das käme im Rahmen der Wohnungskündigung sowieso zur Sprache. Mir wäre das zu wenig, mit dem Punkt soll sich bitte ein Gutachter beschäftigen und klar und deutlich Stellung beziehen. Pragmatismus und teilweise auch Makulatur hat für mich dabei nix zu suchen obwohl ich ansonsten gerne pragmatisch bin.
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02.11.2016, 20:23 | #15 | ||
Stammgast
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Beiträge: 566
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Hallo,
ich danke euch sehr für eure interessanten Beiträge !!! Ich sehe es ähnlich wie Michaela: Wenn ein körperbehinderter Mensch, der nicht mehr weglaufen kann, kein Unterbringungsverfahren mehr bekommen kann, ist er doch gegenüber den Mobilen benachteiligt - auch wenn alles noch mit der Wohnungskündigung ordnungsgemäß geprüft wird wie bei den Mobilen ja auch. Für mich hat der bloße Wille zur Fortbewegung auch ein Gewicht. Wenn sie nicht (auch noch) dement wäre, könnte sie theoretisch jemanden anrufen, der sie wieder nach Hause trägt. Zitat:
Zitat:
Aktueller Stand: Ich habe heute einen Kurzzeitpflegeplatz für sie gefunden. LG, Annegret |
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03.11.2016, 07:43 | #16 | |
ehem. Admin / Berufsbetreuerin
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Beiträge: 14,097
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Zitat:
Anträge auf eine geschlossene Unterbringung werden immer beim zuständigen Richter gestellt. Also: Antrag formal, Begründung (bei uns haben sie das ganz gerne) ud wenn möglich ärztliche (Kurz)Stellungnahme. Manchmal macht man das als Betreuer auf jeden Fall, auch wenn man befürchtet dass der Antrag abgelehnt werden sollte, für sich selbst zur Absicherung. Nützt in der Praxis letztendlich wohl wenig aber dient dem inneren Seelenfrieden. Dein Fall z.B. wäre für mich so ein Fall.
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03.11.2016, 08:26 | #17 |
Forums-Geselle
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Beiträge: 182
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Hallo Annegret,
da war Michael schneller mit der Antwort auf Deine letzte Frage. Ich sehe das genau so und damit bin ich bisher immer gut gefahren. Gerade Anträge auf Unterbringung werden ja nicht mit langfristiger Perspektive gestellt sondern kurzfristig wegen dringendem Handlungsbedarf. Hab ich gestern erst wieder gemacht. Ansonsten kann ich nur die Argumente von Michaela und Imre unterstreichen. Dass es mit dem KZP-Platz geklappt hat ist ja erst mal gut. Da kannst Du ja dann vielleicht auch besser abschätzen, wie es weiter gehen sollte. Aber wie Du das bisher dargestellt hast ist ja hier schon ein Mehrbedarf an Versorgung gegeben, der in einer "normalen" Einrichtung nicht vorgehalten wird. Wie sieht es mit der PS aus? Vielleicht da auch noch Begutachtung zwecks Erhöhung beantragen. Beste Grüße Andrew
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Karl Valentin |
04.11.2016, 01:18 | #18 | |
Stammgast
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Ort: Nordost-Thüringen
Beiträge: 992
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Sind wir doch mal juristisch spitzfindig und nehmen die entsprechende Norm auseinander.
§ 1906 Abs. 1 BGB Zitat:
Tatbestandsmerkmale für die Möglichkeit der Unterbringung sind:
Eine Demenz ist laut Definition ([deˈmɛnʦ], lat. dementia, zu demens „unvernünftig, ohne mens „Verstand; Denkkraft“ seiend“) ein psychiatrisches Syndrom, das bei verschiedenen degenerativen und nichtdegenerativen Erkrankungen des Gehirns auftritt. Somit besteht eine psychische Krankheit. [Eine entsprechende Erkrankung ist in den Fällen, in denen sich die Frage der Unterbringung stellt, meist gegeben.] Zu einer aktiven Selbsttötung oder erheblichen Gefährdung der Gesundheit ist die Betreute aufgrund der vollständigen Imobilität nicht mehr im Stande. Auch solche Dinge durch Unterlassen zuwege zu bringen, ist ihr aufgrund der Pflege nicht möglich. Die Verweigerung von Nahrung und Trinken ist krankheitsbedingt und wird auf lange Sicht ohnehin zu einem immer größeren gesundheitlichen Problem führen. Hierauf hat jedoch auch eine Unterbringung in einem Heim (unabhängig von geschlossen oder offen) keinen Einfluss. Auch würde ich eine solche Weigerung nicht unter die Tatbestandsmerkmale der Selbsttötung oder -gefährdung subsumieren. Weiterhin besteht der Sachverhaltsschilderung zu folge überhaupt kein Anlass, eine solche Selbsttötungs- oder -gefährdungsabsicht anzunehmen. Es wird lediglich eine Weigerung, die eigene Wohnung zu verlassen, dargelegt. Aus diesem Grunde sehe ich dieses Tatbestandsmerkmal als nicht vorliegend an. Für eine Zwangseinweisung sehe ich keine Grundlage. Und wie Imre bereits feststellte, ist die Zwangseinweisung in eine offene Einrichtung ein juristisches Paradoxon. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass eine Zwangseinweisung immer nur ein zeitweiliges Instrument des Eingriffes in die Persönlichkeitsrechte eines Menschen sein muss. Dies resultiert schon aus dem Grundgesetz. Damit müssen solche Maßnahmen immer auf ein Mindestmaß beschränkt sein. (Aus diesem Grunde erfolgen solche Maßnahmen meist auch nur per einstweiliger Anordnung, da diese maximal ein halbes Jahr gelten.) Weiterhin müssen solche Maßnahmen auf die Verbesserung des Zustandes der betroffenen Person abzielen. Dieses Ziel ist aber bei einem demenzkranken Menschen überhaubt nicht zu erreichen. Krankheitsbedingt wird sich der Zustand eher verschlechtern, als verbessern. Auch aus diesem Grunde ist eine Zwangsmaßnahme nach § 1906 Abs. 1 BGB abzulehnen. Schlussendlich ist die Gefährdung des Wohles aus § 1901 BGB eine wesentlich niedrigere Hürde und erreicht bei weitem nicht die Schärfe der Selbsttötungs- und -gefährdungsabsicht des § 1906 Abs. 1 BGB. Hier genügt bereits, dass die ständige Versorgung und Überwachung des Gesundheitszustandes in der eigenen Wohnung durch einen Pflegedienst nicht mehr gewährleistet werden kann. So will die Betreute vielleicht ihre Wohnung nicht verlassen, aber die daraus resultierenden Folgen wie z.B. wund liegen oder in ihren eigenen Ausscheidungen über einen längeren Zeitraum verbleiben, möchte sie nicht. Dies ist dann eben schon eine Gefährdung des Wohles, da solche Situationen zu vermeidbaren zusätzlichen Erkrankungen (z.B. Dekubitus, Harnwegsinfekte) führen können. Im Resúme würde ich feststellen, dass eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB angesichts des Fehlens wesentlicher Tatbestandsmerkmale nicht genehmigungsfähig ist. Ein Antrag auf Genehmigung nach §§ 1907 Abs. 1, 1901 Abs. 3 S. 1 BGB entgegen dem Willen der Betreuten aber durchaus eine Aussicht auf Zustimung hat.
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Die deutsche Sprache ist zwar Freeware, aber nicht open-source! Geändert von Betreuerwichtel (04.11.2016 um 01:24 Uhr) |
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04.11.2016, 09:59 | #19 | |||
ehem. Admin / Berufsbetreuerin
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Eine schöne Zusammenfassung.
Meiner Meinung nach aber mit Denkfehlern/Fehlinterpretationen behaftet. Zitat:
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09.11.2016, 22:26 | #20 |
Stammgast
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Hallo,
ich habe sicherheitshalber einen Antrag auf Genehmigung § 1906 gestellt. Das Gericht bittet um Stellungnahme, warum die B. geschlossen untergebracht werden soll - wo sie doch komplett immobil ist ... Auch wenn Frau X aufgrund ihrer Fortbewegungsunfähigkeit ihren Fortbewegungswillen nicht selbständig umsetzen kann, wäre es ihr Recht, sich die Fortbewegungsmöglichkeit mit fremder Hilfe zu verschaffen. Eine Versagung dieser Hilfe durch Unterlassung (§13 StGB) wäre möglicherweise problematisch. Ob eine Freiheitsberaubung vorliegt und eine genehmigungspflichtige Unterbringung nach sich zieht, sollte vom Betreuungsgericht überprüft werden, da Frau X mit ihrer körperlichen Einschränkung das gleiche Schutzrecht hat wie Personen mit einem gesunden Bewegungsvermögen. Bin gespannt, wie es weiter geht. LG Annegret |
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